Anleitung zum leistbaren Wohnen
Die stark gestiegenen Baukosten sind Gift für das leistbare Wohnen in Tirol. Damit dieses politische Ziel trotzdem erreichbar ist, legt die Landesinnung Bau ein 5-Punkte-Programm vor.
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Die Tiroler Bauwirtschaft und damit auch potenzielle Käufer:innen und Mieter:innen befinden sich aktuell in einer negativen Doppelmühle: Die Preissteigerungen und Lieferengpässe aufgrund der Pandemie und des Ukrainekrieges haben sich mittlerweile auf einem Niveau von 25 bis 30 % über den Preisen von 2020 eingependelt. Dazu kommen steigende Zinsen, welche die Kostenspirale weiter nach oben treiben. In Summe führen diese Faktoren zu einer Anhebung der Immobilienpreise bei Kauf und Miete, also dem genauen Gegenteil dessen, was politisch unter dem Schlagwort leistbares Wohnen erreicht werden soll. „Um dieser Entwicklung gegenzusteuern und den benötigten Wohnraum für die Tirolerinnen und Tiroler in der entsprechenden Qualität und mit vertretbaren Kosten zu schaffen, müssen wir in die Substanz des Wohnens eingreifen“, erklärt Anton Rieder. Der WK-Vizepräsident und Innungsmeister der Landesinnung Bau hat den Weg dorthin in fünf Punkte aufgegliedert.
1. Verzicht auf unterirdische Bauteile
„Wir vergraben bis zu 30 % der Baukosten unter der Erde, nur damit es unsere Autos und Fahrräder fein haben“, bringt Anton Rieder einen enor-
men Kostentreiber im Bau auf den Punkt. Ein gesamthafter oder auch nur teilweiser Verzicht kann zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. So könnte einem Teil der Wohnungen beispielsweise keine Tiefgaragenplätze zugeordnet und der Kostenvorteil direkt weitergegeben werden. Besonders in der Inntalfurche wird dies aufgrund der guten Anbindungen an den öffentlichen Verkehr und der Möglichkeit von Carsharing zu einer realistischen Option. „Es ist hier sicherlich jedes Projekt gesondert zu beurteilen“, führt Rieder aus, „das setzt allerdings voraus, dass das nicht wie derzeit durch starre gesetzliche Vorgaben verhindert wird.“
2. Systematisiertes Planen und Bauen
Planung und Errichtung von Gebäuden richten sich aktuell stark nach städtebaulichen bzw. architektonischen Aspekten. Das Gebäude wird von außen her gedacht. Durch einen Perspektivenwechsel lässt sich ein Einsparungspotenzial in der Größenordnung von 5 bis 10 % erzielen“, erläutert Anton Rieder. Dabei müssen die „inneren“ Werte eines Gebäudes wie effiziente Grundrisse, schlanke statische Konstruktionen, übereinanderliegende Modulbäder und standardisierte Details im Sinne eines systematisierten Planens und Bauens in den Fokus rücken. Darin liegen auch Zukunftschancen speziell für die mittelständische Tiroler Bauwirtschaft. Diese liegt derzeit im Spannungsfeld zwischen Industriebau und Individualbau. Große europäische Anbieter im Industriebau bieten kostengünstiges Bauen nach dem Baukasten–Prinzip, was wenig gestalterischen Spielraum zulässt.
Auf der anderen Seite ermöglicht der Individualbau maßgeschneiderte Lösungen – allerdings zu vergleichsweise hohen Preisen. „Mittelständische Tiroler Bauunternehmen können sich genau in der Mitte positionieren und mit systematisiertem Bauen weitgehend individuelle Lösungen bei optimierten Kosten anbieten“, so Rieder. Das setzt allerdings voraus, dass sich speziell gemeinnützige Auftraggeber dieser Möglichkeiten bewusst sind und von der Planungsphase an Kostenoptimierungen ausschöpfen. Das beinhaltet auch, dass Architekturwettbewerbe bei größeren Projekten nicht mehr wie derzeit ausschließlich auf die ästhetische Komponente reduziert werden, sondern auch ökonomische und ökologische Faktoren mitberücksichtigen.
3. Baudichte erhöhen
Eine höhere Baudichte spart nicht nur Grund und Boden, sondern führt im Regelfall zu einer kosteneffizienten Umsetzung von Wohngebäuden. Das spiegelt sich auch in der Wohnbauförderung wider: Der Baukostensatz für die kleinste Gebäudekategorie liegt aus diesem Grund um 16 % höher als jener für die größte Kategorie. „Es kommt auch darauf an, dass der proportionale Zusammenhang zwischen Wohnfläche und angemessene Grundstückskosten abgemindert wird“, erklärt Anton Rieder eine weitere Maßnahme. Mit höheren Baudichten sind Einsparungen in der Größenordnung zwischen 5 und 10 % erreichbar.
4. Digitale Baueinreichung
Die Vorlaufzeiten für Wohnbauten in Tirol betragen 3 Jahre und länger. Das verursacht Projektentwicklungs- und Zinskosten, welche die Käufer bzw. Mieter zu tragen haben. Die Einführung einer digitalen Baueinreichung für sämtliche baurelevanten Verfahren kann die Vorlaufdauern verringern, daher benötigt es eine Beschleunigung der Verfahren mit klar definierten Maximalfristen wie es diese beispielsweise in Südtirol bereits gibt. Zudem ergeben sich aufgrund des Prozesses Kosteneinsparungen: Derzeit erfolgt die Planung ja bereits digital und muss noch per Papier eingereicht werden. Das ist ein unnötiger Umweg, der Kosten produziert. Insgesamt liegt darin ein Einsparungspotenzial zwischen 1 und 5 %. Die Landesinnung Bau forciert die Digitalisierung und ist dazu in laufender Abstimmung mit dem Land. Der Tiroler Bautag am 4. Mai wird sich mit diesem Thema intensiv befassen und lädt dazu Vertreter aus Wien ein, wo sich die Digitalisierung und Automatisierung von Bauverfahren bereits in der Umsetzung befinden.
5. Einsparungspotenzial bei Bauvorschriften nutzen
Die Vorgaben für die Baubranche sind in den letzten Jahrzehnten immer umfangreicher und komplexer geworden. „Hinter zahlreichen Gesetzen und Verordnungen liegen sinnvolle Ziele wie beispielsweise Energieeffizienz, Barrierefreiheit oder Brandschutz, jedoch wird oftmals über das Ziel geschossen“, erklärt Anton Rieder. Aus diesem Grund hat die Bundesinnung Bau dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Die Umsetzung der darin enthaltenen Empfehlungen würde zu signifikanten Einsparungen in einer Bandbreite von 5 bis 15 % führen. Während die Kostenvorteile der Punkte 1 bis 4 in Tirol selbst gehoben werden können, handelt es sich bei diesem Punkt um Vorschläge, die sowohl im eigenen Bundesland als auch auf Bundesebene gelöst werden müssen. „Tatsache ist, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, um dem leistbaren Wohnen in Tirol einen neuen Schub zu geben. Die Voraussetzung dafür ist, dass sich Gesetzgeber und Behörden auf eine sachliche Diskussion einlassen und die Bereitschaft an den Tag legen, die notwendigen Anpassungen zügig und professionell umzusetzen“, erklärt Innungsmeister Anton Rieder.
1. Verzicht auf unterirdische Bauteile
Einsparungspotenzial: 10-20 %
2. Systematisiertes Planen und Bauen
Einsparungspotenzial: 5-10 %
3. Baudichte erhöhen
Einsparungspotenzial: 5-10 %
4. Digitale Baueinreichung
Einsparungspotenzial: 1-5 %
5. Bauvorschriften straffen
Einsparungspotenzial: 5-15 %