„Leistung ist die Lösung, nicht das Problem“
Präsidentin Barbara Thaler erklärt, warum überzogene Lohnabschlüsse auch den Arbeitnehmer:innen schaden, welche positiven Wirkungen Leistung entfaltet und welche Forderungen sich aus der WK-Kampagne #manifesto ergeben.
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Sie warnen bei den KV-Verhandlungen vor einem Bumerang. Warum? Höhere Löhne sind doch ein Gewinn für die Arbeitnehmer:innen?
Solange das Maß stimmt, ja. Darüber nicht mehr. Über 20 % höhere Löhne in den letzten drei Jahren setzen die Betriebe unter Druck. Überzogene Lohnabschlüsse treiben unweigerlich die Preise für die Produkte und Dienstleistungen in die Höhe. Und damit leidet der Absatz. Die Arbeitnehmer:innen haben nichts davon, wenn aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit Firmen Personal abbauen oder gar zusperren müssen. Ganz abgesehen davon, dass die Lohn-Preis-Spirale die Inflation anheizt, was wiederum die Kaufkraft schmälert. Man sieht an diesen Folgen: Unausgewogene Abschlüsse produzieren nicht nur vordergründige Wirkungen in Form höherer Löhne, sondern eine Reihe versteckter unerwünschter Nebenwirkungen, die gefährlich sind. Es ist unsere Aufgabe als WK, diese Zusammenhänge sichtbar zu machen.
Läuft die Forderung nach moderaten Abschlüssen nicht auf einen Klassenkampf hinaus?
Wenn die Gewerkschaften wirklich im Sinne der Arbeitnehmer:innen handeln, dann nicht. Nur gesunde Betriebe können sichere Arbeitsplätze bieten. Standortsicherung braucht den Schulterschluss von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, keinen Klassenkampf. Unser Slogan „Wirtschaft sind wir alle“ kommt nicht von ungefähr, sondern drückt das treffend aus.
Warum rückt die Wirtschaftskammer Tirol das Thema Leistung aktuell so stark in den Fokus?
Das Thema Leistung steht im Mittelpunkt, weil es für die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand unseres Standorts entscheidend ist. Mehr als 40 % der Industriebetriebe haben bereits Teile ihrer Wertschöpfungskette in den letzten drei Jahren ins Ausland verlagert. Die vielzitierte „Deindustrialisierung“ ist kein fernes Gespenst, sie ist traurige Realität. Wir müssen daher ein positives Klima für Leistung schaffen, um die Wirtschaft zu stärken und unser Sozialsystem zu sichern.
Ist „Leistung“ nicht grundsätzlich negativ belegt?
Bei einem der Lieblingsthemen der Tirolerinnen und Tiroler, dem Sport, ist Leistung zum Beispiel selbstverständlich und positiv besetzt. Und bei den vielen Ehrenamtlichen im Land ebenfalls. Die Voraussetzung ist: Es braucht Erfolgserlebnisse. Und das bedeutet im Arbeitsleben vor allem, dass sich die Leistung auszahlt. Das derzeitige System belohnt nicht mehr, sondern weniger arbeiten, Stichwort Besteuerung bei Teilzeit. Es muss uns gelingen, die positiven Aspekte von Leistung verständlich zu machen. Leistung schafft Sinn, Leistung macht stolz, Leistung aus eigenem Antrieb ist die Lösung, nicht das Problem!
Der Druck auf die Mitarbeiter:innen ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Und Sie fordern jetzt noch mehr Leistung?
Das stimmt so nicht. In den letzten Jahren ist die Arbeitszeit laufend zurückgegangen. Die Österreicher:innen arbeiten um 5 Stunden weniger als vor 20 Jahren und um 1,4 Stunden weniger als vor der Pandemie. Österreich hat nach den Niederlanden die zweithöchste Teilzeitquote in der EU. Es geht also zunächst darum, den rückläufigen Trend bei der Arbeitszeit zu stoppen. Wenn immer weniger Leute immer weniger arbeiten, geht sich die Rechnung nicht mehr aus.
Haben Sie die Rechnung nicht ohne den Wirt gemacht? Besteht überhaupt die Bereitschaft, mehr zu arbeiten?
53 % der Tirolerinnen und Tiroler erklären in einer aktuellen market-Umfrage, dass sie bereit wären, mehr zu arbeiten – wenn es sich lohnt. Auch 20 % der Pensionist:innen wären bereit, länger zu arbeiten – wenn es sich lohnt. Darüber hinaus gibt es durchaus Interesse für qualifizierte Zuwanderung. Häufig scheitert das aber an den formalistischen Vorgaben der Rot-Weiß-Rot-Karte. Daher schnappen uns viele andere Länder hochqualifizierte Leute weg. Der Leistungswille ist also da – die Politik muss diesen mit geeigneten Rahmenbedingungen entfesseln.
Und aus diesem Grund hat die WK Tirol die Kampagne #manifesto ins Leben gerufen?
Genau. Wir wollen damit vor allem Bewusstsein schaffen: Leistung ist die Grundlage für alles, was uns wichtig ist – vom Wohlstand bis zum Sozialsystem.
Welche konkreten Forderungen leitet die Wirtschaftskammer aus ihrer Leistungskampagne ab?
Aus der Kampagne ergeben sich fünf zentrale Forderungen: Erstens muss (Mehr-)Leistung stärker belohnt werden. Zweitens brauchen wir dringend mehr Netto vom Brutto – unter anderem müssen die Lohnnebenkosten runter. Drittens fordern wir, die Verwaltung zu modernisieren, um die Betriebe zu entlasten. Viertens gilt es, den Standort zu stärken und die Deindustrialisierung zu stoppen. Und Fünftens brauchen wir ein Maßnahmenbündel gegen den Arbeitskräftemangel. Aus unserer Sicht ist es die Aufgabe der neuen Bundesregierung, deutliche Impulse bei diesen fünf zentralen Punkten zu setzen. Wir werden das gemeinsam mit der WKÖ für unsere Mitgliedsbetriebe in aller Deutlichkeit einfordern, wie auch immer die Koalition endgültig aussehen wird.
Weitere Informationen: www.wko.at/manifesto