Barbara Thaler
© Land Tirol / Fitsch

"Interessenvertretung ist das Korrektiv gegenüber der Politik!"

Interview. Präsidentin Barbara Thaler erklärt im Interview, wie es um die Tiroler Wirtschaft zu Jahresbeginn steht, welchen Stellenwert der Faktor Energie hat, warum Digitalisierung gegen den Arbeitskräftemangel hilft und welche Maßnahmen die Wirtschaftskammer von der Politik erwartet.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 29.01.2024

Wie sieht die Ausgangslage für die Tiroler Wirtschaft zu Beginn des neuen Jahres aus?

Der Arbeitskräftemangel ist für viele Betriebe nach wie vor ein Problem, die Energiepreise und die Inflationsrate verursachen hohe Kosten, und die Kaufkraft ist gedämpft. Die Lage der Betriebe ist sehr herausfordernd. Der Geschäftsklimawert, den wir seit Jahren in unserem Top Tirol Konjunkturbarometer erheben, ist erstmals seit dem Corona–Winter 2021 wieder im negativen Bereich.

Zieht sich diese negative Stimmung durch alle Branchen?

Besonders stark betroffen von der Konjunkturschwäche sind die Industrie, der Handel und die Verkehrswirtschaft. Grundsätzlich positiv ist nach wie vor die wirtschaftliche Lage im Tourismus und in der Sparte Information und Consulting. Auch die Tiroler Bauwirtschaft hat sich etwas erholt. Ich habe in den vergangenen Jahren viele europäische Regionen kennengelernt – wenige sind so breit und stabil aufgestellt. Diese Balance müssen wir uns erhalten.

Ich habe in den vergangenen Jahren viele europäische Regionen kennengelernt – wenige sind so breit und stabil aufgestellt. Diese Balance müssen wir uns erhalten.


Worin sehen Sie die stärksten Standortfaktoren Tirols?

Die gerade angesprochene Balance ist eine große Stärke. Weiters ist es unsere Lage inmitten der großen europäischen Ballungsräume. Und es gibt wohl kaum einen anderen Standort, die eine derart beeindruckende Naturlandschaft zu bieten hat, das ist die Grundlage für unseren hervorragenden Tourismus. Dazu kommen top ausgebildete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was oft vergessen wird, ist der Faktor Energie.

Sie sprechen die Tiroler Wasserkraft an?

Ja, aber nicht nur. Die Tiroler Wasserkraft war und ist für uns entscheidend. Viele Betriebe sind aufgrund der Wasserkraft in Tirol entstanden und groß geworden. Energie wird auch in den kommenden Jahrzehnten ein absolut entscheidender Faktor sein. Und das gilt auch für Gas. Jene Betriebe, die auf Gas angewiesen sind, brauchen in Zukunft vermehrt grünes Gas. Hier müssen wir als Wirtschaftsstandort heute schon voraus denken, weil sonst in ein paar Jahren aufgrund von steigenden CO2-Abgaben auf fossiles Gas vermehrte Energiekosten auf die Betriebe zukommen. In diesem Zusammenhang freut es mich, dass es uns als Wirtschaftskammer gelungen ist, für Tiroler Unternehmen einen Rabatt mit der Tiwag und den IKB zu verhandeln. Damit erhalten WK-Mitglieder in Zukunft den gleich günstigen Netto-Tarif von 12,7 Cent/kWh wie Haushaltskund:innen.

Worin liegen aktuell die größten Herausforderungen für die Tiroler Betriebe?

Wir fragen diesen Punkt bei jeder Top Tirol Konjunkturumfrage ab. Die beiden mit Abstand größten Herausforderungen der Betriebe sind zurzeit die Arbeitskosten und der Arbeitskräftemangel. Daher besteht in diesem Bereich der dringendste Handlungsbedarf seitens der Politik. Aufgrund der steigenden Arbeitskosten verschlechtert sich die Wettbewerbsposition für die Tiroler Wirtschaft laufend. Es wird für unsere Betriebe von Tag zu Tag schwerer, gegen den hohen Konkurrenzdruck zu bestehen. Ich erwarte mir daher für die heurigen Verhandlungsrunden im Herbst Zurückhaltung, damit der Ausstieg aus der Lohn-Preis-Spirale gelingt.

Kann die Politik kurzfristig Maßnahmen in diesem Bereich ergreifen?

Ja, ich sehe durchaus Möglichkeiten für kurzfristige Maßnahmen, um die hohen Arbeitskosten zu dämpfen. Erstens sollte für Vollzeitbeschäftigte ein Steuerabsetzbetrag von 500 Euro eingeführt werden. Das macht den Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit attraktiver und belohnt Leistung. Zweitens liegt es jetzt an den Kollektivvertragspartnern, dass die Betriebe die neue Mitarbeiterprämie ausschöpfen können. Zulagen und Bonuszahlungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf Grund der Teuerung zusätzlich im Kalenderjahr 2024 geleistet werden, sind bis zu 3.000 Euro pro Jahr steuer- und beitragsfrei. Dafür braucht es aber die entsprechenden Rahmenbedingungen, die von den Kollektivvertragspartnern jederzeit geschaffen werden können. Die Wirtschaftsseite ist jedenfalls dazu bereit. Als dritte Maßnahme erwarte ich mir eine Senkung der im internationalen Vergleich viel zu hohen Lohnnebenkosten in Österreich – den aktuellen Vorstoß seitens des Bundeskanzlers in diese Richtung begrüße ich ausdrücklich.

Welche Möglichkeit haben die Betriebe selbst, dem Arbeitskräftemangel entgegen zu wirken?

Eine große Chance liegt in der fortschreitenden Digitalisierung. Eine Verbesserung von Abläufen führt zu Steigerungen in der Effizienz. Das spart nicht nur Kosten, sondern wirkt auch dem Arbeitskräftemangel entgegen und entlastet vor allem auch bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Eine der zentralen Aufgaben der Wirtschaftskammer Tirol liegt für mich darin, für die heimischen Betriebe geeignete Rahmenbedingungen auf allen Ebenen zu schaffen.

Welchen Stellenwert hat Interessenvertretung gerade in schwierigen Zeiten?

Eine der zentralen Aufgaben der Wirtschaftskammer Tirol liegt für mich darin, für die heimischen Betriebe geeignete Rahmenbedingungen auf allen Ebenen zu schaffen. Die Interessenvertretung ist das dringend notwendige Korrektiv, um von den Regierungen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene Gesetze einzufordern, die unternehmerisches Arbeiten ermöglichen. Dass Interessenvertretung wirkt, zeigt sich für mich beim Gesetz zur Höheren Beruflichen Bildung, das der Nationalrat im Dezember beschlossen hat.

Worin geht es in diesem Gesetz?

Zukünftig können staatlich anerkannte Abschlüsse absolviert werden, die gleichwertig zu akademischen Studien stehen. Das wertet die Lehre deutlich auf. Es ist der größte Meilenstein in der beruflichen Bildung seit der Einführung der Fachhochschulen vor 30 Jahren. Die Initiative und die Vorbereitung für das Gesetz sind von Tirol ausgegangen. Die Überzeugungsarbeit hat lange gebraucht – aber sie hat sich ausgezahlt.

Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Klausur der Landesregierung?

Ich freue mich, dass das Land einen Fokus auf eine Verwaltungsreform legen will. Bürokratische Hürden schaffen seit Jahren Probleme für die heimischen Betriebe, wir haben darauf mehrfach hingewiesen. Die Wirtschaftskammer wird sich in diesen Prozess intensiv einbringen und darauf drängen, größtmögliche Vereinfachungen zu erzielen. Weniger zufrieden bin ich mit der angekündigten Bauoffensive. Ein genauer Blick darauf zeigt, dass das reguläre Landesbauprogramm im Wesentlichen fortgeschrieben wird, aber keine zusätzlichen Investitionsimpulse erfolgen. Diese würden die KMU in der Tiroler Bauwirtschaft vor allem im Hochbau dringend benötigen.