"Das Skifahren wird´s bei uns immer geben!"
Auch wenn sich die klimatischen Verhältnisse ändern, wird der Skitourismus im Wintersportland Tirol auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Davon ist nicht nur Wissenschaftler Günther Aigner fest überzeugt.
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Alle Jahre wieder drehen sich im Spätherbst die öffentlichen Diskussionen um die gleichen Themen. Pünktlich zum traditionellen Weltcup-Auftakt Ende Oktober am Rettenbachferner in Sölden sind dann landauf landab die obligaten kritischen Stimmen und Fragen zu vernehmen: Kommt die Ski-Saison nicht doch vielleicht etwas zu früh? Wer, bitteschön, kann sich das Skifahren heute noch leisten? Und hat das Skifahren angesichts des Klimawandels überhaupt eine Zukunft, oder wird es bald schon Schnee von gestern sein?
Günther Aigner kennt diese Debatten und Fragen zur Genüge. Der Kitzbüheler beschäftigt sich seit Jahren mit der Zukunft des Skifahrens und gilt als einer der renommiertesten Skitourismusforscher im deutschsprachigen Raum. „Es ist Fakt, dass sich das Klima wandelt. In 30 Jahren werden wir in Tirol weniger Schnee haben als heute. Die Winter werden auch kürzer sein als heute. Aber deshalb zu glauben, man könnte in 30 Jahren nicht mehr Skifahren und es würde nie wieder schneien, das sind völlig absurde Vorstellungen“, sagt der 45-Jährige.
Sobald es um den Schnee geht, dominiere vielerorts ein Schwarz-Weiß-Denken. „Wir haben eine breite Schere zwischen der subjektiven Wahrnehmung vieler Menschen und den objektiven Daten und Fakten“, erklärt Aigner: „Ich vertrete die These: Die Vorstellung der Leute vom Skifahren sind verschoben von der
Realität.“
135 Millionen Skifahrer:innen
Aigner untermauert das mit aktuellen Daten. Tatsächlich war das Skifahren global gesehen noch nie so en vogue wie jetzt. Das beweist nicht nur ein Blick auf die gut besuchten Skipisten, das belegen vor allem auch die nackten Zahlen: „Es gibt derzeit 135 Millionen Skifahrer:innen weltweit. Mehr als je zuvor in der Geschichte der Menschheit“, berichtet Skitourismusforscher Günther Aigner.
Die Skiindustrie kann diesen Aufwärtstrend bestätigen. Wolfgang Mayrhofer, der General Manager von Atomic, verzeichnet mit seinem Unternehmen nach der Corona-Pandemie gerade Rekordumsätze. „2022 hatten wir mit Atomic schon ein Rekordjahr, 2023 liegen wir noch einmal vier bis fünf Prozent besser“, sagt Wolfgang Mayrhofer.
Trendsetter USA
Ein Grund für dieses Wachstum sind die Vereinigten Staaten. Die USA sind mit 25 Millionen Skifahrern der größte Markt der Welt – zugleich auch der mit Abstand teuerste. Ein Tagespass in Vail, dem teuersten Ski-Ressort der Welt, kann rund um Weihnachten bis zu 290 US-Dollar (umgerechnet 270 Euro) kosten.
Für Forscher Günther Aigner könnten die USA ein Trendsetter für die gesamte Branche sein. „Der größte und preisintensivste Skitourismusmarkt der Welt – jener in den USA – gibt uns einen Hinweis darauf, wohin sich der Skitourismus in den Alpen in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte: In einen Premiummarkt mit gesundem Wachstum.“
Auch Atomic-Boss Wolfgang Mayrhofer ortet diesen Trend. „Skifahren ist ein Stück weit Richtung Premium gegangen. Nur noch 17 Prozent der Skiurlauber:innen die heute nach Tirol kommen, sind aus Österreich.“
Pole Position
Tirol hat in diesem Fall einen enormen Standortvorteil, der in den kommenden Jahren wahrscheinlich sogar noch größer wird. Um es in den Worten von Skitourismusforscher Günther Aigner zu sagen. „Tirol und Südtirol sind in der Pole Position. Unsere Skigebiete sind auf dem Weltmarkt vom Preis-Leistungsverhältnis nahezu unschlagbar.“
Im Vergleich mit anderen Wintersport-Destinationen der Welt schneiden die Skigebiete in Österreich exzellent ab. So kostet ein Tages-Skipass in Zermatt (Schweiz) knapp 100 Euro, ähnliche Preise vermelden auch die französischen Skigebiete. Das teuerste heimische Skigebiet, die Arlberg-Region, ruft 75 Euro für die Tageskarte aus.
„Mit einer „internationalen Brille“ betrachtet ist das Skifahren in Österreich nach wie vor günstig“, betont Günther Aigner. „Weil wir auch das beste Package haben.“
Wir sehen am Heimatmarkt keine Verschiebung bei der Gästestruktur. Für Einheimische und vor allem für Familien gibt es attraktive Angebote und Skigebiete in unterschiedlichen Preisklassen. Es freut uns auch, dass Skischulkurse in Tirol nach wie vor gut angenommen werden – Skifahren ist und bleibt eine beliebte Sportart.
Wie bereiten sich die heimischen Skigebiete auf den Klimawandel vor?
Einerseits konnte durch den Ausbau der Beschneiungsanlagen die Schneesicherheit in den Tiroler Skigebieten gewährleistet und sogar verbessert werden. Andererseits investieren viele Skigebiete in neue Angebote im Bereich von Sommeraktivitäten. So kann in Zukunft eine allfällig verkürzte Wintersaison durch einen stärkeren Sommer kompensiert werden.
Ist bereits eine Verlagerung in den Sommer
sichtbar?
In den letzten Jahren sind die Nächtigungszahlen sowohl in der Winter- als auch in der Sommersaison leicht steigend. Aktuell ist somit noch keine Verlagerung festzustellen.
Besucher:innen der Ski-WM 2023 im französischen Nobelskiressort Courchevel-Meribel können davon ein Klaglied singen. Veralterte Liftanlagen, wie sie teilweise dort noch im Betrieb sind, findet man hierzulande keine mehr.
Hochwertiges Angebot
„Wir sind als Wintersporttourismusland weltweit führend“, erklärt Jakob Falkner, der Geschäftsführer der Söldener Bergbahnen und verweist auf das Knowhow und die hohe Ski-Sport-Tourismuskompetenz.
„Wir haben die Skihersteller im Land, wir haben die Seilbahnerzeuger, wir haben die Skigebiete, die Hotels und nicht zuletzt auch den Rennsport durch den Österreichischen Skiverband – wo sonst gibt es ein so hoch konzentriertes und hochwertiges Angebot? Das ist Weltklasse. So viele Branchen, in denen Österreich die Nummer 1 ist, haben wir dann auch nicht.
All diese Attribute sind mitverantwortlich, dass Skitourismusforscher Günther Aigner für die Zukunft alles andere als ein düsteres Bild zeichnet. Die Klimaerwärmung wird zwar Auswirkungen auf das Skifahren haben, „aber die Wissenschaft liefert uns mit ihren Klimamodellsimulationen die Gewissheit, dass wir im Jahr 2050 in den klassischen Skigebieten auch im ‚worstcase‘ noch Skifahren können“, erklärt Aigner.
Atomic-Chef Wolfgang Mayrhofer stößt ins gleiche Horn: „Ich kann mir vorstellen, dass die Schneelinie um 150 Höhenmeter nach oben wandern wird. Und die Talabfahrten werden künftig wohl nur mehr beschneit sein. So wird der Berg dann eben aussehen. Über 1.200 Höhenmeter wird es okay sein und der Schnee wird dort auch dank der Innovationen bei der technischen Schneeproduktion gut halten. Das muss jetzt nicht negativ sein, wenn man das verantwortungsvoll macht.“
Skitourismusforscher Günther Aigner ist davon überzeugt, dass gerade die Tiroler Skigebiete Zukunft haben. „Viele dieser klassischen Skigebiete, die es seit 100 Jahren gibt, werden weiterhin Bestand haben. Die werden auch in Zukunft Menschen aus der ganzen Welt anziehen, weil die Qualität und das Preis-Leistungsverhältnis dermaßen gut ist“, prophezeit der Kitzbüheler.
Sein Fazit: „Die Erwartung der Menschen, dass in 20, 30 Jahren in Tirol niemand mehr Ski fährt, wird sich nicht erfüllen. Das Skifahren wird’s bei uns immer geben, weil es eine zeitlose Faszination ausübt.“
Aigner verweist auf den Wintereinbruch Anfang Dezember in Tirol, Bayern und der Schweiz. „Das hat uns neben den Verkehrsproblemen vor Augen geführt, wie so eine Winterlandschaft ausschaut. Mir ist auf Social Media aufgefallen, wie verrückt die Leute danach waren, Winteraufnahmen zu machen und diese Bilder zu teilen. Das allein zeigt mir, dass der Wintersport und das Skifahren natürlich Zukunft haben.“