EU-Rat beschließt VO über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise
Am 30. September 2022 wurde im Rahmen der Rats-Sitzung der EU-Energie-Minister:innen die "Rats-Verordnung über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise" beschlossen. Die Veröffentlichung des Beschlusses wird in Kürze im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften erfolgen.
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Nachstehende Information der WKÖ über Energielenkungsmaßnahmen auf EU-Ebene dürfen wir zur Information weiterleiten. In erster Linie handelt es sich um Ermächtigungen an die Mitgliedsstaaten, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen. Achtung: ob von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, oder nicht, liegt im Ermessen der Mitgliedsstaaten.
Bitte beachten Sie, dass diese Information als vorläufig zu betrachten ist, da die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU noch nicht erfolgt ist.
Pressemitteilung des Rates (nur in englischer Sprache verfügbar):
Council agrees on emergency measures to reduce energy prices - Consilium (europa.eu)
Zum Inhalt der Verordnung:
Reduzierung des Strombedarfs
Der Rat einigte sich auf zwei Reduktionsziele:
- eine freiwillige Reduktion des Bruttostromverbrauches von 10 % und
- eine verbindliche Reduktion des Stromverbrauchs in Spitzenzeiten um mind. 5 % im Stundendurchschnitt. (Die Spitzenzeiten müssen 10 % der Stunden innerhalb der Periode 1. Dezember 2022 und 31. März 2023 umfassen. Die MS identifizieren sie selber.
- Der MS kann beschließen, einen anderen Prozentsatz der Spitzenstunden zu verpflichten, solange mindestens 3 % der Spitzenstunden abgedeckt werden und solange die Energie, die während der Spitzenstunden eingespart wird, mindestens so hoch ist wie die Energie, die die im ersten Fall eingespart worden wäre.
Um nationale Besonderheiten zu berücksichtigen liegt es im Ermessen der MS, die geeigneten Maßnahmen zur Erreichung der Nachfragereduzierung zu wählen. Der Entwurf schlägt vor, dass die MS insbesondere marktorientierte Maßnahmen wie Auktionen oder Ausschreibungsverfahren in Betracht ziehen sollen.
Deckelung der Markterlöse für inframarginale Stromerzeugung
- Die finale Verordnung sieht vor, die Erträge (realisierten Markterlöse) von Stromerzeugern, die sogenannte inframarginale Technologien (mit geringen Grenzkosten) zur Stromerzeugung nutzen, wie bspw. erneuerbare Energien, Kernenergie und Braunkohle, auf 180 Euro/MWh zu begrenzen.
- Es sollte im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen zu entscheiden, ob sie sie die Begrenzung entweder zum Zeitpunkt der Abrechnung des Stromaustauschs umsetzen oder danach.
- Die Mitgliedstaaten haben eine Reihe von Ausgestaltungsmöglichkeiten z.B.:
- Ausnahmen für Demonstrationsanlagen oder für Anlagen mit einer Kapazität von bis zu 1 MW.
- Ausnahme Erlöse aus dem Verkauf von Strom auf dem Regelenergiemarkt und aus dem Ausgleich für Redispatching und Countertrading.
- Festlegung der Obergrenze für die Markteinnahmen in einer Wiese, die es den Stromerzeugern ermöglicht, 10 % der überschüssigen Einnahmen über der Marktobergrenze zu behalten.
- Festlegung einer höheren Umsatzobergrenze.
- Möglichkeit zwischen Technologien zu differenzieren.
- Begrenzung der Markteinnahmen anderer Akteure z.B. Händler.
- In Situationen, in denen die Nettoeinfuhrabhängigkeit eines Mitgliedstaats 100 % oder mehr beträgt, schließen sie bis zum 1. Dezember 2022 eine Vereinbarung über eine angemessene Aufteilung der überschüssigen Einnahmen an den Ausfuhrmitgliedstaat. Andere Mitgliedstaaten werden ebenfalls aufgefordert, solche Abkommen zu schließen.
- Die abgeschöpften Mittel sollen die MS zur Unterstützung der Kunden, sowohl Haushalte als auch Unternehmen, die besonders stark von den hohen Strompreisen betroffen sind, nutzen. Wenn Nicht-Haushaltskunden Unterstützung erhalten, soll bei diesen auf Investitionen in Dekarbonisierungstechnologien, einschließlich erneuerbarer Energien, hingewirkt werden, z. B. durch Stromabnahmevereinbarungen oder Direktinvestitionen in die Erzeugung erneuerbarer Energien, oder auf Investitionen in die Energieeffizienz. Die Mitgliedstaaten sollen auch die Möglichkeit haben, Unterstützungsmaßnahmen vorzufinanzieren und die Markteinnahmen zu einem späteren Zeitpunkt zu erheben.
Solidaritätsabgabe für den Sektor der fossilen Brennstoffe
- Ein Solidaritätsbeitrag wird auf Überschussgewinne aus Tätigkeiten im fossilen Bereich eingehoben. Die Einnahmen werden für eine Reihe von Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepreise eingesetzt.
- Bemessungsgrundlage: Steuerpflichtige Gewinne, die mehr als 20 % über den durchschnittlichen steuerpflichtigen Gewinnen der letzten Haushaltsjahre beginnend ab 01. Januar 2018 liegen.
- Höhe des Solidaritätsbeitrages: 33 %.
- Der Solidaritätsbeitrag wird zusätzlich zu den in den Mitgliedstaaten geltenden regulären Steuern und Abgaben erhoben.
- Die Mitgliedstaaten können nationale Maßnahmen, die der Solidaritätsabgabe gleichwertig sind, beibehalten, sofern sie mit den Zielen der Verordnung vereinbar sind und zumindest vergleichbare Einnahmen erzielen.
- Der Solidaritätsbeitrag sollte verwendet werden für i) finanzielle Unterstützungsmaßnahmen für Energieendverbraucher, insbesondere für schutzbedürftige Haushalte, um die Auswirkungen der hohen Energiepreise abzumildern; ii) finanzielle Unterstützungsmaßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs; iii) finanzielle Unterstützungsmaßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen in energieintensiven Branchen; und iv) finanzielle Unterstützungsmaßnahmen zur Entwicklung der Energieautonomie der Union. Die Mitgliedstaaten könnten auch beschließen, einen Teil der Einnahmen aus dem Solidaritätsbeitrag für die gemeinsame Finanzierung von Maßnahmen zur Verringerung der schädlichen Auswirkungen der Energiekrise zu verwenden, einschließlich der Unterstützung für den Schutz von Arbeitsplätzen und die Umschulung und Höherqualifizierung von Arbeitskräften, oder zur Förderung von Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien, auch in grenzüberschreitende Projekte.
- Einzelhandelsmaßnahmen für KMU: Weiters wurde festgelegt, dass die Mitgliedstaaten vorübergehend einen Preis für die Stromversorgung kleiner und mittlerer Unternehmen festlegen können, um KMU, die mit hohen Energiepreisen zu kämpfen haben, weiter zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten haben ferner vereinbart, dass sie ausnahmsweise und vorübergehend einen Preis für die Lieferung von Elektrizität festlegen können, der unter den Kosten liegt.
- Befristung: Die Maßnahmen sind vorübergehender und außergewöhnlicher Natur. Sie gelten vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. Dezember 2023. Die Reduktionsziele für den Energieverbrauch gelten bis zum 31. März 2023. Die verbindliche Obergrenze für Markteinnahmen gilt bis zum 30. Juni 2023.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen aus der Sicht der WKÖ viel zu kurz. Statt das Problem an der Wurzel, also bei der Gestehung der Strompreise anzugehen, werden nur Symptome (die entstehenden Übergewinne) bekämpft. Nicht nur ist das bürokratisch aufwendig (Rückführung der Übergewinne über Förderungen), es bringt keine direkte Entlastung für die Endkunden. Auf europäischer Ebene muss dringend weitergearbeitet werden. Es muss jetzt noch ein Notfallinstrument zur Entkoppelung des Gas- und Strompreises im Energie-Großhandel schnellstmöglich geschaffen werden.