Die Zukunft des Versicherungsvertriebes im Dialog mit der KI
Interview mit Andrea Stürmer, MSc MPA
Lesedauer: 4 Minuten
Andrea Stürmer, ehemalige CEO der Zurich Österreich, sprach beim Expert:innentreffen in Rust über die Zukunft des Versicherungsvertriebs. Ihr Impulsvortrag beleuchtete die wirtschaftlichen Herausforderungen der Versicherungs- und Maklerbranche, insbesondere das verstärkte Auftreten von Investor:innen und dessen Auswirkungen auf den Markt.
Um den Diskurs zu erweitern, haben wir die Inhalte ihres Vortrags in einem Interviewformat aufgearbeitet und zusätzlich die gleiche Fragestellung an eine künstliche Intelligenz gerichtet.
Erfahren Sie in diesem spannenden Vergleich die Einschätzungen von Andrea Stürmer und der KI zur Entwicklung des Versicherungsmarktes und den zukünftigen Herausforderungen für Versicherungsmakler:innen.
Frau Stürmer, in Ihrem Vortrag haben Sie die wirtschaftlichen Herausforderungen der Versicherungs- und Maklerbranche angesprochen. Können Sie uns mehr über das verstärkte Auftreten von Investor:innen und die daraus resultierenden Marktveränderungen erzählen? Und welche Meinung hat dazu die künstliche Intelligenz?
Stürmer: Es drängen immer mehr Investor:innen in den österreichischen Markt. Dabei lohnt sich ein Blick nach Deutschland, wo solche Entwicklungen bereits länger zu beobachten sind. Dort passieren zwischen 100 und 200 Transaktionen jährlich. Diese Unternehmenskäufe verändern den Markt. Die Anzahl der Versicherungsmakler:innen mit einem Provisionsvolumen von unter einer halben Million Euro sinkt in Deutschland und macht derzeit 40 Prozent des Gesamtumsatzes am Versicherungsmakler:innen aus. In England hat dieses Segment nur noch einen Umsatzanteil von zehn Prozent.
KI: Das verstärkte Auftreten von Investor:innen in der Versicherungs- und Versicherungsmaklerbranche führt zu mehr Kapital und Effizienz, besonders durch Digitalisierung und Prozessoptimierungen. Das kann kurzfristig die Erträge steigern, birgt aber das Risiko, dass der persönliche Kundenkontakt leidet. Investor:innen fokussieren oft auf schnelle Wertsteigerung, was kleinere Versicherungsmakler:innen unter Druck setzt und zu einer Marktverdrängung führen kann. Langfristig wird die Herausforderung darin bestehen, Effizienz und Kundenzufriedenheit in Balance zu bringen, um das Vertrauen und die persönlichen Beziehungen zu erhalten, die in der Branche so wichtig sind.
Sie erwähnten, dass besonders der österreichische Markt zunehmend von Investor:innen beeinflusst wird. Welche Parallelen sehen Sie zu Deutschland, wo diese Entwicklung schon länger zu beobachten ist?
Stürmer: In Deutschland finden zwischen 100 und 200 Transaktionen jährlich statt. Diese Marktentwicklung führt dazu, dass sich der Markt konsolidiert. Versicherungsmakler:innen mit geringeren Provisionsvolumen verschwinden allmählich oder werden übernommen. Ähnliche Tendenzen sind nun auch in Österreich zu erwarten, da Investor:innen auf den Markt drängen und Wertsteigerung durch Synergien, Digitalisierung und Prozessverbesserungen suchen.
KI: In Deutschland ist der Einfluss von Investor:innen bereits seit Jahren spürbar, mit jährlich hunderten Transaktionen im Versicherungs- und Maklermarkt. Diese Entwicklung hat dort zu einer deutlichen Marktkonsolidierung geführt, wobei kleinere Versicherungsmakler:innen zunehmend verschwinden oder übernommen werden. Ähnliches passiert jetzt in Österreich, wo Investor:innen ebenfalls auf der Suche nach Wertsteigerungen sind. Die Parallelen liegen in der zunehmenden Fokussierung auf Effizienz und Digitalisierung, während die persönliche Betreuung oft in den Hintergrund rückt. Österreich könnte also eine ähnliche Marktentwicklung wie Deutschland erleben, mit weniger kleinen Akteuren und stärkerem Wettbewerb um Marktanteile.
Sie haben darauf hingewiesen, dass Investor:innen oftmals den Fokus auf Rendite und Wertsteigerung legen, weniger jedoch auf die Kunden. Was bedeutet das für die langfristige Entwicklung der Versicherungsmakler:innen und wie können sich Versicherungsmakler:innen angesichts dieser Entwicklung positionieren?
Stürmer: Investor:innen suchen Rendite durch Wertsteigerungen des Unternehmens. Diese wird durch Synergien bei Prozessverbesserungen, Investitionen in die Digitalisierung, höhere Verhandlungsmacht gegenüber den Versicherungen und nur selten durch den Fokus auf Kunden erreicht. Dies könnte langfristig dazu führen, dass der direkte Kundenkontakt und die Qualität des persönlichen Service abnehmen. Die Optionen für die Branche sind, weiter auf die traditionellen Strukturen und auf die Kunden zu setzen oder ein First-Mover zu sein, mit der Chance auf Geschäftszuwächse. Das birgt sowohl Risiken als auch Chancen, da der Wandel im Markt Dynamik und Innovation erfordert. Es geht darum, die richtige Balance zwischen Digitalisierung und Kundenorientierung zu finden.
KI: Wenn Investor:innen vor allem auf Rendite setzen, kann das für Versicherungsmakler:innen langfristig problematisch werden. Der Fokus auf Effizienz und Kostensenkung geht oft zulasten der individuellen Kundenbetreuung, was in einer vertrauensbasierten Branche wie der Versicherungswirtschaft zu einer Schwächung der Kundenbindung führen kann. Standardisierte Services lassen Kunden sich weniger persönlich betreut fühlen, was den Verlust von Kunden zur Folge haben könnte. Versicherungsmakler:innen sollten daher ihre Stärke in der persönlichen Betreuung ausspielen. Kleinere Unternehmen können sich durch maßgeschneiderten Service und Fachwissen in Nischenbereichen von größeren, investitionsgetriebenen Firmen abheben und so einen Wettbewerbsvorteil schaffen.
Sie sprachen auch über den zunehmenden Kostendruck in der Branche. Wie sollten Versicherungen und Versicherungsmakler:innen mit diesem Druck umgehen, insbesondere wenn es um personalisiertes Kundenservice geht?
Stürmer: Der zweite Trend in der Branche ist der Kostendruck, nicht zuletzt ausgelöst durch die hohen Lohnabschlüsse. Daher muss man sich ganz genau überlegen, wer nach wie vor personalisiertes Service bekommt bzw. für wie viele Kunden man sich das noch leisten kann. Wir müssen mit unseren Ressourcen haushalten.
KI: Versicherungen und Versicherungsmakler:innen müssen angesichts des Kostendrucks priorisieren. Eine gezielte Kundensegmentierung kann helfen: Wertvolle Kunden werden individuell betreut, während weniger ertragreiche auf automatisierte Prozesse setzen. Digitalisierung optimiert interne Abläufe, sodass Routineaufgaben automatisiert und mehr Zeit für persönliche Beratung bleibt. Das Ziel ist ein Gleichgewicht zwischen Effizienz und persönlichem Service.
Ein weiterer Schwerpunkt Ihres Vortrags war die Aus- und Weiterbildung der Versicherungsmakler:innen im Hinblick auf unternehmerisches Denken. Welche konkreten Maßnahmen würden Sie empfehlen, um die Maklerbranche besser auf diese Herausforderung vorzubereiten?
Stürmer: Nur weil man einen Gewerbeschein hat, ist man noch kein Unternehmer. Hier müssen Versicherungsmakler:innen im Hinblick auf ihr unternehmerisches Handeln agieren, Aus- und Weiterbildung ist essentiell in der Branche.
KI: Zur Förderung unternehmerischen Denkens sollten Versicherungsmakler:innen gezielte Schulungen in Betriebswirtschaft, Digitalisierung und strategischem Management erhalten. Zusätzlich könnten Mentoring-Programme und praxisnahe Workshops helfen, unternehmerische Fähigkeiten weiterzuentwickeln und auf die Herausforderungen des Marktes besser vorbereitet zu sein.
Schließlich haben Sie den Klimawandel als eine der größten Herausforderungen für die Branche genannt. Welche Lösungsansätze sehen Sie, um den finanziellen Belastungen durch Klimaveränderungen zu begegnen?
Stürmer: Die vierte Herausforderung für die gesamte Branche ist der Klimawandel. Es werden dabei weder die Taschen der Versicherungen noch die der Regierungen ausreichen. Wir brauchen dafür viel bessere Lösungen, um langfristig mit den finanziellen Belastungen durch klimabedingte Schäden umzugehen.
KI: Um den finanziellen Belastungen durch den Klimawandel zu begegnen, sollten Versicherungen präventive Maßnahmen fördern, wie Risikomanagement und Investitionen in klimaresiliente Infrastruktur. Zudem könnten innovative Versicherungsprodukte entwickelt werden, die speziell auf klimabedingte Risiken zugeschnitten sind. Eine engere Zusammenarbeit mit Regierungen und der Zivilgesellschaft ist ebenfalls notwendig, um gemeinsame Lösungen für die steigenden Kosten extremer Wetterereignisse zu finden.
Das Interview mit Frau Andrea Stürmer, MSc MPA ist erschienen in der Ausgabe "Versicherungsmakler" 05/2024.