WorldSkills mit Adrenalin, Nervenkitzel und Herzklopfen: Österreichs Berufs-Asse kämpfen um WM-Gold
Tag zwei der Berufs-WM in Lyon: Österreichs 47 Teilnehmer:innen verfliesen Badezimmer, betreuen Touristen in US-Luxushotels, mixen kreative Cocktails – und fighten um jeden Punkt.
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Lyon gibt dieser Tage einen Vorgeschmack auf den Herbst: Die Bäume in der französischen Stadt, in der sich die Flüsse Rhône und Saône kreuzen, präsentieren sich in einer Kombination aus Moosgrün und Kastanienbraun. In den Bouchons der Vieux Lyon, den erstklassigen Restaurants der Altstadt, werden traditionelle Kuttelwurst und Hechtklöße serviert, in den ansehnlichen Pâtisseries die ortsüblichen Tarte aux Pralines und Macarons verputzt. In der kulinarischen Hauptstadt Frankreichs dominiert ruhige Gelassenheit – mit Ausnahme des Vororts Chassieu: Östlich des Stadtzentrums arbeiten über 1.600 junge Fachkräfte aus 65 Nationen mit Hochdruck in der 14 Hektar großen Euroexpo, dem größten Messe- und Kongresszentrum der Region. Bis inklusive Samstag wird bei WorldSkills, dem weltweit größten Wettstreit von ausgelernten Fachkräften bzw. Absolvent:innen von berufsbildenden Schulen bis 22 Jahre, gehobelt, serviert, geschneidert und präsentiert. Unter ihnen: 47 Fachkräfte aus Österreich, die seit Mittwoch mit Topleistungen um WM-Medaillen rittern.
Nervenkitzel: Steirischer Fliesenleger werkt im Badezimmer
Maß an den Besten der Welt nimmt etwa Florian Gruber, Fliesenleger aus Aigen im Ennstal: Inmitten von Tausenden Besuchern glättet und reinigt der Obersteirer am zweiten Wettkampftag den Untergrund, füllt Unebenheiten und passt die Grundierung an, um die Haftung zu verbessern. Im nächsten Schritt werden die benötigten Fliesen ausgemessen und hochpräzise zugeschnitten. Bereits gestern hat er die Zwischenwand, Nischen und eine schräg verlaufende Sitzbank realisiert. Am Samstag sollen die Dusche samt Nischen sowie das gegenüberliegende, aufgemauerte und verflieste Waschbecken schließlich vollständig fertiggestellt, der Beton betoniert und das Duschgefälle berücksichtigt sein.
"Am Anfang ist’s mir nicht so richtig aufgegangen, aber je länger ich gearbeitet hab’, desto besser bin ich reingekommen. Ich glaub’, das ist auch normal – immerhin ist das die WM. Es ist nicht einfach, unter so einem Druck zu arbeiten, aber genau das macht uns alle stärker. Man will hier nicht nur dabei sein, sondern zeigen, dass man zu den Besten gehört", sagt Gruber über die WM-Premiere. "Die Aufgabenstellung hat’s schon in sich, aber eigentlich hab ich’s drauf. Problematisch ist nur die Zeit, es ist einfach viel zu knapp bemessen", erklärt der Fliesenleger. Enthusiastische Fans und strenge Experten, die jeden seiner Arbeitsschritte verfolgen und beurteilen, kann Gruber mittlerweile ausblenden: "Also die Leute rundherum, die nehme ich eigentlich gar nicht wahr. Ich lasse mich davon auch überhaupt nicht aufhalten."
- Tüftelt an einem Badezimmer: Fliesenleger Florian Gruber aus der Steiermark (hier zum Bild, hier zum Video, OT-Audio-Material mp3 zum Download, Transkript O-Töne)
Herzklopfen: Ausnahmefälle für Wiener Hotel-Rezeptionistin
Gewissermaßen nach Seattle begibt sich Lisa-Marie Spörk - ohne Lyon zu verlassen: Denn für die nächsten Tage muss die Hotel-Rezeptionistin im eigens am Wettbewerbsgelände nachgeahmten Luxus-Hotel "Four Seasons" Gäste aus aller Welt betreuen. "Zur Vorbereitung habe ich die gesamte Stadt bis ins kleinste Detail studiert, als würde ich dort seit Jahren arbeiten. Seattle selbst ist eine große Stadt, und ich habe mir intensiv Wissen über alle ihre Ecken und Besonderheiten angeeignet – als wäre ich schon oft dort gewesen. Von Insider-Informationen über Sehenswürdigkeiten bis hin zu speziellen Details habe ich mir alles angesehen. Auch dieses absolute Luxushotel kenne ich in- und auswendig." Kenntnisse, die Spörk braucht: Während der WM muss die Wienerin – beschäftigt ist sie bei Verkehrsbüro Hospitality – vermeintlich einfache wie auch komplexe Abläufe in einem Hotel bewältigen. Dazu zählen etwa Check-in und Check-out, Gästebetreuung, Restaurant-Empfehlungen, die Organisation von Sightseeing-Touren, außergewöhnliche Situationen wie ein Diebstahl, das Handling von Beschwerden – oder etwa der Umgang mit filmenden Influencern. "Ich freue mich besonders auf außergewöhnliche Situationen wie etwa Kritik, denn ungeplante Herausforderungen und die damit verbundene Improvisation liegen mir. Solche Situationen erfordern schnelles Denken und kreative Lösungen, und genau das motiviert mich, mein Bestes zu geben." Nachsatz: "Ein bissal Herzklopfen ist aber schon dabei."
- Begibt sich nach Seattle: Hotel-Rezeptionistin Lisa-Marie Spörk aus Wien (hier zum Bild, hier zum Video)
Volle Präzision: Steirische Gebäude-Technikerin feilt an Plattform
Mit einem 3D-Gebäude-Modell bekommt es Magdalena Rath aus Bad Blumau in der Steiermark, WM-Vertreterin im Skill "Digital Construction", zu tun: "In diesem digitalen Modell erfasse ich jedes Bauteil mit all seinen Eigenschaften", erklärt die WM-Starterin. Am ersten Tag musste die Spezialistin für die digitale Planung von Gebäudeprojekten eine komplexe Projektplattform fertigstellen. Auf dieser Plattform arbeitet Rath am heutigen zweiten Wettkampftag weiter, pflegt erarbeitete Brandschutzvorgaben ein, oder plant welche Türen in welchem Format eingebaut werden. "Eine wichtige Aufgabe ist auch die Kollisionsprüfung – das Modell muss so gestaltet sein, dass es keine Konflikte zwischen Rohren, Fenstern oder anderen Bauteilen gibt. Zusätzlich erstelle ich ein Video, das zeigt, wann welche Bauteile eingebaut werden, um den Bauablauf zu visualisieren und zu optimieren", erklärt Rath. "Ich kümmere mich um die Einstellungen der Projektmitglieder, organisiere die Berechtigungen und sorge dafür, dass der Projekt-Abwicklungsplan perfekt konfiguriert ist. Ob Architektur- oder Statik-Modell: Alle Bauteile müssen präzise und korrekt im System integriert sein, damit das Projekt reibungslos weiterlaufen kann."
- Hat die Plattform für Gebäude bereits fertig: Magdalena Rath, steirische Spezialistin in „Digital Construction“ (hier zum Bild, hier zum Video)
Voller Fokus: Niederösterreichischer Trockenbauer vor Speed-Challenge
Wände zieht der niederösterreichische Trockenbauer Fabian Schweiger hoch – inklusive Schräge, Innenwand und „allen möglichen Ausschnitten“, sagt der WM-Teilnehmer. "Ich bin relativ gut reingestartet und schon zuversichtlich, dass das auch was wird in den nächsten Tagen", zeigt sich Schweiger optimistisch. Heute werden die Wände geschlossen und die Decke fertiggestellt, am Freitag wird alles verspachtelt, ehe er es am finalen Wettbewerbstag mit einem "Speed-Modul" zu tun bekommt. Die Challenge: Verputzen einer Wand unter allerhöchstem Zeitdruck. Unterstützung bekommt der Bad Vöslauer aus der Heimat: "Meine Familie, meine Eltern, meine Freundin und sogar meine ganze Firma ist gekommen. Sie alle drücken mir die Daumen", freut sich Schweiger. Seinen Kontrahenten – neben ihm werken die Teilnehmer aus Ungarn und Indien – hat er anfangs noch auf die Finger geschaut: "Ich hab dann aber recht schnell gemerkt, dass das nicht sehr schlau ist. Weil man sich selbst unter Druck setzt – und genau da passieren dann Fehler. Es ist entscheidend, immer auf das eigene Projekt fokussiert zu bleiben."
- Zieht heute Wände hoch: Trockenbauer Fabian Schweiger aus Niederösterreich (hier zum Bild, OT-Audio-Material mp3 zum Download, Transkript O-Töne)
Adrenalin pur: Kärntner ist im Bar-Service gefordert
Seit gestern stellt auch Simon Wieland sein Talent im Restaurant-Service unter Beweis: Der Kärntner muss in unterschiedlichen Aufgabenstellungen das Know-how aus Praxis und Vorbereitung umsetzen – etwa beim feierlichen Bankett-Modul: Hier muss die Fachkraft aus Krumpendorf am Wörthersee zwischen sechs und acht Personen servicieren – Champagnerempfang und Tranchieren des Fisches am Tisch inklusive. Auch Drinks werden gemischt und Kaffee-Variationen werden serviert. Heute muss er als Barkeeper überzeugen: "Die Herausforderung im Bankett-Modul liegt nicht nur im perfekten Service, sondern auch darin, flexibel auf die Wünsche der Gäste einzugehen. All die Aufgaben verlangen höchste Präzision und eine ruhige Hand sowie ein freundliches Auftreten. Heute geht es an die Bar, und ich freue mich darauf, als Barkeeper mein Können zu zeigen und die Gäste mit kreativen Cocktails – streng nach Vorgaben zubereitet – zu begeistern", sagt Wieland, der zugibt: "Das Adrenalin ist am Anfang bei jedem Handgriff durch meinen Körper geschossen. Man weiß, dass jeder Fehler entscheidend sein kann, aber genau dieses Gefühl treibt mich an. Es ist ein wahnsinniger Druck, denn diese Chance kommt nur einmal im Leben. Aber ich mag diese Herausforderung – hier geht’s um alles."
- Im Bar-Service gefordert: Simon Wieland, Kärntner Spezialist im „Skill“ Restaurant-Service (hier zum Bild)
Fotos & Videomaterial
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- Ein Highlight-Video vom ersten Tag finden Sie hier zur redaktionellen Nutzung.
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