WKÖ-Wirtschaftsparlament: Fraktionserklärungen im Zeichen der schwierigen Wirtschaftslage
Sorge um Wettbewerbsfähigkeit, Bürokratieabbau, Energiekosten und Lohnnebenkostensenkung waren ebenso Thema wie niedriges Wirtschaftswachstum und hohe Staatsverschuldung
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Die Reihe der Fraktionserklärungen beim WKÖ-Wirtschaftsparlament am 28. November 2024 eröffnete Michael Schuster von den UNOS. Er stellte dabei sogleich klar, dass sich die WKÖ vor den UNOS nicht fürchten müsse: „Entgegen der landläufigen Meinung wollen wir die Wirtschaftskammer nicht abschaffen, sondern wir wollen sie besser machen.“ So befinde sich die Welt in einer Zeit des Wandels, nicht zuletzt aufgrund neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz. Österreich sei nicht gut gerüstet: „Wir sind zu teuer, zu langsam und zu kompliziert.“ Dasselbe gilt Schuster zufolge für die Kammer. Will man den Wandel, der „ein Sturm und kein Lüfterl“ sei, gut meistern, dürfe es kein „Weiter wie bisher“ geben. Vor allem bei Lohnnebenkosten und Bürokratie sei viel zu tun. Hier sollte nach Ansicht der UNOS die Wirtschaftskammer mit gutem Beispiel vorangehen und die KU2 abschaffen sowie Komplexität und damit Bürokratie reduzieren. „Die Unternehmen wünschen sich Veränderung. Daher bevorzuge ich eine Kammer, die ein leuchtendes Symbol dafür darstellt, dass Wandel möglich ist“, so Schuster.
Detlev Neudeck von der Fachliste gewerbliche Wirtschaft dankte WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf für dessen Einsatz für die Wirtschaftskammer und wünschte ihm viel Erfolg für die neue Aufgabe in Vorarlberg. Dann thematisierte er die zentralen Probleme: „Gegenwart und Zukunft sind sehr ernst und herausfordernd: Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie Inflation und Corona-Politik sind leider keinesfalls bewältigte Krisen, sondern werden uns noch lange beschäftigen.“ Dabei verwies Neudeck auf aktuelle Umfragen, wonach 80 Prozent der Menschen in Österreich der Meinung sind, dass die Wirtschaftspolitik sich aktuell auf einem falschen Weg befindet. Kritik übte Neudeck zudem an der Höhe des Gehaltsabschlusses im öffentlichen Dienst. „Es ist unklar, wie das alles finanziert werden soll“, so Neudeck, der zudem darauf hinwies, dass „bei Reformen in der WKÖ in den vergangenen Jahren einiges geschehen“ sei. Im Vorfeld der WKÖ-Wahlen hoffte er auf einen fairen Wahlkampf. Abschließend betonte er, dass es für die notwendigen Reformen für den Standort dringend eine handlungsfähige Regierung brauche.
Seitens der Grünen Wirtschaft wünscht sich Sabine Jungwirth für die Wirtschaftskammerwahl einen „fairen Wahlkampf“ und höhere Beteiligung; die Handhabe von Wahlkartenanträgen durch die anderen Fraktionen sieht sie skeptisch. Österreichs Budgetdefizit sei die Folge multipler Krisen wie Covid und Ukrainekrieg, wobei die Unterstützung der Betriebe notwendig gewesen sei. Österreichs maue Konjunktur zeige, dass die „Wachstumserzählung“ an Grenzen stoße – jahrzehntelang verfehlte Energiepolitik habe zur Kostenexplosion beigetragen. Eine Lohnnebenkostensenkung befürwortet Jungwirth, diese müsse auch die KU2 beinhalten. Österreich brauche mehr IT-Fachkräfte, Breitbandausbau, Investitionen in Erneuerbare Energie sowie Strukturreformen bei Gesundheit und Pflege: Es sei bedenklich, wenn 24-Stunden-Betreuer:innen nicht mehr in Österreich arbeiten wollen. Neben Investitionen in frühkindliche Bildung sollten ganztägige Schulformen mehr Frauen die Teilhabe an Arbeit ermöglichen. Jungwirth plädiert dafür, positive Signale wie die Zinswende oder die gesunkene Inflation stärker zu betonen: „Wirtschaft ist viel Psychologie.“
Auch Matthias Krenn von der Freiheitlichen Wirtschaft begann sein Statement mit den Worten, dass wir eine positive Stimmung bräuchten, es in der Realität dafür aber wenig Grund gäbe. „Wir taumeln auf die längste Rezessionsphase der 2. Republik zu bzw. sind schon mitten drinnen.“ Und ein gutes Stück davon sei hausgemacht. „Die von der Regierung mitverursachte Inflation hat eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt, die noch lange nachbeben wird“, so Krenn. Dazu entpuppe sich der Green Deal der EU als „Rohrkrepierer, vor allem für die Automobilindustrie und Zulieferindustrie. Denn er verursacht Kosten, die in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen“. Die Folge sei „kein Tag ohne Hiobsbotschaften“, verweist Krenn auf die Probleme bei KTM, Schaeffler und anderen. Er fordert daher ein „Loslassen der Fesseln, das heißt, keine linken Steuerfantasien, sondern runter mit den Steuern, runter mit der Bürokratie“. Zusätzlich müsse die Bundesregierung alles tun, damit sich Leistung wieder lohnt. Denn den derzeit unerfreulichen Zustand gelte es so rasch wie möglich zu beenden.
Christoph Matznetter vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) betonte die Bedeutung des Sozial- und Wohlfahrtsstaats als Standortvorteil. „Das muss aber jemand bezahlen“, so Matznetter, der für Österreich und Europa „ein fundamentales Problem in der Wettbewerbssituation“ diagnostizierte. Der wichtigste Handelspartner Deutschland sei in der Krise „und unser zweitwichtigster Exportmarkt - die USA - macht die Schotten dicht“. Österreich habe ein strukturelles Problem. „Wir müssen mehr außerhalb unserer traditionellen Märkte direkt verkaufen“, forderte Matznetter. Damit kleinere Unternehmen neue Märkte ansteuern können, schlug er Vertriebsgemeinschaften vor, die von der Wirtschaftskammer unterstütz werden. Die Realität sei die schwierigste Partnerin bei den aktuellen Regierungsverhandlungen und hier steht Österreich insbesondere vor der Herausforderung der Budgetsanierung. Eine Entlastung im Bereich der Lohnnebenkosten ist wichtig, hier müsse aber auch die Finanzierung geklärt werden. „Teile der Wertschöpfung, die bisher nichts beitragen, müssen herangezogen werden“, erklärte Matznetter. Im Bereich der Energieinfrastruktur plädierte er für raschere UVP-Verfahren: „Wir müssen damit leben, dass wir bei Rohstoffen in Europa nicht auf der Siegerstraße sind.“ Zudem forderte er von der nächsten Bundesregierung ein Konjunkturpaket, „das sofort einen Impuls für die Wirtschaft geben muss.“
Sigi Menz von der Liste Industrie wünscht sich von der künftigen Regierung weniger Parteien-Hickhack, mehr Pragmatismus und Wirtschaftswissen. Angesichts der „schweren Standortkrise“ seien die Arbeits- und Energiekosten sowie Bürokratie bestimmende Themen. Österreich ist EU-weit mit Deutschland und Luxemburg im Wachstumskeller, so Menz unter Berufung auf aktuelle Daten. Die Industrie erlebe 2024 das dritte Rezessionsjahr in Folge, der Höhepunkt der Arbeitslosenzahlen sei bei Weitem nicht erreicht. Gas sei vier- bis fünfmal teurer als in den USA, wobei die Mehrkosten durch Russlands Lieferstopp noch nicht abschätzbar sind: „Es wächst die Abhängigkeit von LNG und wir erhalten weiter russisches Gas, nur über die Türkei zu höheren Preisen.“ Sorge bereitet der Industrie die Versorgungssicherheit, es fehlten Langfristverträge und Pipelinerechte. Bei den Lohnstückkosten sei Österreich ebenfalls nicht wettbewerbsfähig – verschärft durch Abschlüsse über der Inflation wie bei den Metallern. Handlungsbedarf ortet Menz bei der Bürokratie, den Pensionen, qualifizierter Zuwanderung sowie Bildung und Forschung. Abschließend bedankte sich er sich bei Karlheinz Kopf - als Landsmann freue er sich, dass dieser Präsident der WK Vorarlberg werde.
Alexander Klacska vom Österreichischen Wirtschaftsbund (ÖWB) ging in seinem Statement auf die Wortmeldungen seiner Vorredner:innen ein und betonte dabei nicht zuletzt die Leistungen der Wirtschaftskammer, mit denen die überwiegende Mehrheit der Unternehmen zufrieden sei. Auch gehe es darum, nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft zu schauen. Ziel seien daher nicht Maschinensteuern oder Eigentumssteuern, denn „Eigentumssteuern sind wie Nervengift. Sie wirken langsam, aber tödlich“. Vielmehr brauche man eine Senkung der Lohnnebenkosten, neue Wege bei Infrastrukturinvestitionen sowie „Vernunft und Augenmaß“ beim Ausbau erneuerbarer Energien. Hier müsse man auch Importmöglichkeiten mitdenken. „In Australien kostet ein Kilogramm Wasserstoff 1 Euro, bei uns hingegen 14 bis 15 Euro“, rechnet Klacska vor. Bürokratie sei lediglich dazu da, einen Rahmen zu geben, „innerhalb dieses Rahmens muss man sich aber frei bewegen können“, fordert Klacska, der sich wünscht, dass Österreich wieder eine Leistungsgesellschaft werde – „und zwar eine solche, die nicht Leistung empfängt, sondern Leistung erbringt.“