WKÖ-Analyse: Innovation ist nicht immer digital
November 2017: Publikation der Stabsabteilung Wirtschaftspolitik
Lesedauer: 5 Minuten
Auch wenn derzeit ein guter Teil der Innovationen durch IKT getrieben scheint, finden viele Innovationen jenseits Digitalisierung ohne diese statt. Die österreichische FTI-Politik braucht ein breites Verständnis für Innovation, das sowohl digitale und technologische wie auch nicht-technologische und nicht forschungsbasierte Innovationen umfasst.
Die Digitalisierung hat in vielen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen das Tor zu neuen Innovationsebenen aufgestoßen und ist heute ein wichtiger Treiber von Innovation. Die Basis für Innovation in Unternehmen ist aber viel breiter und geht weit darüber hinaus. Sie umfasst neben den Erkenntnissen von Forschung und experimenteller Entwicklung den Knowhow-Aufbau (z.B. über das Funktionieren von Märkten, die Verarbeitung von Materialien, die Nutzung von Simulation oder die Anforderungen von Kunden), neue Geschäftsmodelle, neue Kombinationen von Technologien sowie die Integration von neu verfügbaren Vorprodukten, Kreativleistungen, Organisationsentwicklung in Unternehmen, Design, etc. Viele dieser Faktoren sind miteinander verzahnt.
Was ist eine Innovation?
OECD Oslo Manual:
Eine Innovation ist die Umsetzung eines neuen oder wesentlich verbesserten Produkts (Güter und Dienstleistungen), eines Verfahrens oder einer Vertriebsmethode, einer Organisationsform, eines Geschäftsmodells, der Arbeitsorganisation oder der externen Beziehungen eines Unternehmens.
Ob die Umsetzung auf technologischer Ebene oder durch Digitalisierung erfolgt, ist unerheblich.
Innovation hat viele Gesichter
Mit dem im 2-Jahres-Abstand und aktuell seit Ende Oktober 2017 von der Statistik Austria für Österreich durchgeführten Community Innovation Survey (CIS) wird das Innovationsverhalten der Unternehmen (mit mehr als 10 Mitarbeitern) erfasst und europaweit verglichen. Erhoben werden neben den vier wichtigsten Innovations-typen (Produkt-, Prozess-, Organisations- und Marketinginnovationen) auch Innovationsaktivitäten und Innovationsausgaben, z.B. für
- Forschung und experimentelle Entwicklung,
- den Erwerb von Maschinen und Ausrüstung,
- die Nutzung von Software und Gebäuden für die Innovationen,
- den Erwerb von anderem, externen Wissen von Dritten,
- Weiterbildungsmaßnahmen,
- die Markteinführung von Innovationen,
- Design.
Die nachstehende Grafik zeigt alle unterschiedlichen Innovationsformen in zwei Dimensionen und unterscheidet zwischen den Innovationen von Produkten oder Geschäftsprozessen bzw. der Innovation auf der technologischen oder nicht-technologischen Ebene. Ein Bezug zu Digitalisierung oder zu Forschung & Entwicklung ist nicht zwingend.
Die Produktinnovation ist im Vergleich zu Prozessinnovation, Marketinginnovationen und Organisationsinnovationen am stärksten von Forschung und Entwicklung getrieben, daher setzt dort auch die öffentliche Direktförderung mit hoher Hebelwirkung wirksam an.
Dennoch sind lt. OECD mehr als ein Drittel der erfassten österreichischen Unternehmen (> 10 Mitarbeiter) mit Produktinnovativen gar nicht „F&E-aktiv“. Mit diesem Anteil liegt Österreich etwa im Durchschnitt der europäischen Innovationleader (DE, DK, SF, SE).
Mehr als 1/3 der Betriebe mit Produkt-Innovationen ohne Forschungs- & Entwicklungs-Aktivitäten.
Berücksichtigt man neben der Produktinnovation auch die anderen Innovationstypen [1] von Unternehmen sowie auch die Unternehmen ohne Innovationsaktivitäten, sinkt laut CIS 2012 der Anteil der F&E-aktiven Unternehmen auf ein knappes Fünftel aller Unternehmen (> mehr als 10 Mitarbeiter).
Der wichtige und wirksam durch öffentliche Förderungen unterstützte Innovationsbereich beträgt laut CIS 2012 dennoch nur 15,6 % aller Unternehmen (> mehr als 10 Mitarbeiter).
Die Gesamtinvestitionen der gewerblichen Wirtschaft für Innovation, einschließlich der F&E-Aufwendungen, betrugen EUR 20,66 Mrd [2] für das Geschäftsjahr 2015. Das sind 6,1 % des BIP. Diese Innovationsinvestitionen verteilen sich auf:
- Organisation: 17,9 %
- Forschung & Entwicklung: 26,8 %
- Arbeitgeber-finanzierte Weiterbildung: 5,8 %
- Reputation und Marketing: 30,3 %
- Design: 7,1 %
- Software: 12,2 %
Der Bereich Software [3] ist direkt der Digitalisierung zuzuordnen und beträgt 12,2 % der Innovationsaufwendungen. Für F&E wurde knapp über ein Viertel der Innova-tionsaufwendungen ausgegeben. 61 % der Innovationsaufwendungen betreffen daher weder Digitalisierung noch Forschung & Entwicklung.
Die Direktförderung für Forschung & Entwicklung deckt einen besonders risikoreichen Bereich der Produkt- und Verfahrensinnovation und in geringerem Ausmaß der Dienstleistungsinnovation ab. Damit wird durch zusätzlich ausgelöste private Investitionen in F&E auch eine hohe Hebelwirkung erzielt [4].
Aus der thematischen Aufschlüsselung der Auszahlungen von F&E-Förderungen der FFG im Jahr 2016 ergibt sich folgendes Bild:
In der gewerblichen Wirtschaft wurden 2015 Mittel in der Höhe von 6,1 % gemessen am BIP für Innovations-Investitionen aufgewendet.
61 % der Innovations-Investitionen der
Unternehmen
liegen jenseits von Forschung & Entwicklung oder der Digitalisierung.
Demnach entfallen 20 % der Forschungsförderungen der FFG direkt in den Kernbereich der Digitalisierung (IKT), während 80 % der Auszahlungen entweder nur indirekt oder keinen Fokus im Bereich Digitalisierung hatten.
Der überwiegende Anteil der FFG-Förderanträge folgt bottom-up den von Unternehmen durch Innovation erschließbaren Marktchancen, wird von diesen thematisch bestimmt und trägt so zur Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bei.
80 % der Förderzusagen der FFG betreffen Innovationen außerhalb des Kernbereichs digitaler Technologien (IKT).
Innovationspolitik braucht Breite, um alle Potentiale auszuschöpfen
Neben der bestehenden Unterstützung von Forschung & Entwicklung und dem aktuellen Fokus auf die Digitalisierung muss die Innovationspolitik auch andere Innovationstypen, Innovationsprozesse und die Dienstleistungsinnovation berücksichtigen, wenn sie das gesamte Innovationspotential der Wirtschaft ausschöpfen will.
Die Digitalisierung ist heute und für die Zukunft ein wichtiger Treiber von Innovation mit hohem Skalierungspotential. Dabei gilt aber: Innovation kann digital sein, muss es aber nicht. Beispiele dafür finden sich in vielen hochinnovativen Branchen, zum Bespiel in der Kreativwirtschaft [5], im Maschinenbau, in Life Sciences, in Kunststoffbranchen usw., die sich digitale Techniken für ihre Innovation zu Nutze machen.
Der Unternehmenssektor braucht neben Förderungen [6] geeignete Rahmenbedingungen, um noch innovativer sein zu können. Die öffentliche Hand sollte diese Rahmenbedingungen schaffen und gleichzeitig selbst mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es um neue Formen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, eine innovationsfördernde öffentliche Beschaffung (IÖB) oder die Verwaltungsinnovation geht.
Fazit
Eine Beschränkung der Innovationsförderung auf Forschung & Entwicklung einerseits und die Digitalisierung andererseits wird den reichhaltigen Innovations- und Wachstumspotentialen nicht gerecht. Eine zukunftsorientierte FTI-Politik darf andere Treiber von Innovation, Wachstum und Wohlstand nicht vernachlässigen.
Referenzen
[1] Neben Produktinnovationen auch Prozessinnovation (beides technologische Innovationen) wie auch die Organisations- und Marketinginnovationen - letztere sind nicht-technologischen Innovationen.
[2] WKO-Analyse „Immaterielle Investitionen in Österreich
[3] Beinhaltet Softwareentwicklungen oder Zukauf von spezifischer Software
(nicht handelsübliche Betriebssysteme und Office-Anwendungen).
[4] Siehe KMU Forschung Austria 2016, Wirkungsmonitoring der FFG Förderung 2016
[5] Siehe: https://www.kreativwirtschaft.at/kreativwirtschaftseffekt/
[6] Im Bereich von Experimenteller Entwicklung – siehe OECD Frascati Manuals –
müssen die bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden.