Newsletter Abteilung Rechtspolitik | Februar 2022

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Lesedauer: 17 Minuten

Aktualisiert am 11.03.2023

Inhaltsübersicht

Öffentliches Recht und Wettbewerb

Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

Gewerberecht

Verkehrsrecht

Publikationen 



Öffentliches Recht und Wettbewerb


Aus Alt mach Neu – das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen

Im Rahmen der Umsetzung der europäischen UTP-Richtlinie (Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Verhandlungspartnern in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette; RL 2019/633) wurde das alte Nahversorgungsgesetz um einen neuen Abschnitt erweitert, welcher nun für mehr Fairness in den Verhandlungen zwischen Landwirten und Verarbeitern einerseits und dem Lebensmittelhandel andererseits sorgen soll. Daher wurde aus dem Nahversorgungsgesetz nun das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (FWBG – BGBl 392/1977 idF BGBl I 239/2021).

Dieser neue Rechtsbereich, welcher mit 01.01.2022 in Kraft getreten ist, soll die schwächeren Lieferanten im Rahmen der Lebensmittelwertschöpfungskette vor den marktmächtigen Käufern schützen und ihnen taugliche Mittel an die Hand geben, um sich gegen bestimmte als unlauter definierte Handelspraktiken zur Wehr zu setzen. Diese unlauteren Handelspraktiken werden in zwei Anhängen (schwarze und graue Liste) angeführt und halten sich im Wesentlich an die europarechtlichen Vorgaben mit der Ausnahme zweier genuin österreichischer Tatbestände. So hat der österreichische Gesetzgeber ein neues Diskriminierungsverbot (Z 10 Anhang I) eingeführt – welches aber in Hinblick auf das geltende Kartellrecht wohl keine Neuerungen bringt – sowie eine Bestimmung, wonach einem Lieferanten von verderblichen Urprodukten ohne sachliche Rechtfertigung die Selbstvermarktung der eigenen Produkte nicht verboten werden darf (Z 11 Anhang I) – der Anwendungsbereich dafür dürfte eher beschränkt sein. 

Als „Zwischenwesen“ zwischen Kartellrecht und dem Recht gegen unlauteren Wettbewerb, bedient sich der Schutzsuchende im Wesentlichen des bekannten Kartellrechtsvollzugsregimes mit Bundeswettbewerbsbehörde („Ermittlungsbehörde“) und Kartellgericht („Durchsetzungsbehörde“).

Als echte Neuerung wird im Wirkungskreis des Landwirtschaftsministeriums eine „Erstanlaufstelle“ geschaffen, welche benachteiligte Beschwerdeführen dabei unterstützen soll, den „Angstfaktor“ gegenüber einem mächtigen Handelspartner zu überwinden, um für lautere Handelsbedingen zu kämpfen. Obgleich die neue Einrichtung gegenüber dem Landwirtschaftsministerium unabhängig gestellt ist, lassen die jüngsten Aussagen der Landwirtschaftsministerin gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel keinen Zweifel offen, dass die neue Rechtsmaterie zum Versuch einer „Domestizierung“ des Lebensmitteleinzelhandels herangezogen wird. Ob dadurch allerdings ein probates Mittel geschaffen wurde, um die Einkommensverhältnisse der Landwirte aufzubessern – ein erklärtes Ziel der landwirtschaftlichen Interessenvertreter – darf bezweifelt werden.

Dr. Theodor Taurer


Neues „TKG 2021“ in Kraft getreten

Das Telekommunikationsgesetz 2021 (TKG 2021), mit dem in erster Linie die Vorgaben der Richtlinie über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (RL 2018/1972) umgesetzt und noch einige darüber hinausgehende Anpassungen vorgenommen werden, ist, mit Ausnahme einiger weniger Bestimmungen, für die eine längere Umsetzungsfrist gilt, mit 1.11.2021 in Kraft getreten. 

Aufgrund des Umfangs der Änderungen sowie im Sinne der Übersichtlichkeit des Regelwerks wurde der Weg der Neukodifikation gewählt. 

In inhaltlicher Hinsicht lassen sich dabei vor allem die folgenden Punkte als wesentlich identifizieren: 

Leitungsrechte: Es kommt zu Verbesserungen bei den Bedingungen für den operativen Ausbau durch die Einführung eines neuen Standortrechtes für Antennentragemasten auf öffentlichen Liegenschaften/öffentlichem Gut;

Frequenzen: Für Frequenzen im Mobilfunkbereich wird eine Mindestvergabedauer festgelegt;

Wettbewerbsrechtliche Vereinfachung von Kooperationen: Zwischen Betreibern und für Ko-Investitionen im Bereich des Netzausbaues (zB Vereinfachung der gemeinsamen Nutzung von Sendemasten, um die Anzahl zu reduzieren und damit gleichzeitig den Infrastrukturausbau in entlegeneren Gebieten attraktiver zu machen) werden Kooperationen wettbewerbsrechtlich vereinfacht;

Einführung eines Monitoringsystems zur Identifizierung etwaiger Hochrisikozulieferer beim Aufbau von 5G Netzen: Dieses Monitoringsystem zielt unter anderem auf die Verhinderung allfälliger Spionage durch Herstellerländer ab und ist Teil der Umsetzung von EU-Vorgaben. Ein neuer Beirat in der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) soll alle zwei Jahre einen "Wahrnehmungsbericht" über etwaige Hochrisikozulieferer erstellen;

Einrichtung eines öffentlichen Warnsystems für Krisen: Es wird ein europaweit standardisiertes Bevölkerungswarnsystem eingeführt, mit dem dann die im März 2020 beschlossene Verpflichtung des Mobilfunkbetreibers, im Katastrophenfall Warn-SMS an die Bevölkerung zuzustellen, ersetzt wird;

Aufwertung der Notrufnummer 112: In Zukunft gibt es auch die Möglichkeit für einen textbasierten Notruf;

Regelung für den Anbieterwechsel: Bei einem Wechsel des Internetanbieters ist eine gesetzlich festgesetzte Vorgangsweise einzuhalten, durch die sichergestellt wird, dass Verbraucher während des Wechsels ausreichend informiert sind und die Kontinuität des Internetzugangsdienstes gewährleistet wird. 

Der Abruf der EU-Richtlinie 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl 2018 L 321/36) ist hier möglich, der Abruf des Normtexts des TKG 2021 (BGBl I 2021/190) ist hier möglich. 

Dr. Winfried Pöcherstorfer, LL.M.


Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht


Urheberrechts-Novelle 2021 (Urh-Nov 2021)

Die bisher größte Urh-Nov seit dem Inkrafttreten des UrhG 1936 bringt unter anderem Regelungen zu folgenden Themen: 

  • Urhebervertragsrechtliche Regelungen zugunsten Urheber und ausübender Künstler
  • zusätzliche „freie Werknutzungen“, zB zugunsten Gedächtnisorganisationen und Bildungseinrichtungen, aber auch für vergriffene Werke (sog „nicht verfügbare Werke“)
  • ein zusätzliches Leistungsschutzrecht für Presseverleger
  • urheberrechtliche Haftungsregelungen für Plattformen sowie
  • die Einführung der erweiterten kollektiven Rechtewahrnehmung. 

Manche der neuen Regelungen sind sehr wesentlich für einzelne Branchen; für die Mehrzahl der Mitglieder werden voraussichtlich die urhebervertragsrechtlichen Regelungen bedeutsam werden (zB zur Angemessenheit des Entgelts).

Durch diese Urh-Nov werden zwei Richtlinien umgesetzt, die beide mit 7.6.2021 umzusetzen gewesen wären. Die Europäische Kommission hat bereits Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Urh-Nov 2021 wurde am 31.12.2021 im BGBl I Nr. 244/2021 veröffentlicht. 

Dr. Christian Handig


ProdukthaftungsRL 85/374/EWG

Die Richtlinie 85/374/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte wurde im Zug des Projekts zur Verwirklichung des Binnenmarkts geschaffen und in Österreich bereits 1988 - also lange vor dessen Beitritt zum EWR (bzw zur EG) – „umgesetzt“. Nun soll die Richtlinie reformiert werden. 

Die Richtlinie gilt – unabhängig von der verwendeten Technologie – für alle beweglichen Produkte und somit auch für KI-gestützte Produkte. Eine Bewertung im Auftrag der Europäischen Kommission ergab, dass das bisherige Konzept schwierig auf Produkte in der Digital- und Kreislaufwirtschaft anzuwenden sei. Zurzeit läuft deshalb eine Konsultation der Europäischen Kommission. Ein wesentlicher Teil der Konsultation ist auch der künstlichen Intelligenz (KI) gewidmet. Deren Entwicklung und Einführung soll gefördert und Vertrauen bei potenziellen Nutzern aufgebaut werden. 

Im Rahmen der Konsultation stellt die Europäische Kommission die Elemente der Regelung ganz grundsätzlich und umfassend zur Diskussion. 

Das betrifft 

  • die Ausdehnung der ersatzfähigen Schäden, wobei auch andere als Personen- und Sachschäden erfasst werden sollen wie zB die Zerstörung von Daten, psychische Schäden, die Verletzung der Privatsphäre oder Umweltschäden;
  • den Anknüpfungspunkt der Haftung, wobei nicht nur körperliche Sachen (inkl wiederaufbereitete und aufgearbeitete Produkte) erfasst werden sollen, sondern auch digitale Inhalte, Software, Algorithmen, Daten und digitale Dienste;
  • den Kreis der Haftenden, der auch Betreiber von Online-Marktplätzen erfassen soll;
  • die Verschiebung der Beweislast zugunsten des Geschädigten;
  • die Senkung des Selbstbehalts in der Höhe von derzeit € 500,- und
  • die Ausdehnung der Verjährungsfrist von derzeit 10 Jahren. 

Diese Änderungen werden von der WKÖ abgelehnt. Es ist aber zu erwarten, dass diese Vorschläge sehr kontroversiell diskutiert werden.  

Dr. Christian Handig


Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetze (MoRUG I+II) – Begutachtungsverfahren

Quasi als Weihnachtsgeschenk hat uns am Heiligen Abend der Ministerialentwurf für ein Bundesgesetz, mit dem das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) und das

Konsumentenschutzgesetz (KSchG) geändert werden aus dem Bundesministerium für Justiz erreicht (Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MoRUG I) 169/ME (XXVII. GP) - Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MoRUG | Parlament Österreich. Direkt nach den Weihnachtsfeiertagen folgte dann gleich auch der Ministerialentwurf des BMDW für das 2. Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MoRUG II) 170/ME (XXVII. GP) - Zweites Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MoRUG II | Parlament Österreich. Die beiden Gesetzesentwürfe dienen der Umsetzung der sog. Modernisierungs-Richtlinie ((EU) 2019/2161, vormaliger Kurztitel „Omnibus“-Richtlinie, weil damit vier Verbraucherschutzrichtlinien geändert wurden). 

Der „BMDW-Teil“ der Umsetzung der Richtlinie beinhaltet Änderungen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 (UWG) und des Bundesgesetzes über die Auszeichnung von Preisen (PrAG). Schwerpunktmäßig betreffen die neuen Bestimmungen ua spezifische Informationspflichten für Online-Marktplätze, Erfassung von Datenhingebungsverträgen im FAGG (Verträge über digitale Leistungen, bei denen der Verbraucher mit personenbezogenen Daten „zahlt“), den lauterkeitsrechtlichen Schadenersatz und die Durchsetzungsmaßnahmen bei Verstößen.  

Hier finden sie unsere Stellungnahmen zu den beiden Gesetzesentwürfen: Stellungnahme MoRUG I; Stellungnahm MoRUG II 

Mag. Huberta Maitz-Strassnig / Dr. Christian Handig


„Nachhaltiger Konsum von Waren – Förderung des Rechts auf Reparatur und Wiederverwendung“ - Konsultation der Kommission

Die Europäische Kommission hat eine öffentliche Konsultation betreffend künftige Maßnahmen im Verbraucherschutzrecht gestartet, die darauf abzielen im Interesse der Nachhaltigkeit die Nutzungsdauer von Produkten zu verlängern. Angedacht werden im Rahmen dieser Initiative die Schaffung eines neuen Instruments bzw Rechtsaktes aber allenfalls auch eine Änderung der eben erst durch das „GRUG“ (Gewährleistungsrichtlinien-UmsetzungsG) umgesetzten Warenkauf-Richtlinie (RL (EU) 2019/771 über bestimmte Aspekte des Warenkaufs). Abgesehen von der Beibehaltung des Status Quo hat die Kommission verschiedene Optionen angedacht. Diese reichen ua von freiwilligen Selbstverpflichtungen über eine mögliche Verlängerung der Gewährleistungsfrist hin zur Ermöglichung von Reparaturen außerhalb der Gewährleistung. Unter anderem wird zB auch die verstärkte Verankerung des Vorrangs der Reparatur vor dem Austausch einer Sache als eine Option zur Diskussion gestellt.  

Die Konsultation läuft bis 5. April 2022: Nachhaltiger Konsum von Gütern – Förderung von Reparatur und Wiederverwendung 

Mag. Huberta Maitz-Strassnig


Wohnrechts-Novelle: Private E-Ladestationen und vieles mehr 

Im Fokus der WEG-Novelle 2022 steht die Erleichterung der Installation von Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge („Right to Plug“). Darüber hinaus werden weitere Vorhaben (Solaranlagen, barrierefreie Ausgestaltungen etc) begünstigt sowie die Willensbildung iRd. Eigentümergemeinschaften umgestaltet.  

Im Sommer 2021 wurde der Ministerialentwurf begutachtet. Stellungnahmen konnten bis zum 13.8.2021 abgegeben werden (Stellungnahme der WKÖ). Nach (geringfügiger) Überarbeitung wurde am 17.11.2021 im Ministerrat die Regierungsvorlage verabschiedet. Schließlich wurde die WEG-Novelle am 16.12.2021 mit einem Abänderungsantrag zur Nutzwertneufestsetzung von selbständigen Geschäftsräumen im Nationalrat angenommen. Die WEG-Novelle trat größtenteils mit 1.1.2022 in Kraft. Abweichungen sind für Regelungen vorgesehen, die einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigen (wie bspw Willensbildung und über die Rücklagendotierung). Diese sollen erst mit 1.7.2022 in Kraft treten.

Erfreulich ist, dass wichtige Anliegen, die in der WKÖ-Stellungnahme gefordert wurden, Berücksichtigung fanden.

Vom Ministerialentwurf zur beschlossenen WEG-Novelle ergeben sich im Wesentlichen folgende Änderungen: 

  • Die von der Privilegierung gem § 16 WEG erfasste Ladeleistung für E-Landestationen wurde (von bloß einphasigem Laden mit maximal 3,7 kW) angehoben und erfasst nun auch dreiphasiges Laden mit 5,5 kW.
  • Es erfolgte eine Änderung des Wortlauts von „behindertengerecht“ zu „barrierefrei“. Ebenso kann die barrierefreie Ausgestaltung privilegiert (§ 16 Abs. 2 Z 2 WEG) erfolgen.
  • Es sind nicht mehr nur Photovoltaikanlagen privilegiert, sondern es wird der weitere Begriff der Solaranlage verwendet.
  • Im Zusammenhang mit der Zustimmungsfiktion sollen Widersprüche an den die Änderung anstrebenden Wohnungseigentümer auf Papier oder in dauerhaft speicherbarer elektronischer Form übermittelt werden.
  • Es werden zwei weitere Ausnahmen von der Einhebung der Mindestrücklage normiert, und zwar für eine kurz zurückliegende Neuerrichtung sowie, wenn im Fall einer Reihen- oder Einzelhausanlage die Wohnungseigentümer die Erhaltungspflicht vertraglich übernommen haben. Hinsichtlich der Valorisierung (0,90 Euro pro Quadratmeter der Nutzfläche) ist nun eine eigene (nicht mehr an das MRG gekoppelte) Bestimmung enthalten.
  • Nutzwertneufestsetzung für selbständige Geschäftsräume: Die Frist zur Antragstellung wurde verlängert und ist nun bis zum Ablauf des Jahres 2024 möglich. Die Herabsetzung von zu hohen Werten – dh höher als das Dreifache der Nutzfläche, des Regelnutzwerts oder des Durchschnitts des Jahresmietwerts – kann maximal auf diesen Schwellenwert erfolgen. Darüber hinaus darf der neue Nutzwert oder Jahresmietwert von Wohnungen nicht um mehr als 20 % vom früheren abweichen.  

Dr. Agnes Balthasar-Wach


Gewerberecht


Bilanzbuchhalter vertreten im EU-OSS beim Binnenmarkthandel und bei Binnenmarktdienstleistungen – gesetzliche Klarstellung

Durch eine notwendige Präzisierung im Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 konnte die gesetzliche Klarstellung erreicht werden, dass die Berechtigung der Bilanzbuchhalter jedenfalls auch die Befugnis umfasst, ihre Klienten über das elektronische EU-OSS (EU-One-Stop-Shop) zu vertreten. 

Über das EU-OSS können Unternehmen die Umsatzsteuer für ihre innergemeinschaftliche Versandhandelsumsätze und Dienstleistungen innerhalb der EU zentral erklären und bezahlen.

Diese dringend erforderliche Ausweitung der Vertretungsbefugnis für Bilanzbuchhalter ist mit 6.1.2022 in Kraft getreten. Damit ist die entsprechende Freischaltung auf dem OSS Portal möglich. 

Mag. Erhard Pollauf 


Pfusch kann teuer werden

In einem Urteil des OGH (vom 23.2.2021, 4 Ob 17/21k) wurde die Frage aufgeworfen, wer für Schäden haftet, die durch eine unsachgemäße Reparatur in Eigenregie, anstatt durch einen ordentlich beauftragten Handwerksbetrieb, haftet. Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt vereinbarte die Mieterin einer Wohnung mit ihrer Hausverwaltung, dass die Reparatur einer kaputten Wasserarmatur von ihrem Vater besorgt werden könne, anstatt dafür einen Installationsbetrieb zu beauftragen. Die Mieterin besorgte sich auf Kosten der Hausverwaltung im Baumarkt eine neue Armatur, die von ihrem Vater angeschlossen wurde. Da es sich jedoch um eine für den Wasseranschluss ungeeignete Hochdruckarmatur handelte, kam es zu einem Wasseraustritt und in der Folge zu erheblichen Schäden (rund 70.000 €) in ihrer Wohnung bzw darunterliegenden Wohnungen.

Die Versicherung verweigerte die Zahlung der durch die Schäden entstandenen Kosten, da die Reparaturen von dem Vater der Mieterin, der ihrer Ansicht nach nicht über die erforderliche Fachkompetenz verfüge, durchgeführt worden war. Der OGH stellte in seinem Urteil fest, dass „derjenige, der sich ohne erforderliche Fachkenntnisse an eine in der Regel von einem Fachmann durchzuführende Arbeit heranmacht“, „schuldhaft und deliktisch“ haftet und somit selbst für die Schäden aufkommen müsse. Auch die Hausverwaltung treffe ein „gleichteiliges Mitverschulden“, weil sie sich nicht vergewissert hat, ob der Vater der Mieterin über die notwendige Sachkunde verfügte und nicht darauf bestanden hat, einen Fachmann beizuziehen. 

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass „Gefälligkeitsreparaturen“ teuer kommen können und dies ein Grund mehr ist, Reparaturen durch qualifizierte Handwerksbetriebe vornehmen zu lassen. 
Urteil als PDF

MMag. Dr. Carmen Simon-Klimbacher


Verkehrsrecht 


Sondierung zur Überarbeitung der Luftverkehrsdienste-Verordnung

In der Luftverkehrsdienste-Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 werden gemeinsame Vorschriften für Flugdienste in der EU festgelegt, nämlich die Anforderungen an Betriebsgenehmigungen, die Dienstleistungsfreiheit und deren Einschränkung in Ausnahmefällen, sowie die Art und Weise, wie Preise den Verbrauchern angezeigt werden müssen. Diese Verordnung soll nun auch als Reaktion auf die COVID-19-Krise überarbeitet werden. Dabei soll der Flugdienste-Sektor so gestaltet werden, dass seine Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit erhöht und gleichzeitig Konnektivität, Wettbewerb, der Schutz von Verbraucherinteressen und der Erhalt hochwertiger Arbeitsplätze gewahrt werden.

Vor der Überarbeitung der Verordnung ist für das erste Quartal 2022 eine öffentliche, üblicherweise zwölf Wochen dauernde Konsultation vorgesehen. Nun wurde im Vorfeld dieser Konsultation eine sogenannte Sondierung zur Folgeabschätzung durchgeführt, welche seit Neuestem die bisher übliche Möglichkeit zur Rückmeldung zu den sogenannten Fahrplänen ersetzt. Im Rahmen unserer ausführlichen Rückmeldung äußerten wir uns unter anderem zu den Auswirkungen der Pandemie folgendermaßen: 

  • Die COVID-19-Pandemie hat zu großen Einbußen bei Passagieren und Umsatz in der Luftverkehrswirtschaft geführt. Flughäfen und Fluglinien stehen vor der doppelten Herausforderung, einerseits den Wiederaufschwung aus der Krise zu meistern und andererseits gleichzeitig Investitionen in die Dekarbonisierung der Branche zu tätigen - dies insbesondere vor dem Hintergrund der „Fit for 55“-Pläne, welche vorsehen neue Steuern und Abgaben im Flugverkehr einzuführen, die die Branche weiter finanziell schwer zu belasten drohen.
  • Einerseits sollten die geplanten Belastungen abgesagt bzw abgemildert werden, um den finanziellen Spielraum für Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen, andererseits wird es auch Unterstützungen in Form von Förderungen aus nationalen und EU-Mitteln benötigen, um die Nachhaltigkeitsziele des Green Deal der EU zu erreichen - dies insbesondere beim Aufbau von Produktionskapazitäten von nachhaltigen Flugzeugtreibstoffen (Sustainable Aviation Fuel, SAF). Sobald SAF marktfähig ist, werden die Aufbauförderungen für diesen nicht mehr nötig sein.
  • Jede Steigerung der direkten Luftverkehrsanbindung um 10 % führt zu einer Steigerung des Pro-Kopf-BIP um 0,5 %; in der Flugdienste-Verordnung. Es sollte daher ein Fokus auf die Förderung von Konnektivität gelegt werden.
  • Die finanziellen Einbußen durch die Pandemie haben die Fluglinien teilweise so in Bedrängnis gebracht, dass sie für Mitbewerber aus Drittstatten als lohnendes Ziel für feindliche Übernahmen angesehen werden. Daher ist es wichtig, dass die Europäische Kommission bei Änderungen der Ownership-and-Control-Regeln (O&C) mit besonderer Vor- und Umsicht vorgeht. Im Fokus sollte der Vorteil für den Binnenmarkt stehen, der durch Fluglinien mit Hauptsitz in der EU entsteht. Außerdem muss durch die O&C-Regeln ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden.  

Mag. Viktoria Oeser


Neue Rahmenbedingungen für die Stadtmobilität

Am 14.12.2021 veröffentlichte die Europäische Kommission im Rahmen ihres „effizienten und grünen Mobilitätspakets“ eine Mitteilung zu neuen Rahmenbedingungen für die Stadtmobilität. Im Vorfeld wurde im Sommer bereits ein Fahrplan veröffentlicht, zu dem wir rückmeldeten, sowie eine öffentliche Konsultation veranstaltet, an der wir uns ebenfalls beteiligten.  

Mobilität in den Städten wird aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der hohen ökonomischen Aktivität zunehmend zur Herausforderung; so leben über 70 % der EU-Bürger in Städten, die 23 % aller verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen generieren. Vor diesem Hintergrund schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Mobilität zu verbessern und Emissionen zu reduzieren, und geht auf einige der Herausforderungen für die Mobilität wie Emissionen, Lärm und Staus ein, die sich aus der intensiven Wirtschaftstätigkeit in den Städten ergeben. Der vorgelegte politische Rahmen enthält europäische Leitlinien dafür, wie die Städte die Emissionen verringern und die Mobilität verbessern können, ua durch Pläne für eine nachhaltige städtische Mobilität. 

Im Personentransport soll der Schwerpunkt auf öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fußgänger- und Radverkehr liegen. Priorität erhalten zudem emissionsfreie Lösungen für städtische Fahrzeugflotten, einschließlich Taxi- und Fahrvermittlungsdiensten, im Gütertransport die „letzte Meile“ städtischer Lieferungen, die Errichtung und Modernisierung multimodaler Knotenpunkte, sowie generell neue digitale Lösungen und Dienste. In der Mitteilung wird außerdem dargelegt, welche Finanzierungsmöglichkeiten für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung dieser Prioritäten bestehen. 2022 wird die Kommission außerdem eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten zur Ausarbeitung nationaler Pläne vorschlagen, mit denen die Städte bei ihren Mobilitätsplänen unterstützt werden sollen. 

Mag. Viktoria Oeser


Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments zu Tiertransporten

Letztes Jahr beschloss das Europäische Parlament die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung von mutmaßlichen Verstößen bei der Anwendung von EU-Rechtsvorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport und damit verbundenen Vorgängen innerhalb und außerhalb der EU (ANIT-Ausschuss). Dieser Ausschuss sollte vornehmlich darauf achten, wie die EU-Rechtsvorschriften von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden und ob die Kommission diese ordnungsgemäß durchsetzt.

Während seines Mandats untersuchten die 30 Mitglieder des Ausschusses mutmaßliche Verstöße mit unterschiedlichen Methoden: So wurden ua Anhörungen mit Sachverständigen veranstaltet, Zeugen eingeladen, Dokumente angefordert und Informationsreisen unternommen. Nun hat der Ausschuss seine Arbeit mit einem Abschlussbericht beendet, der nächstes Jahr noch im Plenum in Straßburg angenommen werden muss. Mit diesem Bericht und dem aus ihm resultierenden Entwurf für eine Empfehlung appellieren die Abgeordneten an die Kommission und die Mitgliedstaaten, ihre Bemühungen um den Tierschutz beim Transport zu verstärken und die entsprechenden EU-Vorschriften zu aktualisieren (derzeit sind die beiden Dokumente noch nicht in der finalen Version erhältlich).

Die Abgeordneten fordern Überwachungskameras in den Transportfahrzeugen, um zu gewährleisten, dass die Betreiber die Vorschriften einhalten. Die nationalen Behörden sollten Tiertransporte nur dann genehmigen, wenn die vorhergesagte Temperatur zwischen 5ºC und 30ºC liegt. Neue Vorschriften sollten Temperatur-, Feuchtigkeits- und Ammoniakmessgeräte in Fahrzeugen einführen. Die Abgeordneten fordern die Kommission außerdem auf, Transportzeitbeschränkungen für alle Tierarten und Altersgruppen festzulegen und den Transport von sehr jungen Tieren unter 35 Tagen zu verbieten. Der Transport von nicht entwöhnten Tieren, die älter als 35 Tage sind, sollte vermieden werden und nur in Fällen erlaubt sein, in denen die Transportdauer weniger als zwei Stunden beträgt.

Die Abgeordneten sprechen sich schließlich für einen Übergang zu einem effizienteren und ethischeren System aus, das den Transport von Samen oder Embryonen gegenüber dem Transport von Zuchttieren und von Schlachtkörpern und Fleisch gegenüber dem Transport von Schlachttieren bevorzugt. Sie fordern die Kommission auf, bis spätestens 2023 einen Aktionsplan zur Unterstützung dieses Übergangs vorzulegen, einschließlich eines Vorschlags für einen speziellen Fonds zur Minimierung der sozioökonomischen Auswirkungen der erforderlichen Änderungen. Außerdem werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, alle Transporte in Drittstaaten zu inspizieren; die Ausfuhr lebender Tiere sollte nur dann genehmigt werden, wenn sie den europäischen Tierschutzstandards entspricht. 

Wir sprechen uns prinzipiell gegen eine Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport aus. Die derzeit geltenden Bestimmungen sollten jedoch in allen EU-Mitgliedstaaten korrekt angewendet und ausgelegt werden, bevor es zu einer Änderung bzw Verschärfung des Tiertransportrechts kommt. Österreich gehört nämlich zu jenen Mitgliedstaaten, die am oberen Ende der Anwendung und Auslegung angesiedelt sind, was einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten bedeutet. 

Mag. Viktoria Oeser


Publikationen


  • Agnes Balthasar-Wach/Matthias Wach, WEG-Novelle 2022 als Puzzlestein zur Erreichung der Klimaziele? Zak 2022/8 
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, Besprechung von EuGH 8.7.2021, C-178/20, Pharma Expressz (Vertrieb rezeptfreier Arzneimittel in der EU) und EuGH 15.7.2021, C-190/20, DocMorris (Werbung für Arzneimittel), ecolex 9/2021, 868 ff. 
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, Besprechung von EuGH 2.9.2021, C-721/19 und C-722/19, Sisal (Verlängerung der Konzession ohne erneute Ausschreibung) und EuGH 8.7.2021, C-295/20, Sanresa (Einstufung regulatorischer Vorgaben im Vergabeverfahren), ecolex 10/2021, 966 ff.  
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, Besprechung von EuGH 2.9.2021, C-854/19, C-5/20 und C-34/20, Vodafone (Nulltarif-Optionen von Mobilfunkanbietern), ecolex 11/2021, 1055 ff. 
  • Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, Besprechung von EuGH 6.10.2021, C-613/20, Eurowings (Ausgleich für Fluggäste bei Streiks) und EuGH 14.10.2021, C-231/20, Landespolizeidirektion Steiermark (Kumulierung von Verwaltungsstrafen im Glücksspielrecht), ecolex 12/2021, 1089 ff und 1153 ff. 
  • Carmen Simon-Klimbacher, Hier spielt die Musik, in Fallbuch Öffentliches Recht (2021) 107.
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