Sparte Industrie

Konjunkturelle und strukturelle Herausforderungen

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 3 Minuten

28.10.2024

Die schwierige Wirtschaftslage, geprägt von einer markanten Konjunkturschwäche und erheblichen strukturellen Problemen, hat sich in den letzten Monaten weiter zugespitzt. Die jüngsten Konjunkturprognosen haben die Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung auf das kommende Jahr verschoben und sehen auch dann nur einen extrem verhaltenen Aufschwung.  In dieser Situation muss eine neue Bundesregierung rasch wirtschaftspolitische Reformen umsetzen.

Die Prognosen über die Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft waren auch im Frühjahr 2024 nicht berauschend, aber zumindest wurde für die Gesamtwirtschaft eine Stagnation und kein Rückgang vorhergesehen, in der Sachgütererzeugung sollte sich die rückläufige Dynamik vermindern.  Rückmeldungen aus den Unternehmen im Zuge von Konjunkturerhebungen hatten ebenfalls auf eine Bodenbildung hingewiesen.

Die mittlerweile vorliegenden Zahlen für das erste Halbjahr 2024 zeigen allerdings für Österreich eine sehr schwache Wirtschaftsentwicklung, insbesondere in der Sachgütererzeugung bzw. der Industrie ist die Abwärtsdynamik ungebrochen (Industrie Produktions- und Auftragsrueckgänge).  Österreichische und internationale Prognoseinstitute haben folglich die Konjunkturerwartungen für das laufende Jahr deutlich nach unten korrigiert: Beispielsweise erwartet das WIFO nun für 2024 ein neuerliches Schrumpfen des BIP, und zwar um 0,6 % (nach 1,0 % im Jahr zuvor).  Im Bereich der Herstellung von Waren soll der Rückgang gegenüber 2023 (- 1,8 %) deutlich beschleunigen und 4,1 % erreichen.

Verschiedene Erhebungen bei Industrieunternehmungen, wie die in Österreich vom WIFO erhobenen Daten zum Business and Consumer Survey der Europäischen Union, das IV-Konjunkturbarometer oder der EinkaufsManagerIndex der Bank Austria, haben sich in dritten und zu Beginn des vierten Quartal 2024 deutlich eingetrübt und weisen vor allem auf beschleunigte Auftragsrückgänge und (noch) pessimistischere Erwartungen der Unternehmen hin.

Anhaltende Schwäche der Industrieproduktion …

Für das Jahr 2025 wird eine leichte Erholung der gesamtwirtschaftlichen Lage erwartet, das WIFO geht von einem Anstieg des BIP um 1,0 % aus. Aus Sicht der Industrie besonders bedenklich ist aber, dass von der bei der Juni-Prognose genannten Erholung der Herstellung von Waren (+ 2,8 % im Jahr 2025) nach der Prognoserevision von September nur noch ein minimaler Zuwachs von + 0,6 % verbleibt: Nach zwei Jahren des Rückgangs folgt somit eine faktische Stagnation. Getragen wird das prognostizierte Wirtschaftswachstum vor allem von der deutlichen Steigerung der Realeinkommen (als Ergebnis der deutlich gesunkenen Inflationsrate) sowie steigenden Exporten, wobei dieser Prognosewert wohl mit deutlichen Unsicherheiten behaftet ist:  Internationale Prognoseinstitute, zuletzt die OECD (Economic Outlook, Interim Report September 2024), schätzen die globale Wirtschaftslage 2024 als gar nicht so schlecht ein, sehen aber andererseits keine Aufwärtsbewegung im kommenden Jahr – für beide Jahre wird das exakt gleiche globale Wirtschaftswachstum von real +3,2 % prognostiziert.

Sowohl die schwache Entwicklung der österreichischen Sachgüterproduktion als auch die rückläufigen Exportzahlen im laufenden Jahr sind wohl Abbild einer erheblichen Schwächung der Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industrie infolge höherer Energiepreise sowie insbesondere der im europäischen Vergleich exorbitanten Entwicklung der Lohnstückkosten in Österreich.  Über Jahrzehnte in kleinen Schritten errungene Konkurrenzvorteile wurden in kürzester Zeit umgekehrt. Angesichts der Datenlage ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, die Konkurrenzposition der Unternehmen durch eine entsprechende Entlastung der Arbeitskosten in Form einer Senkung der Lohnnebenkosten möglichst umgehend vorzunehmen. Wenn dies nicht geschieht, wird der Wachstumsimpuls durch die Exportentwicklung in den kommenden Jahren eher schwach bleiben, selbst bei relativ günstiger Entwicklung der Exportmärkte.

… und der Investitionstätigkeit

Die nächste unerfreuliche Botschaft der WIFO-Prognose findet sich bei der Entwicklung der Anlageinvestitionen: Während vor einem viertel Jahr noch Hoffnung auf ein spürbares Anspringen der Investitionstätigkeit bestand (die Juni-Prognose erwartete einen Zuwachs der Bruttoanlageinvestitionen im Jahr 2025 um 2,1 %) blieb davon in der jüngsten Prognose nicht viel mehr als eine schwarze Null (+ 0,2 %).  Dies ist schon grundsätzlich ein absolut unbefriedigender Wert, angesichts der großen Herausforderung der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft ist dieser Wert – nach zwei Jahren mit deutlichen Rückgängen - geradezu lächerlich.  Dieser Investitionsattentismus ist ein dramatisches Warnsignal, dass offenbar das Vertrauen in die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich sehr schwach geworden ist.  

Um die Investitionstätigkeit zu stärken, muss das Interesse der Politik an einer Hebung der Qualität des Standortes für die Unternehmen erkennbar sein. Im Vordergrund steht – wie viele Befragungen zeigen – für die Verantwortungsträger in der Wirtschaft die Entlastung der Unternehmen, und zwar die bürokratische Entlastung mehr noch als die finanzielle Entlastung.  Neben der atmosphärischen Änderung und der Entlastung der Unternehmen ist vor allem eine weitere Forcierung der Forschungs- und Investitionsförderung von Bedeutung, wobei sich insbesondere der Investitionsfreibetrag (IFB) in der Vergangenheit als wirksamer Hebel zur Stärkung der Investitionstätigkeit erwiesen hat – also wäre eine Ausweitung dieses Instruments im Lichte der Wirtschaftsdaten dringend anzuraten.

Die konjunkturellen und strukturellen Probleme sind nicht unlösbar. Sie erfordern aber rasches und zukunftsorientiertes politisches Handeln. Gerade zu Beginn einer neuen Legislaturperiode sollte eine neu zusammengesetzte Bundesregierung die Bereitschaft zeigen, wirtschaftliche Realitäten – auch solche, die sehr herausfordernd sind – zur Kenntnis zu nehmen und darauf wirtschaftspolitisch entschlossen zu reagieren.

Autor:

Mag. Andreas Mörk
E-Mail: andreas.moerk@wko.at