Sparte Industrie

Energiemarkt: aktive Unterstützung der Betriebe erforderlich

Lesedauer: 3 Minuten

Jede Form der industriellen Tätigkeit setzt die Verfügbarkeit einer ausreichenden Energiemenge zu konkurrenzfähigen Kosten voraus. Die Politik ist gefordert sowohl die Versorgungssicherheit nach besten Kräften zu erhalten, als auch der völlig überzogenen Preisentwicklung mit allen verfügbaren Mitteln entgegenzuwirken.

Der Ölpreisschock des Jahres 1973 hat eine Zäsur in der europäischen Wirtschaftsentwicklung dargestellt: Der lang anhaltende Aufschwung der Nachkriegszeit ist jäh zu Ende gegangen, und eine dramatische wirtschaftspolitische Verknüpfung von stagnierendem Wirtschaftswachstum und hoher Inflationsentwicklung hat die Politik vor schwierige Aufgaben gestellt: Dies hat nicht nur zur neuen Wortschöpfung der „Stagflation“ geführt, sondern auch zu einer bis dahin in der Nachkriegszeit beispiellosen wirtschaftlichen Abschwächung und Arbeitslosigkeit. 

Seither ist es der Industrie gelungen, in ihrer Produktion die Effizienz des Energieeinsatzes in beachtlicher Weise zu verbessern. Die nun in Folge des Ukrainekrieges drohende Versorgungskrise und die nochmalige Verschärfung der bereits zuvor dramatischen Preissituation auf den Energiemärkten bringt aber die Industrie insgesamt – nicht nur die sogenannte „energieintensive“ Industrie – in eine dramatische Lage: Die Energierechnungen haben ein Ausmaß erreicht, das die Liquiditätsreserven vieler Unternehmen in Rekordgeschwindigkeit aufsaugt und eine täglich wachsende Zahl an Unternehmen  in die Illiquidität und damit über kurz oder lang in die Zahlungsunfähigkeit treibt. 

Die Politik muss rasch und konsequent in drei Richtungen tätig werden: 

  • Versorgungssicherheit: Die österreichische Industrie fordert seit langer Zeit eine stärkere Diversifizierung der Energieversorgung Österreichs und eine Verringerung einseitiger Abhängigkeiten. Die Politik hat diesbezügliche Anstrengungen bislang wenig unterstützt. Im Gegenteil, sie hat unter Umweltgesichtspunkten den verstärkten Einsatz von Gas - als relativ umweltfreundlichem Primärenergieträger -aktiv gefördert und dabei auf eine sinnvolle Ausweitung der Bezugsquellen verzichtet. Da sich dies nicht rasch ändern lässt, muss die Politik durch Anreize zur Befüllung der Gasspeicher und eine Diversifizierung der Importrouten aktuell bestehende Spielräume bestmöglich nutzen, um die benötigte Quantität des Energieangebots zu sichern. Rasch sollten auch mittelfristig wirkende Maßnahmen aufgesetzt werden, wie die Implementierung der Strategien für Wasserstoff und grünes Gas sowie den weiteren Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung. Solange keine Alternativen zur Verfügung stehen, kann und darf seitens der Politik keine Einschränkung des Gasbezuges aus Russland erfolgen, da dies völlig unverhältnismäßig die wirtschaftlichen Interessen Österreichs schädigt.

  • Preissituation: Der beispiellose Preisanstieg auf den Energiemärkten hat verschiedene Ursachen. Eine davon ist die gewollte Verteuerung der Energie im Zuge der Umgestaltung der europäischen Wirtschaft auf noch höhere Energieeffizienz und ökologische Nachhaltigkeit. Nachdem durch die Marktentwicklung diese politische gewünschte Verteuerung in einem extremen, die Industrie bedrohenden Ausmaß eingetroffen ist, erscheint es nur zu logisch, dass man entsprechend (umwelt-) politisch induzierte Maßnahmen zurück nimmt beziehungsweise aussetzt. Aus Sicht der Industrie muss an allen verfügbaren Stellschrauben gedreht werden, um die desaströse Preisentwicklung einzudämmen: Da zählt die Strompreiskompensation für energieintensive Betriebe, das Aussetzen von Energiesteuern und –abgaben sowie die Aussetzung der CO2-Bepreisung ohne Verzicht auf den Klimabonus. Die Politik verfügt in diesem Bereich über ein umfangreiches Instrumentarium, das sie einsetzen kann.

  • Kurzarbeit: Kurzarbeit hat sich in der Coronakrise so gut bewährt, dass die Industrie seit Monaten die Institutionalisierung der Kurzarbeit als rasch verfügbares Instrument der Abfederung unvorhergesehener – und letztlich unvorhersehbarer – Marktverwerfungen anstrebt. Die gegenwärtige weltpolitische und energiepolitische Situation unterstreicht die Richtigkeit der Forderung der Industrie: Unternehmen, die aufgrund einer schlagartig veränderten Situation mit dem Rücken zur Wand stehen, brauchen eine rechtssichere und verlässliche Möglichkeit, um mit solchen Verwerfungen fertig zu werden. Und dazu zählt – neben staatlichen Haftungen für Überbrückungsfinanzierungen – vor allem die Kurzarbeit. 

Die österreichische Industrie ist aufgrund der dramatischen Lage am Energiemarkt in einer extrem schwierigen Situation, die für viele Unternehmen sogar existenzbedrohend ist. Der Politik stehen hier in den drei genannten Bereichen Handlungsmöglichkeiten offen, die dringend ergriffen werden müssen, um das hohe Niveau an industrieller Wertschöpfung in Österreich nicht dauerhaft zu beeinträchtigen. Dieses hohe Maß an industrieller Wertschöpfung hat Österreich nicht nur überdurchschnittlich gut durch die letzten Wirtschaftskrisen (Dotcom-Krise, Finanzkrise, Coronakrise) gebracht, sondern ist eine essentielle Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende. Wenn die Politik jetzt nicht, nur zögerlich oder falsch agiert, ist der dadurch verursachte Schaden unermesslich.

Unterschrift
©
Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

Stand: 21.03.2022