Lieferkettenprobleme bremsen massiv die Industrieentwicklung
Aufgrund fehlender Vorprodukte ist eine wachsende Zahl an Industrieunternehmen – trotz voller Auftragsbücher – mit massiven Problemen konfrontiert.
Lesedauer: 3 Minuten
„Die Lücke zwischen Auftragseingängen und Industrieproduktion klafft immer weiter auseinander und nimmt gegenwärtig vor allem aufgrund fehlender Vorprodukte historisch nicht gekannte Dimensionen an“, stellte der designierte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr Ende September anlässlich der Präsentation der jüngsten Konjunkturprognose des „Instituts für Weltwirtschaft“ (Kiel) fest. Das Problem sind mittlerweile sowohl überhaupt fehlende Vorprodukte, als auch massiv erhöhte Transportkosten und außergewöhnlich lange Transportzeiträume.
Begonnen hat das Lieferkettenproblem mit relativ überschaubaren Störungen im Jahr 2020 und im Winter 2020/21. Diese Störungen waren zurückzuführen auf Beeinträchtigungen des Handels durch coronabedingte Maßnahmen (Werksschließungen, etc.) und deutlichen Veränderungen in der Struktur der Nachfrage (etwa nach Medizinprodukten, Ausstattung für home-offices, manche Konsumprodukte). Solche Störungen brauchen einige Zeit, bis sie gänzlich abebben – vergleichbar mit einem Stau, der rasch entsteht aber sich nur langsam auflöst. Die kräftige Erholung der globalen Nachfrage hat aber nicht nur keine Beruhigung der Situation erlaubt, sondern die Belastung der Lieferketten weiter verstärkt. In ein breiteres, öffentliches Bewusstsein kam die Situation im März 2021, als zusätzlich der Suezkanal fast eine Woche durch ein Schiff blockiert worden war.
Während die Logistiker noch damit gerechnet haben, dass sich die Lage gegen Ende des dritten Quartals wieder beruhigen wird, kam die erste größere Hafenschließung in China aufgrund eines Coronafalls (Shenzhen), im August dann die zweite (Ningbo). Die offenbar rasche Bereitschaft der chinesischen Regierung, auch bei einer nur sehr begrenzten Zahl an Coronafällen zu radikalen Maßnahmen zu greifen, hat die Sorge vor weiteren Hafenschließungen erhöht. Nicht zuletzt deshalb ist die Höhe der (vorsorglichen) Bestellungen stark angestiegen, was die Lieferketten weiter belastet.
Mittlerweile sehen acht von zehn heimischen Industrieunternehmen Lieferkettenprobleme als die größte Herausforderung im heurigen und nächsten Jahr. Gerade technologie-intensive Industrien — wie die Elektro- und Elektronikindustrie, die Metalltechnische Industrie oder die Fahrzeugindustrie — sind zum einen aufgrund eines großen Anteils risikobehafteter Produkte in High-Tech-Produktkategorien anfälliger für Ausfälle entlang einer Lieferkette. Zum anderen fallen diese Industrien durch hohe Importanteile aus China und dem Rest der Welt auf.
Stockungen im Transport führen dazu, dass die Fracht länger unterwegs ist. Damit dauert es auch länger, bis Container wieder zur Verfügung stehen. Das „Institut für Weltwirtschaft“ schätzt, dass gegenwärtig (per Ende September) allein vor den Häfen von Ningbo (China) und Los Angeles (USA) jeweils rund drei Prozent der weltweiten Transportkapazitäten im Warteberich vor Anker liegen. Die Folgen sind geradezu explodierende Fracht- und Containerpreise. Die gestiegenen Kosten können von den (Industrie-) Unternehmen allenfalls teilweise weitergegeben werden, sodass sich die – auf den ersten Blick so günstige – Industriekonjunktur vielfach nicht auf die Ertragslage der Unternehmen niederschlägt.
Die Auswirkungen lassen sich in den Konjunkturdaten erkennen: Die Oesterreichische Nationalbank hat für das zweite Quartal 2021 eine Dämpfung der Wirtschaftsleistung um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte ermittelt, für das dritte Quartal um 0,2 Prozentpunkte. Nachdem keine Besserung der Lage in den nächsten Monaten zu erwarten ist, dürfte eine entsprechende Beeinträchtigung der Wirtschaftsleistung und vor allem der Industrieproduktion zu erwarten sein. Erste Anzeichen deuten sogar auf eine Verschärfung hin, da nun zunehmend auch österreichische Zulieferbetriebe betroffen sind, deren Abnehmer ihre Produktion aufgrund anderer, fehlender Vorprodukte drosseln mussten. Zudem trifft das Problem nun nach und nach auch jene Unternehmen, die durch entsprechendes Supply-Management einen Lieferausfall für bestimmte Zeit überdauern konnten, nun aber auch den globalen Lieferkettenproblemen ausgeliefert sind.
Aus Sicht der Industrie ist wichtig, bei einer Betrachtung der gegenwärtigen Lage der Industrie nicht nur auf die Rekordstände in den Auftragsbüchern zu blicken. Ob diese Aufträge auch aufrecht erhalten werden, wenn sich deren Abarbeitung aufgrund von Problemen in der Lieferkette substantiell verzögert, ist jedenfalls fraglich. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Produktion gegenwärtig auf Vorprodukten basiert, die sehr teuer zugekauft wurden – was die Ertragslage entsprechend dämpft. Des Weiteren nimmt die Industrie die gegenwärtigen Betriebsschließungen aufgrund fehlender Vormaterialen zum Anlass, in den laufenden Gesprächen über die Zukunft der Kurzarbeit für deren Weiterführung in institutionalisierter und rechtssicherer Form mit besonderem Nachdruck einzutreten; als Möglichkeit, auf unvorhersehbare Entwicklungen aller Art auf eine sozial verträgliche und das Know-how in den Unternehmen erhaltende Weise zu reagieren.
Autorin:
Mag. Sandra Lengauer
E-Mail: sandra.lengauer@wko.at