BSI-Obmann Menz: Die Arbeit kann beginnen…
Kommentar des Obmannes Mag. Sigi Menz
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In den nächsten Monaten werden die neue österreichische Bundesregierung und – nach der Bestätigung durch das Europäische Parlament – die neue EU-Kommission ihre Arbeit aufnehmen. Beide werden rasch Maßnahmen setzen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu festigen, damit Wertschöpfung und Wohlstand zu sichern und so einen wesentlichen Beitrag zur Beruhigung der politischen Diskussionen zu leisten.
Als „längste rezessive Phase seit Ende des Zweiten Weltkriegs“ bezeichnete jüngst Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), die aktuelle Konjunkturlage. Am stärksten getroffen von dieser Rezession ist die Industrie, vor allem die energieintensiven und baunahen Industriebereiche. Die WIFO-Konjunkturtests zeigen anhaltend großen Pessimismus bei den Unternehmen, die folglich nur äußerst zurückhaltend investieren.
Zwei Komponenten treffen zusammen, ein massiver Konjunktureinbruch, der insbesondere die Exportnachfrage betrifft und strukturelle Veränderungen, die zu großen Verunsicherungen in den Unternehmen führen.
Konjunkturpolitisch sinnvoll wäre – insbesondere mit Blick auf die Bauindustrie – öffentliche Aufträge stärker antizyklisch zu vergeben. Das würde die Auslastung der Unternehmen verstetigen und überdies zu Einsparungen bei der öffentlichen Hand beitragen. Leider funktioniert dies in der Realität nur selten, da es bei entsprechenden öffentlichen Projekten meist eine zu langsame Entscheidungsfindung gibt. Gerade weil eine diskretionäre Konjunkturpolitik in der Praxis oft versagt, haben sogenannte „automatische Stabilisatoren“ eine zentrale konjunkturpolitische Rolle. Der wirksamste dieser Stabilisatoren ist dabei die Arbeitslosenversicherung.
Aus gutem Grund hat man in zahlreichen Ländern das Instrument der (individuellen) Arbeitslosenversicherung mit der Möglichkeit der „Kurzarbeit“ ergänzt. Damit wird nicht nur weiterhin die individuelle Person unterstützt und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilisiert, sondern auch das wertvolle Humankapital in jenen Unternehmen gehalten, wo es – nach der Krise – wieder bestmöglich eingesetzt werden kann. Unverständlicherweise sieht das Arbeitsmarkservice (unterstützt von der Bundesregierung) in dieser „längste rezessive Phase“ keine Veranlassung, ein funktionierendes, nachvollziehbares, realistisches und international wettbewerbsfähiges Kurzarbeitsmodell umzusetzen. Das ist völlig absurd. Eine neue österreichische Bundesregierung muss hier umgehend tätig werden.
Strukturpolitisch ist der politische Handlungsbedarf umfassender und komplexer. Erfreulicher Weise hat der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi jüngst einen Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt, der sich zwar grundsätzlich an die EU-Kommission richtet, den sich aber auch die EU-Mitgliedsländer gründlich ansehen sollten: Im Kern geht es in dem Bericht darum, die europäische Klimapolitik und die europäische Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr als zwei getrennte Punkte zu behandeln - wo einmal der eine und dann wieder der andere Punkt bevorzugt wird - sondern eine widerspruchsfreie, glaubwürdige Politik zu entwickeln. Gerade dies ist wohl der entscheidende Faktor, um Industrieunternehmen den Glauben an eine Zukunft des Industriestandortes Europa wieder zu geben und damit den gegenwärtigen Investitionsattentismus zu überwinden.
In den Verhandlungen zur Bildung einer neuen österreichischen Bundesregierung sollte ebenfalls genau diese Zusammenschau erfolgen: Nicht mit der Streubüchse gut klingende - aber widersprüchliche - Ideen in eine Regierungsvereinbarung platzieren, sondern realistische Zukunftsperspektiven entwickeln. Im Bereich der Innovation gehört hier (zur Gänze in nationaler Kompetenz liegend) ein klarer bildungspolitischer Schwerpunkt über alle Qualifikationsniveaus hinzu, mit einem Schwerpunkt auf technische / naturwissenschaftliche Ausbildungen. Ebenfalls zum Innovationsbereich gehört die laufende Fortentwicklung von Förderungsprogrammen, um eine noch größere Hebelwirkung zu erzielen und auch stärker über Grenzen hinweg Forschungsinitiativen zu ermöglichen. Weitgehend in nationaler Kompetenz liegen viele verwaltungstechnische Vorgänge, bei denen noch sehr viel konsequenter auf Vereinfachungen und Bürokratieabbau zu achten wäre, gerade bei Investitionen – und nicht nur solchen, die unmittelbar klimarelevant sind. Im Klimabereich muss der nationale Schwerpunkt in einer praxisgerechten Umsetzung europäischer Vorgaben liegen, insbesondere auch mit Blick auf die Regelungen in anderen europäischen Ländern, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden.
Sehr rasch reparieren muss jede neue Regierung die exorbitante Erhöhung der Arbeitskosten in Österreich, als Folge der völlig aus dem Ruder gelaufenen Inflation: Für österreichische Unternehmen sind hier langjährig durch Effizienzsteigerung mühsam verbesserte Stückkostenpositionen mit einem Schlag verloren gegangen. Die vereinzelt genannten Ideen einer minimalen Korrektur bei den Lohnnebenkosten reichen hier sicher nicht, vielmehr bedarf es einer grundsätzlich anderen Finanzierung bestimmter Leistungen (beispielsweise des FLAF).
Die neue österreichische Bundesregierung wird eine Fülle an Aufgaben zu bewältigen haben. Gute, lösungsorientierte Arbeit nationaler Regierungen werden sicherlich einen wesentlichen Einfluss auf die Arbeit der Europäischen Kommission haben – und umgekehrt. Zu hoffen ist, dass sich Verantwortungsträgen auf beiden Ebenen bewusst sind, dass ein Erfolg ihrer Tätigkeit von fundamentaler Bedeutung für die Zukunft Europas ist.
Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie