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IVDR - aktuelle Informationen

Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR)

Lesedauer: 7 Minuten

11.03.2023

1. Die Rechtsgrundlagen für In-vitro-Diagnostika und die Neuerungen durch die IVDR

Ab 26. Mai 2022 gilt die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) in allen EU-Mitgliedstaaten. Sie ersetzt die Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika (IVDD).

Die IVDR regelt alles: von der Entwicklung über die Marktüberwachung bis zur Anwendung sowie die Voraussetzungen, die In-vitro-Diagnostika erfüllen müssen. Die Verordnung richtet sich an die Hersteller, Importeure, Anwender, benannte Stellen und die nationalen Behörden.

Die wichtigsten Änderungen der IVDR sind

  • das neue Produktklassifizierungssystem (Risikoklassen A-B-C-D),
  • eine klare Definition der Pflichten der Wirtschaftsakteure (Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure und Händler) in der Verordnung
  • die stärkere Mitwirkung der Benannten Stellen und strengere Vorgaben an diese Stellen,
    • die Verschärfung der Anforderungen in Bezug auf klinische Nachweise und Konformitätsbewertungen,
    • strengere Anforderungen an die Überwachung nach Inverkehrbringen und Vigilanz
    • die Benennung eines Verantwortlichen für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften (ERVP - Art 15 IVDR)
    • eine eindeutige Produktidentifikationsnummer (UDI – Unique Device Identification) für jedes In-vitro-Diagnostikum,
    • eine höhere Transparenz und Rückverfolgbarkeit durch die Erweiterung der Europäischen Datenbank für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (EUDAMED)

In Ergänzung dazu regelt das nationale Medizinproduktegesetz 2021 jene Bereiche, die nicht von der MDR und IVDR erfasst sind und nationaler Vorgaben bedürfen sowie jene Bereiche, bei denen bewusst die Möglichkeit der Ausgestaltung auf nationaler Ebene vorgesehen wurden.

2. Was sind In-vitro-Diagnostika?

Die Definition von In-vitro-Diagnostika findet sich in Art 2 IVDR:

In-vitro Diagnostikum bezeichnet ein Medizinprodukt, das als Reagenz, Reagenzprodukt, Kalibrator, Kontrollmaterial, Kit, Instrument, Apparat, Gerät, Software oder System — einzeln oder in Verbindung miteinander — vom Hersteller zur In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben, einschließlich Blut- und Gewebespenden, bestimmt ist und ausschließlich oder hauptsächlich dazu dient, Informationen zu einem oder mehreren der folgenden Punkte zu liefern

  • über physiologische oder pathologische Prozesse oder Zustände,
  • über kongenitale körperliche oder geistige Beeinträchtigungen
  • über die Prädisposition für einen bestimmten gesundheitlichen Zustand oder eine bestimmte Krankheit,
  • zur Feststellung der Unbedenklichkeit und Verträglichkeit bei den potenziellen Empfängern,
  • über die voraussichtliche Wirkung einer Behandlung oder die voraussichtlichen Reaktionen darauf oder
  • zur Festlegung oder Überwachung therapeutischer Maßnahmen.

Probenbehältnisse gelten auch als In-vitro-Diagnostika, wobei „Probenbehältnis“ ein luftleeres wie auch sonstiges Produkt, das von seinem Hersteller speziell dafür gefertigt wird, aus dem menschlichen Körper stammende Proben unmittelbar nach ihrer Entnahme aufzunehmen und im Hinblick auf eine In-vitro-Untersuchung aufzubewahren, bezeichnet.

Ein In-vitro Diagnostikum ist vereinfacht gesagt ein Medizinprodukt, das zur In-vitro Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben bestimmt ist.

3. Die neuen Risikoklassen gemäß IVDR

Die Risikoklassifizierung richtet sich nach seiner Zweckbestimmung und berücksichtigt nicht nur das Risiko für den Einzelnen, sondern auch das Risiko für die öffentliche Gesundheit. Die Regeln in Anhang VIII der IVDR helfen dem Hersteller bei der Klassifizierung seines In-vitro-Diagnostikums.

In-vitro-Diagnostika werden nun in 4 Klassen eingeteilt:

A  geringes individuelles Risiko und geringes Risiko für die öffentliche Gesundheit 

Produkte, die selbst keine Ergebnisse liefern können, das sind u.a.

  • Erzeugnisse für den allgemeinen Laborbedarf wie Waschlösungen oder Pufferlösungen
  • Probebehältnisse wie Urinbecher oder Spuckröhrchen
  • IVD-Instrumente wie Sequenzierer oder ELISA-Reader

B  mäßiges individuelles Risiko und/oder geringes Risiko für die öffentliche Gesundheit 

  • Produkte, bei denen die Klassifizierungsregeln für die Klasse C und D nicht zutreffen
  • Produkte zur Eigenanwendung, wenn sie nicht der Klasse C zugeordnet sind (zB: Selbsttest zur Feststellung einer Schwangerschaft oder zur Fertilitätsuntersuchung, Urintest zum Nachweis von Glukose oder Bakterien)
  • Produkte, von denen bei einem falsch-negativen Testergebnis kein lebensbedrohliches Risiko ausgeht 

C  hohes individuelles Risiko und/oder mäßiges Risiko für die öffentliche Gesundheit 

  • Produkte, die bei einem falsch-negativen Testergebnis für ein einzelnes Individuum eine lebensbedrohliche Gefährdung darstellen
  • Produkte, die erhebliche negative Auswirkungen bei falsch-positiven Ergebnis haben
  • Produkte zur Eigenanwendung 

Beispiele: PAP-Test, NIPT-Test, pränatales Screening, Blutzuckermessgeräte zur Eigenanwendung

D  hohes individuelles Risiko und hohes Risiko für die öffentliche Gesundheit 

Produkte, die bei Fehlfunktion für mehr als ein Individuum eine lebensbedrohliche Gefährdung darstellen können 

Beispiele: Tests zum Nachweis übertragbarer Erreger im Blut (z.B.: HIV, Hepatitis C, Ebola-V, Marburg-V; Blutgruppenbestimmung (ABNull-, Rhesus-, Kell-, Kidd- und Duffy-System) 

Ab Klasse B ist eine benannte Stelle erforderlich, das bedeutet, dass nun für die überwiegende Mehrheit von In-vitro-Diagnostika eine Beaufsichtigung durch eine benannte Stelle notwendig ist.

4. Die Pflichten der Händler und Importeure von IVD

Die Pflichten der verschiedenen Akteure und ihre Beziehungen sind nun eindeutig in der Verordnung festgelegt.

Unter diesem Punkt werden ausschließlich die Pflichten der Händler und Importeure von In-vitro-Diagnostika behandelt.

» Händler-Pflichten gemäß IVDR

Händler ist gem. Art 2 Z 27 IVDR jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs.

Art 14 IVDR definiert die Pflichten des Händlers:

Der Händler muss die Produkte vor Bereitstellung auf dem Markt überprüfen und bei Verdacht, dass ein Produkt nicht der Verordnung entspricht, den Hersteller und gegebenenfalls Bevollmächtigten und Importeur informieren. Bei schwerwiegender Gefahr oder Verdacht auf Fälschung ist auch die lokale Behörde zu informieren.

Im Detail prüft der Händler (gegebenenfalls im Rahmen einer repräsentativen Stichprobe) ob:

  • das Produkt eine CE Kennzeichnung trägt,
  • die Konformitätserklärung ausgestellt wurde,
  • u.a. die Gebrauchsanweisung beiliegt,
  • ggf. der Hinweis auf den Importeur angebracht wurde,
  • eine UDI vom Hersteller vergeben wurde.

Hinweis:

Einem In-vitro-Diagnostikum muss in Österreich die Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache beiliegen. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Beiliegende Informationen in englischer Sprache sind bei In-vitro-Diagnostika, die nur von professionellen Anwendern verwendet werden, möglich (§ 7 Abs 1 MPG 2021).

Auch nach Bereitstellung auf dem Markt treffen den Händler Mitwirkungspflichten bei Vigilanz und Marktüberwachung. Händler sind demnach verpflichtet, ein Register über Beschwerden, der nicht-konformen Produkte und der Rückrufe und Rücknahmen zu führen und den Hersteller und gegebenenfalls dessen Bevollmächtigten und Importeur darüber auf dem Laufenden zu halten. Händler sind weiters zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet, insbesondere zur Bereitstellung von Informationen und Unterlagen und gewährleisten den Behörden Zugang zu den Produkten.

Während sich das In-vitro-Diagnostikum in ihrer Verantwortung befindet, sorgen die Händler dafür, dass die Lagerungs- und Transportbedingungen den Vorgaben des Herstellers entsprechen.

Des Weiteren sind auch irreführende Angaben und Produktkennzeichnungen, insb. bei der Bewerbung von In-vitro-Diagnostika verboten.

Gemäß §§ 37 iVm 91 Abs 2 MPG 2021 sind Händler zu einer Registrierung in einem nationalen Register verpflichtet. Eine entsprechende Verordnung, in der die entsprechenden Modalitäten festgelegt werden, wurde jedoch noch nicht erlassen.

» Importeur-Pflichten gemäß IVDR

Gemäß Art 2 Z 26 IVDR ist jede in der EU niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt, ein Importeur.

Die Pflichten des Importeurs sind in Art 13 IVDR genau definiert:

Importeure dürfen nur Produkte importieren, die der IVDR entsprechen. Bei Verdacht, dass ein Produkt nicht der Verordnung entspricht, darf der Importeur das Produkt nicht in Verkehr bringen und muss Hersteller und dessen Bevollmächtigten informieren. Bei schwerwiegender Gefahr oder Verdacht auf Fälschung ist auch die lokale Behörde zu informieren.

Es treffen den Importeur vor Bereitstellung auf dem Markt umfangreiche Pflichten. So prüft der Importeur ob:

  • das Produkt eine CE-Kennzeichnung trägt,
  • die Konformitätserklärung ausgestellt wurde,
  • Hersteller bekannt ist und ein Bevollmächtigter benannt wurde,
  • Gebrauchsanweisungen beiliegen,
  • eine UDI vergeben wurde,
  • das Produkt in EUDAMED registriert ist.

 Der Importeur:

  • fügt seinen Handelsnamen und Kontaktdaten dem Produkt zu,
  • hält eine Konformitätserklärung bereit,
  • sorgt für entsprechenden Transport und Lagerung.

Nach Bereitstellung auf dem Markt treffen den Importeur außerdem Mitwirkungspflichten bei Vigilanz und Marktüberwachung. Importeure sind demnach verpflichtet, ein Register über Beschwerden, der nicht-konformen Produkte und der Rückrufe und Rücknahmen zu führen und den Hersteller, dessen Bevollmächtigten und die Händler darüber auf dem Laufenden zu halten. Importeure sind weiters zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet und gewährleisten den Behörden Zugang zu den Produkten.

 

5. Die Übergangsfristen von IVDD zu IVDR

Um Marktstörungen zu vermeiden und einen reibungslosen Übergang von der Richtlinie zur Verordnung zu ermöglichen, gelten mehrere Übergangsbestimmungen (Artikel 110). Während der Übergangsphase werden nach der Richtlinie zertifizierte Produkte und nach der Verordnung zertifizierte Produkte auf dem Markt nebeneinander existieren.

In unserem Medizinprodukterechtslexikon finden Sie unter "IVDR - Verordnung" eine Timeline zu den Übergangsfristen sowie weitere Informationen zu Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika.


WICHTIG: Neue Übergangsfristen für die IVDR gem. VO (EU) 2022/112


Im Oktober 2021 schlug die Europäische Kommission eine schrittweise Einführung der IVDR vor, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. 

Grundsätzlich wird die IVDR ab dem 26. Mai 2022 gelten. Allerdings ist aufgrund der fehlenden Kapazitäten bei den benannten Stellen die Versorgung mit verschiedenen wichtigen In-vitro-Diagnostika stark gefährdet. 

Mit der Änderungsverordnung VO (EU) 2022/12 werden keine Anforderungen in der IVDR geändert. Nur der Stichtag, ab wann einige dieser Anforderungen für bestimmte Produkte gelten, ändert sich.

Die Anforderungen gemäß IVDR gelten bei

  • IVD der Klasse D (zB HIV-Tests, Hepatitis-Tests) ab Mai 2025
  • IVD der Klasse C (zB Influenza-Tests) ab Mai 2026
  • IVD der Klasse B und sterile IVD der Klasse A ab Mai 2027

Der Geltungsbeginn bestimmter Anforderungen an In-Haus-Produkte (Produkte, die ausschließlich innerhalb von in der EU ansässigen Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden) verschiebt sich auf Mai 2024. Können die Gesundheitseinrichtungen jedoch nachweisen, dass kein gleichwertiges Produkt auf dem Markt erhältlich ist, enden die Übergangsfristen erst im Mai 2028.

Keine Änderungen gibt es bei

  • IVD, bei denen gemäß IVDR keine Mitwirkung einer benannten Stelle notwendig ist und
  • IVD, die „neu“ sind (keine Konformitätserklärung gemäß IVDD und keine Bescheinigung einer benannten Stelle).

Für diese In-vitro-Diagnostika gilt die IVDR – wie geplant – ab dem 26. Mai 2022.


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