Musterberechnung zur Ermittlung des Ausgleichsanspruches eines Kfz-Vertragshändlers
Juristisches Gutachten als Hilfestellung für Fahrzeughändler
Lesedauer: 4 Minuten
Eine Orientierung zur Berechnung von Provisionsansprüchen bietet das Gutachten mit Berechnungsbeispielen von Dr. Martin Brenner von der Rechtsanwaltskanzlei Brenner+Klemm.
Hinweis:
Das Gutachten spiegelt die Meinung des Autors wieder und orientiert sich an der geltenden Rechtsprechung.
Musterberechnung Ausgleichsanspruch
Nach ständiger Judikatur des Österreichischen Obersten Gerichtshofes wird der analoge Provisionsanspruch eines Kfz-Vertragshändlers in einem zweistufigen Verfahren auf Basis des Verlustes der Geschäftstätigkeit des gekündigten Händlers ermittelt.
Nach meiner Ansicht basiert die Prognoseberechnung eines Ausgleichsanspruchs jedoch nicht auf den Verlusten des Vertragshändlers infolge der Kündigung, sondern auf den Vorteilen, die der Lieferant bzw. Importeur durch den Verkauf seiner Produkte und Ersatzteile an den Händler erzielt hat.
Im folgenden Berechnungsbeispiel beziehe ich mich jedoch auf die (noch) aktuelle Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach in der ersten Stufe des zweistufigen Verfahrens zunächst der Rohausgleich zu ermitteln ist. Es handelt sich dabei um den Neuwagen (NW)-Umsatz unter Abzug der den Kunden eingeräumten Rabatte abzüglich des Einkaufspreises zuzüglich der von der Beklagten dafür eingeräumten Bonifikationen. Dies entspricht dem sogenannten Deckungsbeitrag 1.
Festzuhalten ist, dass für die Berechnung des Rohausgleichs grundsätzlich das letzte regulär verlaufende Geschäftsjahr herangezogen wird, soweit dieses repräsentativ war. Der Durchschnitt der Umsätze aus den letzten 5 Vertragsjahren ist nur für die Ermittlung des Höchstbetrages zu berechnen. Der Durchschnitt der letzten 5 Jahre bemisst sich beispielhaft mit EUR 350.000,00.
In meinem Berechnungsbeispiel beläuft sich der Deckungsbeitrag 1. des letzten regulär verlaufenen Geschäftsjahres auf EUR 300.000,00.
Von diesem Rohausgleich nimmt die Judikatur für handelsvertreteratypische Tätigkeiten einen Abschlag von 30 % vor. Vom Rohausgleich von EUR 300.000,00 sind daher 30 % (EUR 90.000,00) in Abzug zu bringen. Dies ergibt dann EUR 210.000,00.
Von dieser Provision des letzten regulär verlaufenen Geschäftsjahres ist nur der durchschnittliche Stammkundenanteil zu berücksichtigen. Ausgleichsfähig sind nur die Geschäfte (Umsätze) mit Stammkunden und potentiellen Stammkunden. Es handelt sich bei den Stammkunden um Wiederkäufer, die innerhalb von 5 Jahren erneut Neuwagen derselben Marke gekauft haben und denen der Hersteller auch in Zukunft Produkte ihrer Marke verkaufen wird.
Soweit keine Ermittlung der Stammkunden auf Basis der entsprechenden Verkaufsstatistik erfolgt, wird der Stammkundenanteil mit einer Pauschale zwischen 60 und 80 % angesetzt. Im Musterbeispiel werden 70 % Stammkundenanteil angesetzt. Dies ergibt EUR 147.000,00.
Zur Ermittlung der Einnahmeverluste des Händlers ist ein Prognosezeitraum festzusetzen, für den die entgehenden Einnahmen noch berücksichtigt werden sollen. Die Rechtsprechung geht bei einem Kfz- Händler von einem 5-jährigen Prognosezeitraum aus.
Nach der Judikatur ist innerhalb dieses Prognosezeitraums ein Abwanderungsrisiko zu berücksichtigen. Es sind dies jene Kunden, die durchschnittlich von der betroffenen Marke zu einer anderen Marke wechseln (in der Praxis wird dies durch die Gewinnung anderer Stammkunden – im letzten Jahr somit sogenannte potentielle Stammkunden, die noch nicht Wiederkäufer werden konnten – ausgeglichen). Die Judikatur berücksichtigt diese mit einer jährlichen Abwanderungsquote von 10 %.
Dies sind im ersten Jahr nach Vertragsende | EUR | 132.300,00 |
im zweiten Jahr | EUR | 119.070,00 |
im dritten Jahr | EUR | 107.163,00 |
im vierten Jahr | EUR | 96.446,70 |
im fünften Jahr | EUR | 86.802,03 |
Ausgehend von diesem Stammkundenanteil verbleiben im Musterbeispiel dem Importeur aus dem gekündigten Händlervertrag aus dem Neuwagengeschäft netto EUR 541.781,73.
Korrespondierend geht die Judikatur davon aus, dass dies auch der Provisionsentgang des gekündigten Händlers ist.
Da der Ausgleich bereits mit Ende des Vertragsverhältnisses zur Gänze entsteht und nach Bezifferung durch den Vertragshändler zur Zahlung fällig wird, ist dieser Betrag auf den Gegenwartswert abzuzinsen (OGH 9.4.2002, 4 Ob 54/02y). Der Vertragshändler erhält nämlich zu diesem Zeitpunkt auf einmal einen Betrag, der ihm bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses erst über einen Zeitraum von mehreren Jahren laufend durch den Verkauf neuer Kfz zugeflossen wäre. Der Einfachheit halber wird bei dieser Berechnung ein jährlicher Zahlungszeitraum angenommen. Der Zinssatz für die Abzinsung auf den Barwert richtet sich nach dem seit Ende des Vertragsverhältnisses vorherrschenden Zinsniveau. Dafür wurde eine durchschnittliche Sekundärmarktrendite Bund (SMR Bund) in Höhe von 0,5% herangezogen.
Es ergibt sich daher folgende Abzinsung:
Dies ist | abgezinst | |||
---|---|---|---|---|
im ersten Prognosejahr | EUR | 132.300,00 | EUR | 131.638,50 |
im zweiten Prognosejahr | EUR | 119.070,00 | EUR | 118.474,65 |
im dritten Prognosejahr | EUR | 107.163,00 | EUR | 106.627,18 |
im vierten Prognosejahr | EUR | 96.446,70 | EUR | 95.964,47 |
im fünften Prognosejahr | EUR | 86.802,03 | EUR | 86.368,02 |
EUR | 541.781,73 | EUR | 539.072,82 |
Abschließend nimmt die Judikatur einen Billigkeitsabschlag (OGH 9.4.2002, 4 Ob 54/02y; OGH 28.3.2002, 8 ObA 290/01g; OGH 28.3.2002, 8 ObA 299/01f), insbesondere für die sogenannte "Sogwirkung der Marke", vor. Es handelt sich dabei um die Berücksichtigung der Tatsache, dass auch ohne die Verkaufstätigkeit der Klägerin aufgrund des "Markensoges" Neuwagen der entsprechenden Marke im Vertriebsgebiet des Vertragshändlers verkauft worden wären.
Die Judikatur ist dabei zwar von einem Durchschnittswert von 30 % ausgegangen. Bezogen auf das im Musterbeispiel dem Importeur verbleibende Neuwagengeschäft in Höhe von EUR 539.072,82 ergibt sich ein Ausgleichsanspruch in Höhe von EUR 377.350,97 netto.
Der Provisionsanspruch des Gekündigten ist allerdings, wie eingangs angeführt, mit dem Durchschnitt seiner Provision der letzten 5 Jahre "gedeckelt". Im konkreten Fall sind dies beispielhaft EUR 350.000,00. Der Ausgleichsanspruch des Händlers ist daher mit diesem Betrag begrenzt.
Der Ausgleichsanspruch des Gekündigten ist nach der Judikatur des VwGH umsatzsteuerpflichtig. Es sind dies EUR 70.000,00.
Der Anspruch des Händlers aus der Kündigung des Neuwagenhändlervertrages beträgt in der gegenständlichen Musterberechnung somit einen Gesamtbetrag in Höhe von EUR 420.000,00.
Für Rückfragen steht der Verfasser, Dr. Martin Brenner, gerne zur Verfügung.
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Stand: 12.04.2019