Zwei Kinder sitzen an einem Tisch in einer Werkstätte und arbeiten mit einem 3D-Stift, während eine Drohne vor ihnen am Tisch liegt
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Film- und Musikwirtschaft, Fachverband

Kindeswohlkonzept für die österreichische Filmbranche (KiwoK)

Hoher Qualitäts-Standard in Bezug auf Kinderschutz und Kindeswohl bei Dreharbeiten in Österreich

Lesedauer: 36 Minuten

08.05.2024

Präambel

Die österreichische Filmbranche spricht sich mit besonderem Bewusstsein und voller Verantwortung für die Sicherheit und den Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Filmproduktionen aus. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, bestehend aus Filmschaffenden, Produzent*innen, Förderinstitutionen und Interessenvertretungen, unter der fachlichen Begleitung von Martina Wolf (Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren) und Mag. Christine Hartenthaler (Projektleitung), haben mit großem Engagement ein umfassendes Kindeswohlkonzept (KiwoK) für die heimische Filmwirtschaft entwickelt. Alle filmrelevanten Gewerke sowie Schauspielkinder und Eltern waren aktiv einbezogen.

Die hier angeführten Maßnahmen gelten verpflichtend für Filmprojekte, die durch öffentliche Gelder[1] mitfinanziert werden. Bei Herstellung sind die von den Fördererinstitutionen geforderten Unterlagen vorzulegen und mit Antragstellung verpflichtet sich die*der Fördernehmer*in zur Einhaltung des Kindeswohlkonzepts für die betreffende Produktion. Bis spätestens zur Auszahlung der Drehstartrate ist zudem ein speziell auf das betreffende Filmprojekt zugeschnittener „Kinder-Mitwirkplan“ vorzulegen.

Sollte es zu Verletzungen der Vorgaben kommen, kann die Förderinstitution entsprechend ihrer Förderrichtlinien eine Rückzahlung der Fördermittel aufgrund widmungswidriger Verwendung verlangen.

Ferner empfiehlt der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft seinen Mitgliedern dringlichst die Einhaltung des Kindeswohlkonzeptes auch für alle anderen Dreharbeiten (inklusive Werbung, Imagefilm, Videos etc.), an denen Kinder und/oder Jugendliche in Österreich oder im Auftrag einer österreichischen Produktionsfirma beteiligt sind. Ziel ist es, auch für nicht aus öffentlicher Hand geförderten Filmprojekte einen hohen Qualitäts-Standard in Bezug auf Kinderschutz und Kindeswohl in Österreich zu etablieren.

Das Kindeswohlkonzept tritt ab 01.01.2025 in Kraft. Die Förderinstitutionen werden bereits bei den zuvor stattfindenden Einreichterminen die Berücksichtigung der Kindeswohlmaßnahmen empfehlen.


[1] Ob eine verbindliche Umsetzung des Kindeswohlkonzepts gefordert wird, ist den jeweiligen Richtlinien der Förderinstitutionen zu entnehmen.


Executive Summary

Mit diesem vorliegenden Kindeswohlkonzept sollen einerseits präventive Maßnahmen zum Schutz der mitwirkenden Kinder und Jugendlichen getroffen werden, als auch Klarheit darüber geschaffen werden, wie im Verdachtsfall zu handeln ist. Dazu wurde ein Interventionsplan entwickelt. Dieser detaillierte Handlungsleitfaden ist in Anhang #6 zu finden.

In Kapitel 1, der Einleitung, sind grundlegende Informationen enthalten. Die Haltung zu Kinderrechten und Kinderschutz wird klar formuliert und ein kurzer Einblick in die Organisations- und Risikoanalyse sowie Bestandsaufnahme gewährt, die als erste Schritte in der Erarbeitung des Kindeswohlkonzepts durchgeführt wurden. Knapp 250 Personen aus allen filmrelevanten Gewerken haben sich an der Risikoanalyse beteiligt, Schauspielkinder und Eltern wurden aktiv einbezogen und wichtige Risikofaktoren für Kinder und Jugendliche beim Film sichtbar gemacht, die nun mit dem vorliegenden Konzept möglichst komprimiert werden sollen. Zudem werden die Ziele des Konzepts beschrieben und Bezug auf den rechtlichen Rahmen für Kinderschutz und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beim Film genommen.

In Kapitel 2 werden die wichtigsten Begriffe wie Kinderschutzverantwortliche*r (KSV), Kindeswohlbeauftragte*r (KWB) für das jeweilige Projekt, Kinder-Mitwirkplan und Minimalvariante sowie der Gewaltbegriff gegen Kinder im Allgemeinen erklärt.

Das Kapitel 3 umfasst die präventiven Strategien – dazu gehört die verpflichtende Erstellung des Kinder-Mitwirkplans, kinderschutzrelevante Regelungen betreffend Personalmanagement, Kommunikationsstandards sowie Feedback- und Beschwerdewesen. Besonders hervorgehoben werden soll hier auch die Sensibilisierung der erwachsenen Mitwirkenden für die Bedürfnisse von minderjährigen Darsteller*innen. Im Bereich Kommunikation werden Maßnahmen beschrieben, welche die Kommunikationswege mit Kindern und Jugendlichen, die Einholung ihrer Zustimmung sowie die ihrer Bezugspersonen zur Fotonutzung und die Nutzung von privaten Handys am Set regeln. Für den Fall, dass sich Kinder und Jugendliche nicht wohlfühlen, Ängste und Sorgen haben, sind im Beschwerdewesen Möglichkeiten und Wege beschrieben wo und wie sich diese Kinder und Jugendlichen und/oder ihre Bezugspersonen anvertrauen können.

Kapitel 4 befasst sich mit der Situation, falls trotz aller Präventionsmaßnahmen ein Verdacht auf Grenzverletzung oder Gewalt entsteht. In einer solchen Situation dient der detaillierte Interventionsplan als als klare Handlungsanleitung für die mitwirkenden Erwachsenen, um die geplante Meldekette zu aktivieren und zügig Kinderschutz wiederherzustellen.

In Kapitel 5 sind die Regelungen betreffend majoritärer und minoritärer Koproduktionen sowie Serviceproduktion beschrieben, um auch bei Beteiligungen an internationalen Projekten Kinderschutz zu gewährleisten.

Kapitel 6 umfasst den Ausblick auf weitere Kindeswohlmaßnahmen sowie weitere zukünftig begleitende Unterlagen und Materialien (wie zum Beispiel ein Informationsfilm), die nach einer ersten Evaluierung implementiert werden sollen.

Die Anhänge bilden den Schlussteil des Kindeswohlkonzepts (KiwoKs) mit den Anhängen 1-7. Darin findet man beispielsweise den Verhaltenskodex zum Kindeswohl, Empfehlungen zu zB. Aufenthaltsdauer und Betreuungsschlüssel sowie Infos zur Erstellung des Kinder-Mitwirkplans und andere nützliche (Info-)Dokumente.


1. Einleitung

Die Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen bereichert jede Filmproduktion auf einzigartige Weise. Kinderrollen sind integraler Bestandteil vieler filmischer Erzählungen. Die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen unterliegt strengen Auflagen seitens der Kinder- und Jugendhilfe sowie behördlichen Kontrollen. Das vorliegende Kindeswohlkonzept ergänzt die gesetzlichen Vorschriften für Dreharbeiten, um eine sichere und für alle bereichernde Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Das Konzept basiert auf der UN-Konvention über die Rechte des Kindes (UN-KRK) sowie deren Fakultativprotokollen, die den rechtlichen Rahmen für unser Miteinander mit den Kindern setzen. Die Erstellung eines Kindeswohlkonzepts für die Filmbranche ist ein äußerst anspruchsvoller Prozess, der die Berücksichtigung einer Vielzahl von variablen Faktoren erfordert. Dazu gehören unterschiedliche Bedingungen wie Drehorte und -zeiten, vielfältige Teams mit unterschiedlichen Erfahrungen und Arbeitsweisen, diverse Gewerke und Drehbücher sowie die ständig wechselnden Akteur*innen, die an Filmprojekten beteiligt sind. Eine zentrale Komponente dieses Prozesses ist die Branchenanalyse, die im Jahr 2023 durchgeführt wurde und die Grundlage für die Entwicklung des Kindeswohlkonzeptes bildet. Diese Analyse erfolgte partizipativ und umfasste verschiedene Schritte. Dazu gehörten die Erfassung der relevanten Gesetze und Vorschriften zum Schutz von Kindern am Arbeitsplatz in der Filmbranche, die Recherche und Analyse von bestehenden Richtlinien und Verfahren sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene sowie das Abfragen von Erfahrungen und Feedback von Mitarbeitenden, Eltern und Kindern aus der Branche. Darüber hinaus wurden mögliche Risiken identifiziert, denen Kinder bei Dreharbeiten ausgesetzt sein könnten, sowie die am Filmset notwendigen Schutzmaßnahmen.

Damit schaffen wir ein einheitliches Regelwerk für alle österreichischen Filmproduktionen, bei dem das Wohl und der Schutz der Minderjährigen stets an erster Stelle stehen. Alle beteiligten Branchen-Stakeholder unterstützen dieses Kindeswohlkonzept.

1.1 Ziele

Mit dem Kindeswohlkonzept wird danach gestrebt, alle betroffenen Mitarbeitenden aktiv in den Prozess des Kinderschutzes einzubeziehen. Ziel ist, sie für die spezifischen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen während einer Filmproduktion zu sensibilisieren und ihnen ihre Verantwortung für einen umfassenden Kinderschutz bewusst zu machen.

Das Hauptziel des Kindeswohlkonzepts ist es, das Wohl des Kindes als oberste Priorität zu setzen. Dabei ist es entscheidend, dass alle Mitarbeitenden entsprechend handeln, um jede Form von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche effektiv zu verhindern.

Wir erreichen dies durch spezifische Informationen, ein Bündel an präventiven Maßnahmen, konkrete Leitlinien und Handlungsanweisungen, die auch ein klares Vorgehen im Fall von Beschwerden im Rahmen des Kinderschutzes vorgeben.

Durch die im Kindeswohlkonzept definierten präventiven Schutzmaßnahmen sowie dem Festlegen, wie im Verdachtsfall vorzugehen ist, werden nicht nur Kinder und Jugendliche geschützt, sondern alle an dem Filmprojekt beteiligten Personen sowie die Produktionsfirmen.

1.2 Reichweite & Geltungsbereich

Die Einhaltung des Kindeswohlkonzepts gilt für alle Personen, die an einer Filmproduktion, unter Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen, beteiligt sind. Insbesondere für diejenigen, die direkten Kontakt mit den jungen Darsteller*innen haben bzw. in unmittelbarer Nähe arbeiten. Auch externe Kooperationspartner*innen, die regelmäßigen Kontakt mit den beteiligten Kindern haben, verpflichten sich, die Grundsätze des Kindeswohlkonzepts zur Kenntnis zu nehmen und einzuhalten.

Das Kindeswohlkonzept ist bei Filmprojekten, die mit öffentlichen Geldern [2] mitfinanziert werden und bei denen ein oder mehrere Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren auf Basis eines Darsteller*innenvertrags beschäftigt sind, verpflichtend einzuhalten. Für Jugendliche von 15-18 Jahren sind altersadäquat adaptierte Regelungen empfohlen, um sie in ihrer Autonomie zu respektieren, sowie gleichzeitig ihren Schutz zu gewährleisten.

In Projekten mit österreichischer Mehrheitsbeteiligung (majoritär) sind die im vorliegenden Kindeswohlkonzept definierten Maßnahmen sowohl bei Inlands- als auch bei Auslandsdreharbeiten umzusetzen. Bei Projekten bei denen die österreichische Produktion als minoritäre Koproduzentin oder im Rahmen einer Serviceproduktion agiert, sind die im Kindeswohlkonzept festgelegten Maßnahmen während Dreharbeiten in Österreich einzuhalten. [3]

1.3 Rechtlicher Rahmen

1.3.1 Für Kinderschutz im Allgemeinen

Im Allgemeinen gelten folgende nationale und regionale Gesetze für den Kinderschutz:

  • AGBG, § 137, Gewaltverbot
  • AGBG, § 138, Kindeswohl
  • Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 – B-KJHG 2013)
  • Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern vom 20.1.2011. Verfassungsgesetzlich verankert sind darin insbesondere das Recht auf eine gewaltfreie Kindheit (Art. 5), das Recht des Kindes auf angemessene Beteiligung und Berücksichtigung seiner Meinung in seinen eigenen Angelegenheiten und das für die gesamte Rechts- und Sozialordnung geltende Kindeswohlvorrangigkeitsprinzip (Art. 1)
  • StGB, Abschnitt 10, Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung - insbesondere relevant §§ 206; 207; 207a; 207b; 208; 208a; 212; 214; 215a sowie auch § 220b, Tätigkeitsverbot.
  • Strafprozessordnung (StPO): § 66 Abs. 2 und Zivilprozessordnung (ZPO) Absätze 1 und 2 des § 73b zur Prozessbegleitung

1.3.2 Für die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen beim Film

Die rechtlichen Grundlagen für die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen beim Film sind im Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz (KJBG) geregelt, insbesondere in §§6 - 8.

Als „Kinder“ gelten im KJBG Personen bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres oder bis zur späteren Vollendung ihrer Schulpflicht.
Als „Jugendliche“ gelten Personen, die das 15. Lebensjahr und die Schulpflicht vollendet haben, aber jünger als 18 Jahre sind.

Kinderarbeit ist grundsätzlich verboten (§ 2 und § 5 KJBG). Die Beschäftigung von Kindern bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen und sonstigen Aufführungen sowie bei Foto-, Film-, Fernseh- und Tonaufnahmen muss daher durch die Landeshauptfrau oder den Landeshauptmann bzw. unter bestimmten Voraussetzungen durch die Bezirksverwaltungsbehörde bewilligt werden (§6 KJBG).

Diese Auftrittsgenehmigung muss im entsprechenden Bundesland beim jeweiligen Amt der Landesregierung beantragt werden. Die gesetzlichen Vertreter*innen des Kindes müssen zustimmen und das Arbeitsinspektorat hat ein Anhörungsrecht im Ausnahmebewilligungsverfahren. Im ausgestellten Bescheid sind die einzuhaltenden Auflagen hinsichtlich der Mitwirkung der Kinder festgeschrieben.

Die Arbeitsinspektion weist darauf hin, dass Kinder im Sinne des KJBG sich nicht länger als acht Stunden am Tag am Set aufhalten sollten. Die Wochenarbeitszeit sollte mit 25 Stunden begrenzt sein. Es muss ausreichende Pausen geben, die Wochenruhezeit sollte mindestens 48 Stunden dauern und die Dreharbeiten sollten für die Kinder spätestens um 20 Uhr enden. Laut Auskunft der Arbeitsinspektion sind Ausnahmen möglich.

Gesetzliche Vorschriften nachzulesen unter:

Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz

Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Mitwirkung von Kindern an einer Produktion

Antragstellung für Auftrittsgenehmigungen (alle Bundesländer)

Zusätzlich unterliegen sämtliche Beschäftigungen sowohl von Kindern, Jugendlichen als auch Erwachsenen auch dem Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitnehmer*innenschutzgesetz - AschG)


[2] Ob eine verbindliche Umsetzung des Kindeswohlkonzepts gefordert wird, ist den jeweiligen Richtlinien der Förderinstitutionen zu entnehmen.

[3] Siehe Kapitel 5 „Koproduktion und Serviceproduktionen“

Zusätzlich unterliegen sämtliche Beschäftigungen sowohl von Kindern, Jugendlichen als auch Erwachsenen auch dem Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitnehmer*innenschutzgesetz - AschG)

2. Glossar

KiwoK: Kindeswohlkonzept für die Österreichische Filmbranche

KSV (s. auch Anhang #2): Kinderschutzverantwortliche*r in der Produktionsfirma

KWB (s. auch Anhang #2): Kindeswohlbeauftragte*r für das jeweilige Projekt

Kinder-Mitwirkplan (s. auch Anhang #7): Das Drehbuch wird im Hinblick auf die physischen und psychischen Bedürfnisse der jungen Darsteller*innen analysiert ("kindbezogene Skriptanalyse"). Auf Grundlage dieser Untersuchungen wird der "Mitwirkplan" von der*dem Kindeswohlbeauftragten erstellt, der individuell auf die jeweilige Produktion zugeschnitten ist. Dabei berücksichtigt der Kinder-Mitwirkplan auch das vorliegende Kindeswohlkonzept.

Minimalvariante (s. auch Anhang #3): In manchen Filmprojekten ist der Einsatz von Kindern oder Jugendlichen nur in geringem Maße vorgesehen. Bei solchen "Minimal-Einsätzen" ist es möglich, auf die Einsetzung einer*eines Kindeswohlbeauftragten (KWB) zu verzichten. Stattdessen ist die*der KSV für die Erstellung und Umsetzung des Kinder-Mitwirkplans verantwortlich. Die*der KSV übernimmt die Betreuung der Minderjährigen am Set selbst oder sie erfolgt durch eine von ihr*ihm autorisierte Person.

Gewalt gegen Kinder (allgemein): Wir verwenden in unserem Kindeswohlkonzept den Gewaltbegriff, der auch Art. 19 der UN-Kinderrechtskonvention und Art. 5 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern 2011 zugrunde liegt. Gewalt verletzt die Rechte des Kindes auf körperliche und psychische Integrität. Gewalt gegen Kinder tritt in unterschiedlichsten Formen und Situationen auf und steht in der Regel mit Machtungleichgewicht und Abhängigkeiten in Zusammenhang. Sie kann durch Erwachsene erfolgen, aber auch durch Kinder gegenüber anderen Kindern; sie schließt auch Gewalt von Kindern an sich selbst (zB Selbstverletzung) mit ein. Unzureichende Umsetzung des Gewaltverbots, mangelndes Monitoring und fehlender Rechtsschutz können zu struktureller bzw. institutioneller Gewalt gegen Kinder führen.(1)

Gewaltformen (2): Körperliche Gewalt, Psychische Gewalt, Sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung, Mediale Gewaltformen (3)


(1) Vgl. dazu UN-Kinderrechteausschuss https://www.ohchr.org/en/treaty-bodies/crc

[2] Gewaltdefinitionen siehe: https://www.oesterreich.gv.at/themen/gesundheit_und_notfaelle/gewalt_in_der_familie/3/Seite.290100.html

[3] Vergleiche: https://www.makeitsafe.at/ und https://www.schulpsychologie.at/gesundheitsfoerderung/gewaltpraevention-1/kinderschutz-und-schule/2-formen-von gewalt

3. Präventive Strategien

Um das Kindeswohl in einer Filmproduktion zu sichern und Kindeswohlgefährdungen zu vermeiden, werden folgende präventive Maßnahmen ergriffen:

3.1 Kinder-Mitwirkplan

Die explizite Berücksichtigung der kindgerechten Perspektive ist ein integraler Bestandteil bereits ab der Vorproduktionsphase des Drehvorhabens. Der schriftlich auszuarbeitende Kinder-Mitwirkplan muss vor der Auszahlung der Drehbeginn-Rate bei der Förderstelle eingelangt sein.

Das Drehbuch wird hierbei von der*dem Kindeswohlbeauftragten (KWB), unter Berücksichtigung des Alters der jungen Akteur*innen auf physische und psychische Bedürfnisse hin überprüft (kindbezogene Skriptanalyse). Auf Basis dieser Erkenntnisse wird der Kinder-Mitwirkplan in Rücksprache mit den beteiligten Head of Departments (HoDs) entwickelt und durch die Unterschrift der Regie bestätigt. (nähere Informationen s. Anhang #7).

3.2 Kindeswohlorientiertes Personalmanagement in der Filmbranche

3.2.1 Funktionen und Verantwortlichkeiten

Die Gesamtverantwortung für die Umsetzung des Kindeswohlkonzepts wird von den Produzent*innen getragen, die auch die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für das Kindeswohl bereitstellen. Alle Mitarbeitenden, Cast und Crew, die an der Filmproduktion beteiligt sind, werden auf ihre Verantwortung für die Einhaltung und aktive Förderung des Kinderschutzes hingewiesen. Durch Unterzeichnung des Verhaltenskodex zum Kindeswohl, der Bestandteil des Dienst- oder Werkvertrags ist, bzw. externen Kooperationspartner*innen zur Unterschrift vorgelegt wird, verpflichten sich Mitarbeitende und Vertragspartner*innen das Kindeswohlkonzept anzuerkennen und im Falle, dass Grenzverletzung oder Gewalt wahrgenommen wird, entsprechend des Interventionsplans aktiv zu werden. Die Gültigkeit dieser Verpflichtung besteht für die Dauer der Zusammenarbeit.

Aufbauend auf diesen Verantwortlichkeiten sind nachstehende Funktionen als „kindbezogenes Personal“ definiert und zum Teil verpflichtend einzusetzen, wenn in einer Produktion mit Kindern gearbeitet wird.

  • Kinderschutzverantwortliche*r – KSV | Pflicht
    Innerhalb der Produktionsfirma.
  • Kindeswohlbeauftragte*r – KWB | Pflicht, außer bei Minimalvariante
    Verantwortlich für Sicherheit und Wohlergehen der Minderjährigen während der Produktionszeit
  • Kinderschauspielcoach*in | bei Bedarf
    Begleitet und unterstützt Kinder und Jugendliche in schauspielerischen Belangen.
  • In Personalunion möglich: Kinderschauspielcoach*in und Kindeswohlbeauftragte*r
    Abhängig von der Qualifikation kann eine Person beide Funktionen wahrnehmen.
  • Ergänzendes Fachpersonal | bei Bedarf
    Gewährleistet die angemessene Betreuung oder auch beispielsweise psychosoziale Unterstützung der Kinder und Jugendlichen während eines Drehvorhabens.
  • Die detaillierte Beschreibung all dieser Funktionen und Verantwortlichkeiten siehe Anhang #2.

3.2.2 Personalauswahl und Sensibilisierung

Die Auswahl von Cast und Crew erfolgt in Abstimmung mit der für den Kinderschutz verantwortlichen Person (KSV). Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf jenen Mitwirkenden, die in unmittelbarem Kontakt mit den Kindern stehen.

Der Aspekt des Kindeswohls wird insbesondere und spätestens während der vertraglichen Vorbesprechungen präzise behandelt, vor allem bei Personen, die in direktem Kontakt mit den jungen Darsteller*innen stehen, einschließlich der erwachsenen Schauspielkolleg*innen. Dieser Fokus bleibt kontinuierlich erhalten, damit das Kindeswohl während der gesamten Zusammenarbeit relevant bleibt. Neben der nötigen Qualifikation für ein Filmprojekt ist auch die Motivation zur Arbeit mit Kindern entscheidend.

Der Verhaltenskodex ist Teil der Dienstpflichten und wird durch die Unterzeichnung angenommen.

Für das „kindbezogene Personal“ muss eine "Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge" vorliegen.[1]

Um unangemessenes Verhalten aller Beteiligten zu vermeiden und die Notwendigkeit eines kindgerechten, reflektierten und wertschätzenden Umgangs mit Kindern und Jugendlichen zu betonen, wird die Produktion noch vor Drehbeginn für eine Sensibilisierung aller Mitwirkenden hinsichtlich der Bedürfnisse der Minderjährigen sorgen.

Kinderrelevante Informationen sowie die Kontaktdaten von der*dem Kinderschutzverantwortlichen (KSV) und der*dem Kindeswohlbeauftragten (KWB) sowie die „externen Beschwerdestellen“ sind auf der Tagesdisposition anzuführen.

3.2.3 Feedbackkultur und Reflexionsmöglichkeiten

Transparenz und eine gelebte Fehlerkultur sind wichtige Parameter im Kinderschutz. So wird über die Inhalte der Verhaltenskodizes und die Sensibilisierung der erwachsenen Mitwirkenden dafür gesorgt, dass während der Produktion ein verantwortungsvoller Umgang mit herausfordernden Situationen gelebt wird. Dazu gehört, dass auf einer kollegialen Ebene kleinere Grenzverletzungen, wie grobe Ansprache des Kindes im Affekt, Ungeduld oder Druck, mitgeteilt werden können. Wiederholte Grenzverletzungen und Gewalt werden nicht toleriert. Im kollegialen Austausch soll zudem über herausfordernde Situationen reflektiert werden können.

3.2.4 Verhaltenskodex zum Kindeswohl

Der Verhaltenskodex zum Kindeswohl für die Filmarbeit ist ein Leitfaden für das Verhalten von Erwachsenen gegenüber Kindern während einer Filmproduktion. In ihm sind sowohl erwünschte als auch unerwünschte sowie verbotene Verhaltensweisen beschrieben. Er gibt Richtlinien für die Mitarbeitenden vor, um Handlungssicherheit im Umgang mit Kindern und Jugendlichen als auch im Verdachtsfall zu schaffen. Der Verhaltenskodex ist Bestandteil der Dienst- und Werkverträge und wird von Team und Cast als auch externen Kooperationspartner*innen unterzeichnet. Damit verpflichten sich diese zu dessen Einhaltung. Der Verhaltenskodex zum Kindeswohl befindet sich im Anhang #1.

3.3. Kommunikationsstandards

3.3.1 Zusammenarbeit Obsorgeberechtigten

Im Sinne maximaler Transparenz ist die enge Zusammenarbeit mit den Obsorgeberechtigten der Kinder unabdingbar. Vor Vertragsunterzeichnung müssen umfassende Informationen zu Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und Vergütung sowie Rechte und Pflichten bereitgestellt werden. Das Drehbuch (oder falls nicht vorhanden der konkrete Inhalt des Filmes) muss den Eltern spätestens vor Vertragsunterzeichnung zur Verfügung stehen.

6-Augen Prinzip

Grundsätzlich gilt im Umgang mit dem Kind das 6-Augen Prinzip beispielsweise bei Castings, Proben Fittings, disponierte Fahrten etc. Die alleinige Begleitung des Kindes ist ausschließlich der*dem Kindeswohlbeauftragten (KWB), der*dem Kinderschutzverantwortliche*n (KSV) oder einer von ihnen autorisierten Person gestattet.


(1] Polizeiliche Strafregisterauskunft

3.3.2 Berichtspflicht gegenüber den Förderinstitutionen

Die behördlich vorgeschriebenen und vom KWB unterzeichneten Dokumentationen zur Aufenthalts- Dreh- und Pausenzeiten der Kinder am Drehort sind in Kopie dem jeweiligen Tagesbericht beizulegen.

3.3.3 Datenschutz: Verwendung des Bildmaterials

Die Mitwirkenden dürfen kein Bildmaterial von Kindern und Jugendlichen anfertigen, außer es ist für ihre berufliche Tätigkeit erforderlich. Nicht für die Veröffentlichung gedachtes Material (zB. Anschlussfotos), müssen nach Fertigstellung der Produktion gelöscht werden. Fotos der mitwirkenden Kinder und Jugendlichen dürfen nicht für private Zwecke gespeichert werden.

Anwesende Obsorgeberechtigte bzw. deren Vertretung dürfen ohne ausdrückliche Genehmigung der*des Kindeswohlbeauftragten keine Fotos der mitwirkenden Kinder und Jugendlichen machen – ihr eigenes Kind ausgenommen.

Das im Zuge des Castings entstehende Bild- und Tonmaterial unterliegt strikten Datenschutzregelungen und wird ausschließlich für castingbezogene Zwecke verwendet. Eine Weitergabe erfolgt ausschließlich über sichere (1) Kommunikationswege und ist nur Personen gestattet, die im Rahmen der Produktion ausdrücklich autorisiert sind. Jegliche unbefugte Nutzung oder Weiterverbreitung ist ausdrücklich untersagt.

3.3.4 Kommunikations- und Promotionsmaterial, Abnahmeregelung

In Medienberichten und auf Bildmaterialien, die Kinder und Jugendliche betreffen, steht der Schutz ihrer Würde an erster Stelle; die Kinder müssen positiv und angemessen dargestellt werden. In diesem Zusammenhang erhalten Kinder und Jugendliche und ihre Obsorgeberechtigten klare und transparente Informationen über die beabsichtigte Verwendung der Medieninhalte. Das im Rahmen der Dreharbeiten zusätzlich angefertigte Material inklusive Standfotos und Making-Of-Material, in welchem Kinder und Jugendliche eindeutig erkennbar sind, muss vor Veröffentlichung von den Obsorgeberechtigten und/oder den Kindern abgenommen werden. Die Details dazu werden im Arbeitsvertrag geregelt.

3.3.5 Öffentliche Auftritte

Die*der Kinderschutzverantwortliche (KSV) stellt sicher, dass das Kind bzw. der Jugendliche bei Presseterminen von einer geeigneten Person (Obsorgeberechtigte oder autorisierte Vertretung) begleitet wird. Bei Bedarf, beispielsweise aufgrund des Filmthemas oder erwarteten Medieninteresses, erfolgt eine professionelle Vorbereitung der Kinder bzw. Jugendlichen und gegebenenfalls auch der Obsorgeberechtigten auf Medienauftritte, einschließlich Begleitung vor Ort.

3.3.6 Kontaktdatenaustausch & Social Media

Sämtliche Mitwirkende dürfen weder in sozialen Netzwerken noch über private Kontaktdaten der Kinder in Kontakt treten, es sei denn, die Kommunikation erfolgt im Einvernehmen mit den Obsorgeberechtigten.

(1) Bsp: Einsatz von Verschlüsselungstechnologien, um sowohl die Übertragung als auch die Speicherung vor unbefugtem Zugriff zu schützen. | End-to-End-Verschlüsselung, wodurch die Fotos ausschließlich von den beabsichtigten Empfängern entschlüsselt werden können. | Authentifizierung berechtigter Personen, beispielsweise durch die Verwendung von Benutzernamen und Passwörtern. | Zugriffssteuerung, um sicherzustellen, dass nur autorisierte Personen auf die übermittelten Fotos zugreifen dürfen.

3.4. Beschwerdewesen

Ein geplantes und strukturiertes System zur Regelung des Umganges mit Beschwerdefällen im Kinderschutzkontext wurde entwickelt mit dem Ziel, möglichst früh über etwaige Verdachtsfälle zu erfahren und Fälle von Grenzverletzung und Gewalt frühzeitig zu erkennen und Abhilfe zu leisten.

Das Beschwerdewesen ist niederschwellig gestaltet, um Kindern, Jugendlichen und allen in einer Filmproduktion involvierten Erwachsenen zu ermöglichen, irritierende Erlebnisse oder Beobachtungen mitzuteilen und darauf vertrauen zu können, dass diesen Informationen nachgegangen wird.

3.4.1 Regelmäßiges Feedback

In regelmäßigen Abständen werden Zufriedenheit und Wohlbefinden erfasst. Die Förderung eines offenen Austauschs und regelmäßigen Feedbacks könnte durch folgende Maßnahmen erfolgen:

  • Direktes Gespräch: Ermutigung der Kinder und Jugendlichen zu direktem Feedback im Gespräch mit der*dem KWB oder KSV.
  •  Niederschwellige Optionen: Erwägung eines „Wünsche-Beschwerdebriefkastens“ für Kinder/Jugendliche, mit der Möglichkeit zur anonymen Einreichung von Feedback.
  • Onlinetool: Implementierung einer anonymen digitalen „Feedback-Box“ für alle.

3.4.2 Beschwerdewege

Für den Fall, dass jemand Ängste, Sorgen oder irritierende Ereignisse während der Filmproduktion erlebt oder beobachtet hat, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, dies mitzuteilen.

Die Kinder und Jugendlichen und ihre Obsorgeberechtigten werden am Produktionsbeginn darüber informiert, wer im Beschwerdefall ihre persönlichen Ansprechpersonen/Vertrauenspersonen sind bzw. welche sonstigen Beschwerdewege zur Verfügung gestellt werden und wie mit Beschwerden umgegangen wird.

Zudem sind die internen Ansprechpersonen und externen Anlaufstellen transparent und aktuell für jede Produktion in der Dispo genannt.

  • Persönliche Beschwerdewege für Kinder und Jugendliche: Die Minderjährigen werden darüber informiert, sich jederzeit an die*den Kindeswohlbeauftragte*n (KWB) oder eine andere Vertrauensperson wenden zu können, wenn es ihnen nicht gut geht.
  • Beschwerdewege für Obsorgeberechtigte: Obsorgeberechtigte, die Bedenken bezüglich Aktivitäten, Abläufen oder dem Verhalten von Erwachsenen, Kindern oder Jugendlichen in Bezug auf ihr Kind haben, können sich direkt an die*den Kindeswohlbeauftragte*n (KWB) oder die*den Kinderschutzverantwortliche*n (KSV) wenden.
  • Beschwerdewege für das Team: Mitwirkende können sich vertraulich an die*den Kindeswohlbeauftragte*n (KWB) oder die*den Kinderschutzverantwortlichen (KSV) wenden, wenn sie Erfahrungen oder Beobachtungen machen, die eine Klärung auf kollegialer Ebene nicht möglich erscheinen lassen. Sollte es sich um einen Verdacht auf Grenzverletzung und Gewalt handeln, ergeben sich die notwendigen Handlungsschritte aus dem Interventionsplan (s. Anhang #6).
  • Externe Anlauf- und Beschwerdestellen: Im Falle, dass auf persönlichem oder schriftlichem Weg keine Lösung mit der Produktion gefunden wird oder aus einem sonstigen Grund lieber andere Wege beschritten oder weitere Informationen zu Kinderschutzfragen eingeholt werden möchten, können externe Stellen kontaktiert werden (s. Anhang #5).

4. Interventionsplan und Fallmanagement

Kern des Kindeswohlkonzeptes für die österreichische Filmbranche sind die präventiven Maßnahmen, die geplant wurden, um das Risiko durch Grenzverletzungen und Gewalt Kindern und Jugendlichen gegenüber so gering wie möglich zu halten.

Für den Fall, dass dennoch ein Verdacht auf Grenzverletzung oder Gewalt aufkommt, gilt der detaillierte Interventionsplan (s. Anhang #6) als Vorgabe für die zu setzenden Schritte.

Damit wird für alle Mitwirkenden Handlungssicherheit bei jeder Form von grenzverletzendem, übergriffigem, unprofessionellem, gewalttätigem, nicht dem Verhaltenskodex entsprechendem oder strafbarem Verhalten gewährleistet.

Durch Unterzeichnung des Verhaltenskodex zum Kindeswohl verpflichten sich alle an einer Filmproduktion beteiligten erwachsenen Personen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung gemäß dem Interventionsplan vorzugehen.

Ein Zuwiderhandeln zieht dienstrechtliche bzw. vertragsrechtliche Konsequenzen nach sich – dies gilt, wenn Meldungen verzögert oder gar nicht erfolgen und ebenso, wenn Falschmeldungen aus böswilliger Absicht und zum Schaden von Kolleginnen oder Kollegen erfolgen.

4.1. Sorgfältige Handhabung von Meldungen

Alle Meldungen werden unter Einhaltung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte streng vertraulich behandelt, das gilt sowohl für die meldenden Personen als auch für die mutmaßliche Betroffenen, Täter*innen und Zeug*innen. Der Umgang mit Informationen erfolgt mit großer Sorgfalt und Respekt gegenüber allen Beteiligten. Informationen werden ausschließlich an jene, klar definierten Personen weitergegeben, die zur Wahrung des Kindeswohls notwendig sind. Dabei erfolgt der Umgang mit personenbezogenen Daten zielgerichtet und unter Wahrung der Privatsphäre, ohne jedoch Geschehnisse zu verschleiern.

4.2. Der Aufbau des Interventionsplans

Zur besseren Orientierung und Planung der Interventionen bei Irritationen, Grenzverletzungen oder Verdacht auf Gewalt, wurden die kritisch zu betrachtenden Situationen in eine vierstufige Skala eingeteilt und die jeweiligen Handlungsabläufe daraus abgeleitet.

  • Stufe 1: Unerwünschte Situationen
  • Stufe 2: Leichte Grenzverletzung
  • Stufe 3: Schwere Grenzverletzung
  • Stufe 4: Massive Grenzverletzung/Straftat

Auf Basis dieser vier Stufen ist dem Interventionsplan (s. Anhang #6) wie folgt zu entnehmen:

  • welche Situationen in welcher Stufe geregelt sind
  • wie die notwendigen und angemessenen Interventionsschritte aussehen
  • wer in der jeweiligen Situation handelt
  • inwiefern und wie die Kommunikation mit der „beschuldigten“ Person erfolgt
  • wie der Gesprächsinhalt sein soll
  • welches Ergebnis/Ziel mit der Intervention erreicht werden soll.
  • wie die Kommunikation mit dem Kind und den Bezugspersonen gestaltet wird

Der detaillierte Interventionsplan wird allen Mitwirkenden zur Kenntnis gebracht. Auf der Tagesdispo werden zudem alle Kontaktdaten der im Interventionsplan genannten Ansprechpersonen und Anlaufstellen genannt.

Öffentlichkeitsarbeit bei Verdachtsfällen

Wird ein Verdachtsfall öffentlich, ist professionelle Medienarbeit entscheidend, um Kinder und Jugendliche vor Stigmatisierung zu schützen und ihre Identität und Würde zu wahren. Die Verantwortung für die Öffentlichkeitsarbeit liegt ausschließlich bei den Produzent*innen, wobei die Einbeziehung professioneller Presseberatung empfohlen wird. Medienvertreter*innen sind darauf hinzuweisen, dass bei der Berichterstattung die Standards der UN-Kinderrechtskonvention einzuhalten sind. Minderjährige sind altersentsprechend darüber aufzuklären, wie Informationen bzw. Bildmaterial verwendet werden und dass sie das Recht haben, die Zustimmung zu verweigern oder später zu widerrufen.

Vorgehen bei Verdachtsfällen im privaten Umfeld des Kindes

Vertraut sich ein Kind im Rahmen der Produktion einer erwachsenen Person an oder wirkt deutlich verändert bzw. besonders verängstigt und es deutet alles auf eine mögliche Gefährdung im privaten Umfeld des Kindes hin, wird die*der Kindeswohlbeauftragte (KWB) unmittelbar verständigt. Diese*r informiert die*den Kinderschutzverantwortliche*n (KSV) und je nach Gefährdung wird eine Fachberatung in zB einem Kinderschutzzentrum zur Klärung weiterer Schritte hinzugezogen oder bei Gefahr in Verzug die Polizei oder Rettung verständigt. [1]

[1] Orientierung gibt hier die Broschüre „(K)ein sicherer Ort

5. Koproduktionen und Serviceproduktionen

Die hier angeführten Maßnahmen gelten verpflichtend für Filmprojekte, die durch öffentliche Gelder mitfinanziert werden. [1]

Darüber hinaus empfiehlt der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft seinen Mitgliedern dringlichst die Einhaltung des Kindeswohlkonzeptes auch für alle anderen Dreharbeiten (zB. Werbung, Videos, etc.), an denen Kinder und/oder Jugendliche beteiligt sind. Ziel ist es, einen allgemein hohen Qualitäts-Standard in Bezug auf Kinderschutz und Kindeswohl bei Dreharbeiten in Österreich zu etablieren.

5.1. Majoritär

In Projekten mit österreichischer Mehrheitsbeteiligung sind die im vorliegenden Kindeswohlkonzept definierten Maßnahmen sowohl bei Inlands- als auch bei Auslandsdreharbeiten umzusetzen. Bei Auslandsdreharbeiten sind außerdem die dort geltenden behördlichen Vorschriften, wie beispielsweise Arbeitszeiten oder die Kinderaufsichtsvorschriften zu beachten und gegebenenfalls nachzuschärfen, um den Vorgaben dieses Kindeswohlkonzepts zu entsprechen.

5.2 Minoritär - Dreharbeiten in Österreich / Serviceproduktionen

In Fällen, in denen die österreichische Produktion als minoritäre Koproduzentin oder im Rahmen einer Serviceproduktion agiert, sind die im Kindeswohlkonzept festgelegten Maßnahmen während der Dreharbeiten in Österreich einzuhalten. Der*die majoritäre Partner*in muss über das Kindeswohlkonzept informiert werden.

5.3 Minoritär - Dreharbeiten im Ausland

Wenn die gesetzlichen Vorschriften in einem anderen Land erheblich von den österreichischen behördlichen Auflagen abweichen oder aufgrund unzureichenden Bewusstseins für Kinderschutz und fehlender Instanzen/Kontrollen, Bedenken hinsichtlich des Kindeswohls bestehen, kann die Förderinstitution auf die Einhaltung der österreichischen Bestimmungen bestehen.

[1] Ob eine verbindliche Umsetzung des Kindeswohlkonzepts gefordert wird, ist den jeweiligen Richtlinien der Förderinstitutionen zu entnehmen.

6. Ausblick

Die erste Version des Kindeswohlkonzepts für die österreichische Filmbranche (“KiwoK”) liegt nun vor.

Dieses Kindeswohlkonzept wird fortlaufend evaluiert und bei Bedarf weiterentwickelt. Eine erste Evaluierung ist nach einem Jahr und weitere Evaluierungen alle drei Jahre geplant.

Zukünftige Aktualisierungen des Konzepts umfassen die Implementierung folgender Regelungen für:

  • Komparsenkinder
  • Richtlinien für Dokumentarfilme mit Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
  • Filmarbeiten, bei denen Schauspielkinder ohne Obsorgeberechtigte im Rahmen Ihrer Mitwirkung bei einem Filmprojekt übernachten. Hierbei werden klare Regelungen für Beaufsichtigung, Kommunikation, Notfälle, Betreuungsschlüssel und Verantwortlichkeiten festgelegt.

Zur Sensibilisierung sind Informationsvideos für Mitarbeitende, Obsorgeberechtigte und Kinder geplant. Im Verbindung mit Reflexions- und Überprüfungsfragen kann das Video zukünftig als Basisschulung/Informationstool fungieren.

Für das kindbezogene Personal gelten Übergangsregelungen: Ab Inkrafttreten des Kindeswohlkonzepts am 01.01.2025 besteht eine 12-monatige Zeitspanne zur Ergänzung fehlender zertifizierter Ausbildungen.

Anhang #1 zum Kindeswohlkonzept (KiwoK) österreichischen Filmbranche

Verhaltenskodex zum Kindeswohl (*)

Filmproduktionen, an denen Kinder und/oder Jugendliche beteiligt sind, erfordern besonderes Bewusstsein und Verständnis für die Sicherheit und den Schutz junger Menschen. Die österreichische Filmbranche hat sich verpflichtet, Kinder und Jugendliche in Filmprojekten vor jeglicher Form von Gewalt und Grenzüberschreitung zu schützen. Dies wurde durch umfassende präventive Maßnahmen festgehalten, die dazu dienen, das Risiko von Gefährdung und Gewalt zu minimieren.

Wir teilen die Auffassung, dass sämtliche Erwachsene, die im Rahmen einer Filmproduktion mit minderjährigen Darsteller*innen in Kontakt kommen, für deren Schutz verantwortlich sind. Somit wird Kinderschutz zu einer selbstverständlichen und praktizierten Norm im kreativen Zusammenwirken.

Das grundlegende Leitmotiv in diesem Kontext ist die Anerkennung des physischen und psychischen Wohlergehens der Kinder und Jugendlichen, welches über den Interessen und Erfordernissen einer Filmproduktion steht.

Dieser Verhaltenskodex ist integraler Bestandteil des Kindeswohlkonzepts der österreichischen Filmbranche (KiwoK) und spiegelt die gemeinsame Verantwortung aller Erwachsenen wider, für den Schutz und das Wohlbefinden der jungen Menschen Sorge zu tragen.

Da Filmproduzent*innen im Sinne der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verpflichtet sind, die Sicherheit der Arbeitnehmer*innen zu gewährleisten, liegt es auch in ihrer Verantwortung, dass die Richtlinien des Kindeswohlkonzepts erfüllt werden. Dabei sind sie auf die Mitwirkung der Mitarbeitenden und Partnerfirmen angewiesen.

Verpflichtungserklärung

Gerne verpflichte ich mich daher, in Zusammenhang mit meiner Tätigkeit vor, während und nach einer Filmproduktion, mit meiner Unterschrift:

  • die Inhalte des mir von der Produktionsfirma übermittelten Kinder-Mitwirkplans anzuerkennen und mich an die hier formulierten Verhaltensregeln im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu halten, um meine Verantwortung als verantwortungsbewusster Erwachsener wahrzunehmen.
  • Kinder und Jugendliche respektvoll als Teammitglieder anzuerkennen, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Genderzugehörigkeit, sozialer, ethnischer und kultureller Herkunft, Weltanschauung, Religion, Aussehen, Arbeitserfahrung, Nationalität, persönlicher Fähigkeiten, Beeinträchtigung, politischer Überzeugung oder wirtschaftlicher Stellung und aktiv gegen jegliche Form von Diskriminierung vorzugehen.
  • allen Kindern gleichermaßen mit Wertschätzung und Fairness zu begegnen, um jegliche Form von Bevorzugung zu vermeiden. Unser Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, das für alle Kinder sicher, unterstützend und ermutigend ist, und dass jede Art von Zwang vermieden wird.
  • die persönlichen Grenzen und individuellen Empfindungen zu Nähe und Distanz zu respektieren, insbesondere in Bezug auf die Intimsphäre und Schamgrenze der Kinder und Jugendlichen. Dies gilt besonders für körpernahe Tätigkeiten in den Departments wie Ton, Maske, Garderobe, Stunt, Choreografie, Spiel- und Anspielpartner*innen sowie auch Regie und Kamera etc.
  • die Einschätzungen und Entscheidungen der kindeswohlbeauftragten Person (KWB) zu respektieren und diesen Folge zu leisten.
  • unangemessene, unsittliche oder missbräuchliche Ausdrücke oder sexualisierte Sprache zu unterlassen und mein Verhalten sowie meine Kommunikation im Kontakt zu anderen Erwachsenen entsprechend anzupassen, sobald Kinder und/oder Jugendliche in unmittelbarer Nähe sind (Inhalt, Wortwahl, Lautstärke etc.).

In diesem Sinne werde ich:

  • die Aufenthaltsräume für Kinder und Jugendliche als Rückzugsort achten und den Garderoben- und Maskenbereich nicht unaufgefordert betreten.
  • Körperlichen Kontakt mit Kindern/Jugendlichen im Konsens und nur im Rahmen des künstlerisch sinnvollen und notwendigen Maßes aufnehmen.
  • keine Fotos, Videos und andere Aufzeichnungen von Kindern/Jugendlichen außerhalb der beruflichen Notwendigkeit anfertigen, speichern und/oder verbreiten.
  • abgesehen von der persönlichen Kommunikation vor Ort, mit den Kindern nicht ohne vorherige Rücksprache mit den Obsorgeberechtigten in Kontakt treten.
  • in der unmittelbaren Nähe von Kindern und Jugendlichen auf das Rauchen und den Konsum von Alkohol verzichten.
  • geschilderte oder vermutete Grenzverletzungen durch andere Erwachsene oder andere Kinder/Jugendliche aktiv ansprechen und/oder melden. Zudem werde ich auf alle Bedenken, Beschwerden und Vorkommnisse unmittelbar reagieren und diese entweder der*dem Kindeswohlbeauftragten (KWB), der*dem Kinderschutzverantwortlichen (KSV) oder einer externen Stelle lt. Tagesdispo melden, wie im Kindeswohlkonzept beschrieben.
  • keinerlei physische oder psychische Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ausüben. Insbesondere keine sexuelle Gewalt oder sexualisierte Übergriffe in Worten, Gesten, Handlungen oder Taten.
  • meine Vorgesetzten/die Produzent*innen darüber informieren, wenn gegen mich ein Verfahren gemäß § 92 (Quälen oder vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen) oder § 201–220b (Sexualdelikte) StGB anhängig ist.

Sollte ich in Situationen geraten, in denen ich überfordert bin oder Unklarheiten bestehen, wende ich mich, gemäß des Interventionsplanes an die*den Kindeswohlbeauftragte*n (KWB), an die*den Kinderschutzverantwortliche*n (KSV) oder an die lt. Tagesdispo ausgewiesenen externen Stellen.

Die Nichtbefolgung dieses Verhaltenskodex wird als Verletzung meiner dienstlichen Pflichten bzw. der Bedingungen für Aufträge angesehen.

Datum, Ort, Unterschrift


(*) Teilweise übernommen und adaptiert vom Verhaltenskodex der Wiener Staatsoper und Netzwerk Kinderrechte

Anhang #2 zum Kindeswohlkonzept (KiwoK) österreichischen Filmbranche

Jobdescription „kindbezogenes Personal“

Kinderschutz gelingt dort, wo schützende Strukturen geschaffen werden, ein Bewusstsein für Kinderrechte und Kinderschutz vorhanden ist und Erwachsene, die direkt in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen sind, ihr Verhalten den Bedürfnissen der jungen Menschen anpassen.

Regelungen die Verhaltensebene betreffend, sind im Verhaltenskodex zum Kindeswohl für die österreichische Filmbranche definiert.

In diesem Anhang werden nun Funktionen und Aufgaben für jene Personen definiert, die für das Wohlergehen und den Schutz von Kindern und Jugendlichen beim österreichischen Film im Besonderen verantwortlich sind.

  • Kinderschutzverantwortliche*r – KSV | Pflicht.
  • Kindeswohlbeauftragte*r – KWB | Pflicht, außer bei Minimalvariante*.
  • Kinderschauspielcoach*in | bei Bedarf
  • In Personalunion möglich: Kinderschauspielcoach*in und Kindeswohlbeauftragte*r
  • Ergänzendes Fachpersonal bei Bedarf

 * In manchen Filmprojekten ist die Beschäftigung von Kindern nur in geringem Maße vorgesehen. Anhand von Anhang #3 kann man überprüfen, ob eine „Minimalvariante“ vorliegt. Bei einer solchen werden die Aufgaben des KWB durch den KSV übernommen.

Kinderschutzverantwortliche*r - KSV innerhalb der Produktionsfirma

Die*der Kinderschutzverantwortliche, in weiterer Folge KSV genannt, ist (Mit-) Eigentümer*in oder in unbefristeter Anstellung in der Produktionsfirma. Sie*er hat aufgrund ihrer*seiner Position ausreichend Entscheidungsbefugnis. Sie*er ist für die Einhaltung des KiwoKs verantwortlich.

Verantwortlichkeiten:

  •  Auswahl der kindeswohlbeauftragten Person (KWB).
  • Kontrolliert das Vorliegen der Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge
    – bei Bedarf hilft er*sie bei der Antragstellung.
  • Sensibilisierung des Teams.
  • Überwachung der Einhaltung des Kindeswohlkonzepts.

Aufgaben:

  • Die*der KSV nimmt den Kinder-Mitwirkplan ab und stellt sicher, dass alle im Kindeswohlkonzept vereinbarten Maßnahmen und Richtlinien konsequent eingehalten werden.
  • Die*der KSV trägt zur Sensibilisierung des gesamten Teams bei und fördert durch Informationsveranstaltungen und/oder –maßnahmen (z.B. beim Warm-Up) das Bewusstsein für den Kinderschutz.
  • Die*der KSV gewährleistet das 6-Augen-Prinzip während Castings, Proben (Schauspielproben, Fittings, etc) sowie bei disponierten Fahrten entweder persönlich oder durch eine von ihr*ihm autorisierten Person.
  • Die*der KSV ist dafür zuständig, die richtige Person für die KWB-Position auszuwählen.
  • Mitsprache bei Personalauswahl Cast und Crew. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf jenen Mitwirkenden, die in unmittelbarem Kontakt mit den Kindern stehen.
  • Kommunikation mit Obsorgeberechtigten: Die*der KSV stellt sicher, dass die Obsorgeberechtigten über die Aufgaben und Rechte der Kinder bei Filmdreharbeiten sowie über das Kindeswohlkonzept informiert sind.
  • Kinderkomparserie, Statisterie: Die*der KSV ist verantwortlich dafür, im Zusammenhang mit Arbeitszeit und Drehbedingungen das Wohl der Kinder zu gewährleisten.
  • Eigenverantwortung bei einer „Minimalvariante“: Im Falle eines "Minimal-Einsatzes" von Kindern und Jugendlichen ist die*der KSV für die Erstellung und Umsetzung des Kinder-Mitwirkplans verantwortlich. Die*der KSV übernimmt die Betreuung der Minderjährigen am Set selbst oder sie erfolgt durch eine von ihr*ihm autorisierte Person.

Qualifikation & Voraussetzungen:

  • Unbefristete Anstellung in oder (Mit-)Eigentümer*in der Produktionsfirma
  • Mit entsprechender Entscheidungsbefugnis ausgestattet
  • Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge

Kindeswohlbeauftragte*r - KWB

Die*der Kindeswohlbeauftragte, in weiterer Folge KWB genannt, wird von der Produktionsfirma für das jeweilige Projekt engagiert. Sie*er gewährleistet umfassenden Schutz und das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen während der gesamten Produktionszeit und kann auch nach Abschluss der Dreharbeiten für Tonaufnahmen oder ähnliches benötigt werden.

Die*der KWB ist berechtigt, im Interesse des Kindeswohls und gemäß dem Kinder-Mitwirkplan zum Schutz der Kinder und Jugendlichen die Umsetzungspläne der Regie und anderer Abteilungen zu hinterfragen und alternative Lösungen zu diskutieren. KWB können auch einen Drehtag für das Kind als beendet erklären, wenn die vorliegenden Umstände nicht den kinderschutzrelevanten Interessen entsprechen.

Verantwortlichkeiten:

  • Erstellen des Kinder-Mitwirkplans (s. Anhang #7)
  • Schnittstelle zwischen Kindern, Jugendlichen und allen beteiligten Erwachsenen
  • Vertrauensperson für die Kinder, Jugendlichen und Ansprechperson für die Obsorgeberechtigten.

Aufgaben:

Die*der KWB analysiert das Drehbuch hinsichtlich der physischen und psychischen Bedürfnisse der jungen Darsteller*innen. Auf Grundlage dieser „kindbezogenen Skriptanalyse“ erstellt die*der KWB den Kinder-Mitwirkplan, der individuell auf die jeweilige Produktion zugeschnitten ist (s. Anhang #7).

  • Besprechung sensibler Szenen: Die*der KWB arbeitet in Abstimmung mit Regie, HoDs den Schauspielpartner*innen sowie der Produktion zusammen, um sicherzustellen, dass die Aspekte gemäß dem Kinder-Mitwirkplan geklärt und umgesetzt werden können.
  • Die*der KWB ist die Vertrauensperson für die Kinder und Jugendlichen, Ansprechperson für die Obsorgeberechtigten und fungiert als kommunikative Schnittstelle zwischen allen Mitwirkenden und den Kindern und Jugendlichen.
  • Dokumentation und Bestätigung: Die*der KWB dokumentiert lt. Vorgabe und Richtlinien der Behörden die Aufenthalts-, Drehzeiten und Pausen, unterzeichnet diese und leitet sie an den KSV und Produktionsleitung weiter.
  • Casting: Insbesondere wenn das Casting nicht von einer*einem erfahrenen Kindercaster*in durchgeführt wird, muss die*der KWB für die letzten Runden des Castings hinzugezogen werden.
  • Es liegt in der Verantwortung der Produktion, in Absprache mit die*der KWB einen qualifizierten Ersatz zu bestimmen, wenn sie*er selbst nicht anwesend sein kann, sei es am Set, bei Castings oder Proben etc.

Qualifikation & Voraussetzungen

  • Umfassende Set-Erfahrung
  • Pädagogische Grundausbildung, mindestens 120 Lehreinheiten plus Praxis [1] oder alternativ eine mehrjährige Arbeitserfahrung mit Kindern und Jugendlichen im Film- und Theaterbereich.
  • Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge

Ab Inkrafttreten des Kindeswohlkonzepts am 01.01.2025 besteht eine 12-monatige Zeitspanne zur Ergänzung fehlender zertifizierter Ausbildungen.

Kinder-Schauspielcoach*in:

Je nach Bedarf kann in Absprache mit der*dem Kindeswohlbeauftragten (KWB), Produktion und Regie ein*e eigene*r Schauspiel-Coach*in für Kinder und Jugendliche eingesetzt werden.

Verantwortlichkeiten:

  • Vorbereitung, Begleitung und Unterstützung der Kinder und Jugendlichen in ihrer schauspielerischen Leistung.

Aufgaben:

  • Erarbeitung der Rolle: Die*der Schauspiel-Coach*in unterstützt die jungen Schauspieler*innen bei der Ausarbeitung ihrer Rollen.
  • Vorbereitung auf die Herausforderungen der Dreharbeiten: Sie*er bereitet die Kinder und Jugendlichen auf die spezifischen Anforderungen am Set vor, sofern dies nicht von der KWB übernommen wird.
  • Mögliche Hilfe beim Text-Lernen: Bei Bedarf unterstützt sie*er die Kinder bei der Textaufnahme.
  • Mögliche Ansprechperson für die Regie hinsichtlich schauspielerischer Leistung: Sie*er dient als Kontaktperson für die Regie bei Fragen zur schauspielerischen Leistung der Kinder.
  • Eventuelle Betreuung für/bei ADR: Die*der Coach*in kann auch bei der Nachvertonung von Szenen helfen, wenn dies erforderlich ist.
  • Bei Bedarf auch Unterstützung am Set. Sie*er gibt, wenn gewünscht, den jungen Schauspieler*innen am Set konstruktives Feedback und hilft bei der schauspielerischen Leistung.
  • In Personalunion möglich: Abhängig von der Qualifikation kann eine Person sowohl die Funktion der*des KWB als auch der*des Kinder-Schauspielcoach*in wahrnehmen. Dies bedeutet, dass sie*er für die schauspielerische Leistung der Kinder verantwortlich ist und gleichzeitig die Sicherheits- und Schutzaspekte abdeckt.

Qualifikation & Voraussetzungen:

  • Qualifikationen und Erfahrung im Schauspiel mit Fokus auf Kinder und Jugendliche.
  • Umfassende Set-Erfahrung
  • Pädagogische Grundausbildung, mindestens 120 Lehreinheiten plus Praxis (*) oder alternativ eine mehrjährige Arbeitserfahrung mit Kindern und Jugendlichen im Film- und Theaterbereich.
  •  Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge

Ab Inkrafttreten des Kindeswohlkonzepts am 01.01.2025 besteht eine 12-monatige Zeitspanne zur Ergänzung fehlender zertifizierter Ausbildungen.

Ergänzendes Fachpersonal

Bei Bedarf, wie von der*dem KWB eingeschätzt, kann zusätzliches pädagogisch qualifiziertes Personal (zB Kinder-Schauspielcoach*in, Kinderbetreuer*in Kinderpsycholog*in, Sonderpädagog*in, Pressebetreuung etc.) in Abstimmung mit der*dem KSV eingestellt werden. Die Entscheidung hierfür ergibt sich aufgrund der spezifischen Gegebenheiten des Drehvorhabens, wie beispielsweise Anzahl und Alter der beteiligten Kinder, emotionaler Gehalt der Szenen, räumliche Situation am Drehort und anderer relevanter Faktoren.

(*) ZB. Lehramtsstudium, Elementarpädagogik, Sozialpädagogik, Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugend, Freizeitpädagogik, Theaterpädagogik, einschlägige Fort- und Weiterbildungen.

Anhang #3 zum Kindeswohlkonzept (KiwoK) der österreichischen Filmbranche

Minimalvariante

In manchen Filmprojekten ist der Einsatz von Kindern, die auf Basis eines Darsteller*innenvertrages beschäftigt sind, nur in geringem Maße vorgesehen. Bei solchen "Minimal-Einsätzen" ist es möglich, auf die Einsetzung einer*eines Kindeswohlbeauftragten (KWB) zu verzichten. Stattdessen ist die*der KSV für die Erstellung und Umsetzung des Kinder-Mitwirkplans verantwortlich. Die*der KSV übernimmt die Betreuung der Minderjährigen am Set selbst oder sie erfolgt durch eine von ihr*ihm autorisierte Person.

Eine Minimalvariante ist nur gegeben, wenn alle nachstehenden 12 Punkte mit JA beantwortet werden können.

  1. Das Kind wird höchstens an 3 Drehtagen eingesetzt.
  2. Der Set-Aufenthalt für 0-4 Jährige dauert pro Tag nicht länger als 4 Stunden.
    Der Set-Aufenthalt für 5-9 Jährige dauert pro Tag nicht länger als 6 Stunden.
    Der Set-Aufenthalt für 10-14 Jährige dauert pro Tag nicht länger als die behördlich maximal zugelassenen 8 Stunden.
  3. Es sind maximal 3 Kinder gleichzeitig am Set.
  4. Szenen mit Minderjährigen bilden nur Alltagssituationen ab.
  5. Die Spielszenen in denen Kinder involviert sind, enthalten keine belastenden Inhalte wie beispielsweise Streit, Gewalt, Horror, Krieg, Nacktheit oder Sex.
  6. Für das Kind ist kein spezielles Kostüm erforderlich.
  7. Für das Kind ist kein spezielles Maskenbild erforderlich.
  8. Es kommen keine SFX, Stunts und/oder Tiere in den Szenen vor.
  9. Die obsorgeberechtigte Person oder eine von ihr autorisierte Vertretung ist als Betreuungsperson am Set durchgehend anwesend und übernimmt keine anderen Aufgaben.
  10. Die An- und Abreise zum/vom Set erfolgt mit der obsorgeberechtigten Person oder mit einer von ihr autorisierten Vertretung.
  11. Für jedes Kind ist eine obsorgeberechtigte Person oder eine von dieser autorisierten Vertretung als Betreuungsperson am Set.
  12. Ein Betreuungsvertrag wird mit der für die Betreuung am Set autorisierten Person abgeschlossen. 

Anhang #4 zum Kindeswohlkonzept der österreichischen Filmbranche (KiwoK)

Empfehlungen

Aufenthaltsdauer am Set

Der Set-Aufenthalt für Kinder ist behördlich geregelt. Die Kinder dürfen sich nicht länger als 8 Stunden am Drehort aufhalten. Das Kindeswohlkonzept empfiehlt die folgende altersadäquate Anpassung:

  • Der Set-Aufenthalt für 0-4 Jährige dauert pro Tag nicht länger als 4 Stunden.
  • Der Set-Aufenthalt für 5-9 Jährige dauert pro Tag nicht länger als 6 Stunden.

Aufsichtspflicht und Betreuungsschlüssel

Die Kinder dürfen am Set generell nicht unbeaufsichtigt sein. Idealerweise ist eine Betreuungsperson pro Kind vorgesehen. Die genaue Anpassung des Betreuungsschlüssels hängt von Faktoren wie dem Alter der Kinder sowie den spezifischen Drehumständen und dem Drehpensum ab. Diese Regelungen werden in Absprache zwischen der*dem Kinderschutzverantwortlichen (KSV) und der*dem Kindeswohlbeauftragten (KWB) festgelegt.

Umgang mit „Jugendlichen“

In Übereinstimmung mit Artikel 1 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes empfehlen wir, im Kontext von Filmproduktionen auch Personen zwischen 15 und 18 Jahren als „Kind“ anzusehen und die im vorliegenden Kindeswohlkonzept ausgearbeiteten Richtlinien altersadäquat anzuwenden um sie in ihrer Autonomie zu respektieren, sowie gleichzeitig ihren Schutz zu gewährleisten.

Kinder-Kompars*innen

Unabhängig von der Rollengröße empfehlen wir die Einhaltung höchster Kinderschutzstandards. Wir empfehlen die Einholung von Arbeitserlaubnissen und Bescheiden auch für Kinder-Kompars*innen.

Erste Hilfe

Die*der KWB verfügt über einen speziellen "Erste Hilfe Kurs bei Kindernotfällen".

Zeitliche Belastungen minimieren

Die zeitliche Verfügbarkeit der jungen Darsteller*innen am Filmset soll stets so gering wie möglich gehalten werden. Sowohl im Drehplan als auch der in der Tagesdispo wird den Kindern/Jugendlichen der Vorrang eingeräumt. 

Anhang #5 zum Kindeswohlkonzept der österreichischen Filmbranche (KiwoK)

Externe Anlauf- und Beschwerdestellen

Im Falle, dass auf persönlichem oder schriftlichem Weg keine Lösung mit der Produktion gefunden wird oder aus einem sonstigen Grund lieber andere Wege beschritten oder weitere Informationen zu Kinderschutzfragen eingeholt werden möchten, können externe Stellen kontaktiert werden.

  • Beratung in Kinderschutzfragen und Anzeigeberatung
    Bei Unklarheiten und Unsicherheiten bezüglich Kinderschutzfragen können immer die regionalen Kinderschutzzentren kontaktiert werden: www.kinder-schuetzen.at.
  • Vertrauensstelle Kunst und Kultur
    Die Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt für Kunst und Kultur: info@vertrauensstelle.at
    https://vera-vertrauensstelle.at/kontakt-kunst-kultur/
  • Rat auf Draht
    Kinder und Jugendliche können sich rund um die Uhr an „Rat auf Draht“ wenden. Tel: 147 oder https://www.rataufdraht.at/
  • Kinder- und Jugendanwaltschaften in Österreich (Kija)
    Die Kija stehen für die Einhaltung und Umsetzung der Kinderrechte in unserer Gesellschaft und kann von Kindern und Jugendlichen dann kontaktiert werden, wenn diese ihre Rechte nicht gewahrt sehen: https://www.kija.at/
  • #we_do - Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden
    Für Produzent*innen bis zu Praktikant*innen gibt es im Rahmen der Initiative die Möglichkeit, fachkundige und externe Beratung anonym in Anspruch zu nehmen.
    we-do@filmschaffende.at oder https://we-do.filmschaffende.at/

Anhang #6 zum Kindeswohlkonzept der österreichischen Filmbranche (KiwoK)

Interventionsplan interner Verdachtsfall

Tabelle zum Thema "Interventionsplan interner Verdachtsfall"
© FAMA

Download: Grafik als PDF

Anhang #7 zum Kindeswohlkonzept der österreichischen Filmbranche (KiwoK)

Leitfaden zur Erstellung des Kinder-Mitwirkplans

Die Berücksichtigung der kindgerechten Perspektive ist bereits ab der Vorproduktionsphase des Drehvorhabens entscheidend. Das Drehbuch wird von einer*einem Kindeswohlbeauftragten (KWB) im Hinblick auf die physischen und psychischen Bedürfnisse der jungen Darsteller*innen analysiert ("kindbezogene Skriptanalyse"). Auf Grundlage dieser Analyse wird der "Mitwirkplan" in Rücksprache mit den beteiligten Head of Departments (HoDs) entwickelt und durch die Unterschrift der Regie bestätigt.

Dieser Plan ist speziell auf das jeweilige Projekt zugeschnitten und kann die Einschätzung zum Hinzuziehen zusätzlicher Fachkräfte wie Kinder-Schauspielcoaches, sonderpädagogischer oder psychologischer Unterstützung sowie zusätzlicher Kinderbetreuung beinhalten.

Der schriftliche Kinder-Mitwirkplan muss vor der Auszahlung der Drehbeginn-Rate bei der Förderstelle eingereicht werden.

Aufgrund der vielfältigen Drehbuchlandschaft ist es nicht möglich, hier alle Eventualitäten anzuführen. Stattdessen bieten wir hier einen kurzen, aber grundlegenden Leitfaden welche Überlegungen beispielsweise der Kinder-Mitwirkplan berücksichtigen kann.

  • Enthält das Drehbuch potenziell nicht kindgerechte Szenen mit den jungen Darsteller*innen, wie Gewalt, Sexualität, Konflikte oder Tod?
  • Welche filmtechnischen Mittel sind geeignet, um die jungen Darsteller*innen nicht direkt damit zu konfrontieren?
  • Sind zusätzliche Betreuungsbedarfe erforderlich, wie beispielsweise ein*e Schauspielcoach*in, Sonderpädagog*innen oder zusätzliche Kinderbetreuung, abhängig von der Anzahl der mitwirkenden Kinder?
  • Welche Drehorte erfordern möglicherweise zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen im Sinne des Kinderschutzes, wie beispielsweise Straßenverkehr, Drehen am/im Wasser oder Drehen mit Tieren?
  • Besteht spezieller Aufklärungsbedarf in der Kommunikation mit den Eltern?
  • Welches Department kann zur Lösung möglicher Probleme beitragen oder unterstützende Lösungen bieten und sollte daher in die Kommunikation einbezogen werden?

Falls der*die Kindeswohlbeauftragte (KWB), der*die für ein entsprechendes Projekt beauftragt wurde, nicht über das erforderliche Fachwissen, Erfahrung oder die notwendigen zeitlichen Ressourcen zur Entwicklung eines Kinder-Mitwirkplans verfügt, ist es sinnvoll, diesen von einer*einem anderen Kindeswohlbeauftragten (KWB) mit der dafür notwendigen Expertise oder zeitlicher Ressource schreiben zu lassen.

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