Gleichstellung und Vielfalt am Arbeitsplatz
Orientierungshilfe für Unternehmen in der Film- und Musikwirtschaft
Lesedauer: 7 Minuten
Auch die Film- und Musikbranche ist sich ihrer Verantwortung für mehr Diversität bewusst und stellt mit dieser Orientierungshilfe einen Leitfaden zur Verfügung, der gesellschaftliche Inklusion in der Branche stärken und fördern soll.
Das Themenfeld Diversität ist eine Kernkomponente der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit. Diversität trägt zu einem positiven Arbeitsklima bei und steigert sowohl die Produktivität der Belegschaft als auch die Innovation im Unternehmen. Zudem eröffnet Vielfalt dem Unternehmen neue Perspektiven, die direkt mit dem Unternehmenserfolg zusammenhängen.[1] Wer vielfältig ist und Diversität lebt, kann auch zielgerichtet auf verschiedene Kund:innen, Stakeholder, Mitarbeiter:innen und Partner:innen eingehen und so einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil generieren.[2]
Immer mehr Menschen wachsen mehrheimisch und mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen (in Österreich) auf. Diese Tatsache wird am Arbeitsplatz häufig noch nicht in dem Ausmaß akzeptiert und geschätzt, in dem es für ein offenes Arbeitsklima notwendig wäre. Strukturelle Hindernisse und Diskriminierungsformen wie unter anderem Rassismus, Klassismus oder auch Queerfeindlichkeit tragen dazu bei, dass Gruppen homogen bleiben. Um dies zu ändern, ist es notwendig, ein informiertes und sensibilisiertes Umfeld zu schaffen, das verantwortungsvoll mit kulturellen Praxen und Inhalten umgeht. Dadurch können Unternehmen sowohl hochqualifizierte Fachkräfte gewinnen als auch langfristige Beziehungen aufbauen, die Vielfalt in ihren Teams fördern und eine repräsentative Abbildung der Gesellschaft in Österreich auch nach außen, in die Köpfe der Zivilgesellschaft, tragen.
Die gesellschaftliche Vielfalt/Diversität (neudeutsch „Diversity, Equity [3], Inclusion“ (DEI [4])) kann man nicht „pauschal“ adressieren. Sie umfasst viele Themen und individuelle Dialoggruppen/Communities, die einzeln bedacht und für die zielgerichtete Maßnahmen entwickelt werden müssen.
Einige allgemeine Strategien und Maßnahmen sind bereits entwickelt worden und können niederschwellig eingesetzt werden. Ein guter Startpunkt, um sich zu informieren, sind bestehende Netzwerke, in denen „Good Practices“ ausgetauscht werden:
Netzwerke
Das Netzwerk Diversity ist Erstanlaufstelle für Unternehmen zum Thema Vielfalt/Diversität und steht diesen beratend zur Seite. Die gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich ins Leben gerufene Initiative „Charta der Vielfalt“ zählt zu den Leitlinien dieses Netzwerks.
Die Charta der Vielfalt ist eine Initiative zur Förderung der Wertschätzung gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft – unabhängig von Geschlecht, Lebensalter, Herkunft und Hautfarbe, sexueller Orientierung, Religion und Weltanschauung sowie körperlicher oder geistiger Behinderung. Unterzeichner:innen der Charta werden in das Netzwerk eingebunden und unterstützen somit die Ressourcen, die für das Netzwerk ausgearbeitet werden. EPU sind vom Kostenbeitrag für die Unterzeichnung (derzeit € 200,--) befreit. [5]
Das Netzwerk Unternehmen für Familien dient dem niederschwelligen, offenen, unkomplizierten Austausch zum Thema Vereinbarkeit von Familie & Beruf. Mit unterschiedlichen Aktivitäten wie österreichweiten Vernetzungstreffen, Partnertagen und persönlichen Gesprächen wollen wir gemeinsam Ideen entwickeln und ein umfassendes Commitment für ein familienfreundliches Österreich stärken.
Corporate Social Responsibility (CSR)
Vielfalt/Diversität ist auch eine wichtige Dimension der CSR [6], die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Lieferketten-Regulierung eine wesentliche Rolle spielt. Zur Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien können Unternehmen - auch in Kooperationen mit externen Organisationen, wie regionale Integrationsstellen, Sportvereinen und gemeinnützige Vereine - Möglichkeiten anbieten, Mitarbeitenden auch außerhalb des Arbeitsplatzes zu engagieren und Drittstaatangehörigen oder Mitglieder marginalisierter Gruppen die Teilhabe an gemeinschaftsbildenden Aktivitäten in der österreichischen Gesellschaft anzubieten. [7]
Hierfür bestehen ebenso Netzwerke sowie Förderungen für die Beiziehung von Berater:innen für CSR-Maßnahmen.[8] Auch können Anträge für nachhaltige Transformationsprojekte in der Förderschiene KMU.DIGITAL & GREEN gestellt werden. [9]
Tools
Studien wie beispielsweise Vielfalt im Film aus Deutschland belegen, dass diverseres Personal auch vielfältigere Geschichten produzieren. Es macht also einen Unterschied und sollte für Unternehmer:innen ein Ansporn sein, die Diversität der eigenen Teams zu fördern. Dabei unterstützen können einfache Tools wie beispielsweise der Inclusion Rider.
Auch die Musikbranche eines Landes sollte danach streben, die Vielfalt ihrer Bevölkerung widerzuspiegeln und sicherzustellen, dass alle Stimmen gehört werden. Diversität ermöglicht der Musikbranche den Zugang zu einer breiteren Palette von Talenten und kreativen Ideen. Unterschiedliche Hintergründe, Erfahrungen Genres und Perspektiven bringen neue Inspiration und Innovation in die Musik. Indem Musikschaffende aus verschiedenen ethnischen, kulturellen und sozialen Hintergründen sichtbar und hörbar werden, können wir sicherstellen, dass wir das volle kreative Potenzial unserer Gesellschaft nutzen.
Nach wie vor ist die Herkunft von großer Bedeutung und überlagert leider in der Praxis häufig fachliche Kompetenzen. Der stärkste Bias [10] ist immer noch das Erscheinungsbild im Zusammenhang mit anderen Herkunftskulturen. Um Vorurteilen entgegenzuwirken, können Unternehmen auf Studien zurückgreifen, die den wirtschaftlichen Nutzen von kultureller Vielfalt in der Belegschaft belegen.[11] Die gegenseitige Wertschätzung kann durch ein begleitendes Diversity Management unterstützt werden, wodurch Arbeitsplätze für alle Menschen sicherer werden und das (psychische) Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen/ Kolleg:innen steigen kann. Dies erfordert einen Sensibilisierungsprozess und die anhaltende Entscheidung des Teams, sich diesem Lernprozess zu öffnen. Eine dafür zuständige Person als Ansprechpartner:in zu haben, erleichtert diesen Prozess im Arbeitsalltag und garantiert eine professionelle Auseinandersetzung mit den Themen. Zusätzlich wird die Verantwortung, über Themen aufzuklären, die im Alltag manchmal fälschlicherweise bei Vertreter:innen bestimmter Gruppen gesucht wird, von einer/einem Expert:in übernommen.
Der klassische Code of Conduct verankert oftmals die Unternehmensethik und Verhaltensstandards und wird vor allem von der HR gepflegt. Er behandelt eine Vielzahl von Themen wie Interkulturalität, Vielfalt und Wertschätzung (Diversity), Chancengleichheit (Gender Equality), Fairness, Empowerment, Herkunft, Hautfarbe, Alter, Geschlechterunterschiede - insbesondere in Bezug auf Entlohnung (Gender Pay Gap), Behinderung und Invalidität, Umgang mit sexueller Belästigung und sexuelle Orientierung. Er muss in den meisten Unternehmen nicht explizit unterschrieben werden, wird aber beim On-boarding vorgestellt, ist allen Mitarbeiter:innen zugänglich und unterstreicht die grundlegenden Werte und Verhaltensweisen, die von allen Mitarbeiter:innen erwartet werden.
In zahlreichen KMU-Betrieben sind diese Themen bereits im Dienstvertrag verankert, der oft auch den Code of Conduct beinhaltet, wo es um Themen wie Verhaltensregeln, Diversität & Inklusion, Belästigung, Übergriffe, sexuelle Orientierung, Unternehmenswerte und Mission Statement geht. Ein nächster Schritt ist es, Themen rund um Inklusion bedarfsorientiert und vertiefend zu verankern.
Der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft hat einen entsprechenden Code of Ethics für seine Mitglieder ausformuliert sowie gemeinsam mit Branchenstakeholdern Leitfäden für eine gute Zusammenarbeit unabhängig von Rang, Beschäftigungsstatus oder (Dienst-) Alter aller betroffenen Personen entwickelt, der sich entschieden gegen jede Diskriminierung wendet. Diese Unterlagen unterstützen die Unternehmen dabei, die gesetzlichen Anforderungen zu kennen und einzuhalten sowie Strategien und Abläufe zu entwickeln, damit problematische Situationen verhindert oder zumindest rechtzeitig erkannt und thematisiert werden.
Leitfäden, Checklisten und Ressourcen
Nationale und europäische Leitfäden, Checklisten und Ressourcen zur Gleichstellung und Vielfalt am Arbeitsplatz finden Sie online:
AT
- Diversity Management – Ein Leitfaden für die Praxis
- Vielfalt und Chancengleichheit im Betrieb - Ein Leitfaden für den Umgang mit Vielfalt und die Herstellung von Chancengleichheit in österreichischen Unternehmen
- Diversity Think Tank Austria
- MuFA - Musik Für Alle
- FAIRNESS CODEX - mica - music austria
- Inclusion Rider – FilmFatal
- D—Arts (d-arts.at)
- Kunstpraxis in der Migrationsgesellschaft. Transkulturelle Handlungsstrategien der Brunnenpassage Wien
EU
- Assessing Diversity - Impact in Business
- Implementation Checklist for Support for voluntary initiatives promoting diversity management at the workplace across the EU Diversity Management
- Equity, Diversity and Inclusion Resources - IMPALA (impalamusic.org)
- Keychange
- Achieving gender equality and promoting diversity in the European Audiovisual sector
- Diversity and inclusion
- Vielfalt im Film | Vielfalt und Diskriminierung vor und hinter der Kamera (citizensforeurope.org)
- malisa Stiftung
- Pathways to Equity: the Special Edition Seminar Podcast - Industry Insights - The EFM Podcast (podigee.io)
- Diversitätskompass (auf Englisch und Deutsch zur Verfügung)
- Podcast: film.macht.kritisch
- Diversity Arts Culture | Diversity Arts Culture (diversity-arts-culture.berlin)
DEI in rechtlichen Rahmenbedingungen
Gesetzliche Nachhaltigkeitsvorschriften (Lieferkettengesetz, Ökodesign-Verordnung, uvm.) können jedes Unternehmen betreffen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind vielfältig.
Große Betriebe sind meist direkt und unmittelbar von gesetzlichen Nachhaltigkeits-vorgaben betroffen. Aber auch für EPU und KMU sind diese Regelungen relevant, denn betroffene Unternehmen müssen Verpflichtungen entlang der Wertschöpfungskette weitergeben. Deshalb werden EPU und KMU in Ihrer Rolle als Zulieferer immer häufiger mit Anfragen konfrontiert und somit indirekt in die Pflicht genommen. Die Auseinandersetzung mit gesetzlichen Vorgaben lohnt sich deshalb auch, wenn diese nicht direkt für Ihren Betrieb gelten.
Eine erste Orientierung bietet der WKO Online-Ratgeber für Nachhaltigkeitsverpflichtungen.
Bekenntnis zur Bemühung um DEI
Mehrere „Gütesiegel“ decken verschiedenste Bereiche der DEI-Arbeit ab. Durch eine Kennzeichnung mit einem oder mehreren der Siegel setzen Sie ein Zeichen nach außen. Vielleicht ist etwas für Ihren gewählten Fokus dabei:
- Charta der Vielfalt
- Fair für Alle
- Wir sind inklusiv
- Nestor Gold
- equalitA
- Gütesiegel für soziale Unternehmen
- ÖNORM S 2501
- Nachhaltigkeitspreise - WKO
[1] Personalmanagement und Nachhaltigkeit - WKO
[3] Equity vs. Equality: Während Equality die formale Gleichstellung von Menschen beschreibt (Chancengleichheit), zielt der Begriff „Equity“ darauf ab, Chancengerechtigkeit herzustellen. Dafür ist es notwendig, dass Bedürfnisse erkannt werden und Ressourcen dahingehend eingesetzt werden, dass mögliche strukturelle Nachteile dort ausgeglichen werden, wo es nötig ist.
[4] respACT - Diversität & Inklusion
[5] Unterzeichner:in werden - WKO
[7] Gesellschaftliches Engagement und Netzwerke - WKO
[8] Förderung für CSR-Maßnahmen - WKO
[10] Bias: Aufgrund von Sozialisierung und strukturellen Mechanismen werden Annahmen über Menschen gemacht, die zu Voreingenommenheit führen.
[11] Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg so deutlich wie nie | McKinsey