Incoterms 2020

Regelungen im Kaufvertrag zu wesentlichen Verkäufer- und Käuferpflichten

Lesedauer: 6 Minuten

Die von der International Chamber of Commerce (ICC, Internationale Handelskammer) herausgegebenen Incoterms® treffen einheitliche Regelungen zu wesentlichen Rechten und Pflichten, die Verkäufern und Käufern im Zuge von Lieferverträgen im nationalen und internationalen Handel entstehen. Sie sind weltweit anerkannt und von großer praktischer Bedeutung.

Mit klaren Bestimmungen, beispielsweise zur Aufteilung der Transportkosten zwischen dem Verkäufer und dem Käufer oder zum Übergangszeitpunkt des Verlust- und Beschädigungsrisikos vom Verkäufer auf den Käufer, helfen die Incoterms®, Missverständnisse und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Die Incoterms® sind in Form der charakteristischen Kurzform aus drei Großbuchstaben (z.B. EXW, FOB oder DDP) Bestandteil der meisten internationalen Lieferverträge.

Grundlagen

Die ICC entwickelte im Jahr 1936 ein international anerkanntes Regelwerk zur Normierung von Handelsbräuchen. Die sogenannten „international commercial terms“, kurz Incoterms®, stellten damit erstmals internationale Regeln zur Auslegung von Verkäufer- und Käuferpflichten auf.

Die Incoterms® wurden seitdem der sich ändernden Handelspraxis angeglichen und zuletzt 2020 einer achten Revision unterzogen.

Die aktuelle Fassung der Incoterms® 2020 gilt seit 1.1.2020 und enthält elf Klauseln, von denen sieben multimodal und vier ausschließlich für den Schiffstransport verwendet werden. Die aktuellen Regeln der ICC zur Auslegung der Incoterms® 2020 können bei der ICC Austria bestellt werden.

» Überblick über die Incoterms 2020

» Tabellarische Übersicht über die einzelnen Klauseln

Vereinbarung von Incoterms im Vertrag notwendig

Die Incoterms® haben als Regelwerk der privatwirtschaftlich organisierten ICC keine Gesetzeskraft. Incoterms® werden erst dann wirksam, wenn sie zwischen Verkäufer und Käufer im Kauf-/Liefervertrag vereinbart werden. Insofern handelt es sich um standardisierte (Zusatz-)Vereinbarungen, die ähnlich Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Rechtsgeschäft miteinbezogen werden müssen.

Um eine bestimmte Klausel für eine Lieferung zur Anwendung bringen zu können, muss diese Klausel ausdrücklich vertraglich festgelegt sein. Mit der Klausel sollte immer ein Hinweis erfolgen, welche Fassung der Incoterms® vereinbart wird (beispielsweise „DPU Flughafen Wien-Schwechat, Terminal der Spedition XY, Incoterms® 2020“). Neben jenen der aktuellen Fassung können weiterhin auch die Klauseln und Bestimmungen aus älteren Fassungen wie etwa Incoterms® 2010 verwendet werden. Ohne entsprechenden Hinweis wird die Klausel nach der letztgeltenden Fassung ausgelegt.

Die Incoterms® können ihren Zweck aber nur dann erfüllen, wenn der mit der Klausel verbundene Ort so genau wie möglich festgelegt wird. Die Vereinbarung der Klausel „DAP Vienna, Incoterms® 2020“ würde eine Lieferung an beliebigen Orten in Wien ermöglichen, genauso wie eine Lieferung an einen Platz im gleichnamigen Vorort von Washington. Im Falle einer nicht ausreichenden Bestimmung hat der Verkäufer das Recht, den genauen Ort der Lieferung zu spezifizieren. Ein besseres Beispiel wäre in diesem Fall „DAP Stubenring 8-10, 1010 Vienna, Austria, Incoterms® 2020“.

Incoterms regeln nur bestimmte Rechte und Pflichten im Rahmen eines Kaufvertrags

Die Incoterms® regeln nicht alle Bestandteile eines Kaufvertrags, sondern treffen nur einheitliche Regelungen hinsichtlich der Verkäufer- und Käuferverpflichtungen in den folgenden Bereichen:

  • Allgemeine Verpflichtungen: Vertragsgemäße Lieferung der Ware (Verkäufer) bzw. Zahlung des Kaufpreises (Käufer)
  • Lieferung (Verkäufer) bzw. Übernahme (Käufer)
  • Gefahrenübergang (Ort und Zeitpunkt des Übergangs der Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware vom Verkäufer auf den Käufer)
  • Transport (Besorgung des Beförderungsvertrags)
  • Versicherung (Besorgung des Versicherungsvertrags)
  • Liefer-/Transportdokument
  • Ausfuhr-/Einfuhrabfertigung einschließlich der Beschaffung der erforderlichen Dokumente und der Erledigung notwendiger Formalitäten
  • Prüfung/Verpackung/Kennzeichnung
  • Kostenverteilung
  • Benachrichtigungen an den Käufer bzw. Verkäufer

Andere wesentliche Bereiche (wie etwa Kaufpreis, Zahlungsabwicklung, Zahlungsbedingungen, Eigentumsübergang, Gerichtsstand, anwendbares Recht, Pönalen, Haftungsausschlüsse, Ersatzlieferungen oder die Folgen von Vertragsverletzungen einschließlich Verstößen gegen die Verpflichtungen der Incoterms®) werden von den Incoterms® nicht geregelt. Diese Angelegenheiten müssen entweder ausdrücklich im Kaufvertrag vereinbart werden oder sind durch das dem Vertrag zugrundeliegende Recht geregelt. Überdies ist es möglich, dass durch das vereinbarte oder zwingend zur Anwendung gelangende Recht bestimmte Teile des Kaufvertrags, einschließlich der gewählten Incoterms® Regel, außer Kraft gesetzt werden können.

Dürfen die Incoterms abgeändert werden?

Grundsätzlich gilt, dass die Abwandlung einer Klausel nicht ausdrücklich verboten ist. Es herrscht Vertragsfreiheit. Eine Änderung schafft im Schadensfall aber unter Umständen Rechtsunsicherheit (Auslegungsprobleme, Rechtstreitigkeiten), vor allem wenn diese Änderung und die Auswirkungen dadurch nicht genauestens im Vertrag festgelegt werden und/oder sich Widersprüche ergeben. Es ist daher regelmäßig nicht empfehlenswert Klauseln nach Belieben zu verändern, da die einheitliche Auslegung und dadurch auch der Sinn der Regelung verloren gehen könnte. Zudem sollte keine Klausel vereinbart werden, die ihrem Inhalt nach weitgehend von der tatsächlichen Abwicklung des Geschäfts abweicht.

In der Praxis begegnet man häufig der Klausel DDP mitsamt dem Zusatz „unversteuert“ oder „exkl. Einfuhrsteuern und sonstiger Abgaben“. Diese Ergänzung ist regelmäßig unproblematisch und soll verdeutlichen, dass der Verkäufer zwar die Kosten der Zollabfertigung und den Zoll trägt, allfällige Steuern zu Lasten des Käufers gehen. Dies kann sinnvoll erscheinen, wenn sich der Verkäufer ansonsten zur Entrichtung der Einfuhrsteuer eigens im Ausland steuerlich registrieren müsste.

Können Incoterms auch für Lieferungen innerhalb Österreichs oder des EU-Binnenmarkts verwendet werden?

Bei Warenlieferungen, bei denen keine Zollgrenzen überschritten werden, erweckte der Ausdruck „Zollformalitäten“ in früheren Incoterms®-Versionen fälschlicherweise den Eindruck, dass die Klauseln mangels Verzollung für Lieferungen im Inland und im EU-Binnenmarkt ungeeignet sind. Mit den Incoterms® 2000 wurde durch Einfügen der Worte „falls anwendbar“ (nunmehr „gegebenenfalls“) die Voraussetzung geschaffen, dass Klauseln auch dann verwendet werden können, wenn Zollformalitäten nicht zu erledigen sind bzw. bei der Einfuhr keine Zölle anfallen. Seit den Incoterms® 2010 wird dies auch durch den Untertitel des Regelwerks dokumentiert: „Die Regeln der ICC zur Auslegung nationaler und internationaler Handelsklauseln“.

Insofern können die Incoterms® sowohl im grenzüberschreitenden Warenverkehr (im und außerhalb des EU-Binnenmarktes) als auch im rein innerstaatlichen Warenverkehr Anwendung finden.

Incoterms versus nicht normierte Frankaturen

In Kaufverträgen werden häufig Lieferkonditionen (z.B. „Frei Haus“) vereinbart, die keine klare Festlegung des Kosten- bzw. des Gefahrenübergangs zulassen.

So gibt es im österreichischen Zivilrecht keine Definition der genannten „Frei Haus“-Lieferkondition (≠ Incoterms®-Klausel). Man kann die einschlägige OGH-Judikatur heranziehen, die für diese Lieferklausel – vereinfacht gesprochen – vorsieht, dass der Verkäufer alle Kosten und Risiken trägt, bis er die Ware entladen dem Käufer am vereinbarten Ort übergibt. Dieser Ort wird im Vertrag nicht immer exakt beschrieben sein. Bei der Übergabe kann dies zu Streitigkeiten führen. Beispielsweise könnte der Verkäufer die erste dem Gebäude des Käufers zurechenbare Türe und der Käufer das Lager im zweiten Stock meinen. Ist die Vereinbarung „Frei Haus“ daher bereits im Warenverkehr innerhalb Österreichs problematisch, so wird es bei grenzüberschreitenden Lieferungen unter Umständen noch komplizierter. Nach den höchstgerichtlichen Entscheidungen in Deutschland trägt hier der Käufer das Transportrisiko, denn der Gefahrenübergang erfolgt nach deutscher Rechtsauslegung mit Übergabe der Ware an den Frachtführer, auch wenn der Verkäufer die Kosten bis zur Lieferung der Ware zu tragen hat. Insofern tut ein österreichisches Unternehmen, das Ware in Deutschland „Frei Haus“ kauft, gut daran eine Transportversicherung abzuschließen. Ähnlich verhält es sich mit Belgien, Frankreich und Italien.

Auch andere Frankaturen (z.B. „Franko Waggon“) geben den Vertragsparteien zwar einen vagen Hinweis, wo der Übergang der Kosten erfolgt, jedoch nicht wo jener der Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung der Ware eintritt, da es sich bei diesen Vereinbarungen um nicht normierte Handelsbräuche handelt.

Undefinierte Lieferklauseln sollten vermieden werden. Um Unsicherheiten bei der Auslegung von Verträgen vorzubeugen, sollten die Vertragsparteien daher die Anwendung von rechtlich präzise definierten Lieferkonditionen vereinbaren und dies ausdrücklich im Vertrag festhalten. Die Incoterms® sind ein weltweit anerkanntes Regelwerk zur Standardisierung von Lieferbedingungen. Ihre korrekte Verwendung kann Auslegungsschwierigkeiten verhindern.

Stand: 14.04.2023