Auf einem Tisch liegen mehrere Stapel Papiere. Die Hände einer Person greifen nach dem Stapel
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Spedition und Logistik, Fachgruppe

Update Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)

Kompromisstext im COREPER und JURI-Ausschuss angenommen

Lesedauer: 6 Minuten

22.03.2024

Update zur Lieferketten-RL mit den aktuellen Änderungen im beschlossenen Kompromisstext:

Stand der politischen Lage:

Nachdem der Rat der EU und das Europäische Parlament am 14.12.2023 eine vorläufige politische Einigung zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive („CSDDD“; auch CS3D bzw Lieferketten-RL) erzielt haben, wurde diese nach mehreren Vertagungen am 15.3.2024 im COREPER angenommen.

Die Lieferketten-RL wurde am 19.3.2024 vom JURI-Ausschuss des Europäischen Parlaments (EP) angenommen und muss nun noch vom Plenum des EP beschlossen werden. Die Abstimmung in diesem Gremium ist für den 24.4.2024 angesetzt. Die Änderungen im beschlossenen Kompromisstext betreffen im Vergleich zu den Vorentwürfen hauptsächlich die Schwellenwerte und die Definition der „Aktivitätenkette“. Von der Funktionsweise her ist der beschlossene Kompromisstext unverändert geblieben (siehe unten auch zum unveränderten Teil der Lieferketten-RL).

1. Aktuelle Änderungen im Überblick:

1.1. Anwendungsbereich: 

  • Erfasst sind Unternehmen mit Sitz in der EU, die auf konsolidierter Basis mehr als 1000 Beschäftigte und mehr als EUR 450 Mio weltweiten Umsatz generieren (vorher 500 AN und Euro 150 Mio). Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat sind erfasst, sofern mehr als EUR 450 Mio Umsatz in der EU erwirtschaftet wird.
  • Die Risikosektoren wurden gestrichen. Demnach gelten auch für Unternehmen aus den bisher definierten Risikosektoren (zB Bausektor, Textil- und Lederindustrie, Land- und Forstwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion und Gewinnung von Rohstoffen) dieselben Schwellenwerte (1000 AN und EUR 450 Mio). Die EU-Kommission hat allerdings gemäß Art 29 Abs 2 lit c CSDDD binnen sechs Jahren zu überprüfen, ob niedrigere Schwellenwerte für Unternehmen aus Risikosektoren notwendig sind.
  • Oberste Muttergesellschaften von Unternehmensgruppen, die über Franchise- oder Lizenzvereinbarungen miteinander verbunden sind, sind ebenfalls von der Richtlinie erfasst, wenn die Lizenzgebühren mehr als EUR 22,5 Mio betragen (vorher EUR 15 Mio) und der Konzernumsatz mehr als EUR 80 Mio beträgt. Weitere Voraussetzung ist, dass die Franchise- oder Lizenzvereinbarungen eine gemeinsame Identität, ein gemeinsames Geschäftskonzept und die Anwendung einheitlicher Geschäftsmethoden gewährleisten.
  • In einem Vorentwurf wurde Art 2 Abs 2a CSDDD gestrichen. Diese Bestimmung regelte die Einbeziehung von nicht-operativ tätigen Holdinggesellschaften. Art 2 Abs 2a CSDDD wurde allerdings im beschlossenen Kompromisstext wieder aufgenommen, wobei Änderungen vorgenommen wurden. Nicht-operativ tätige Holdinggesellschaften sind somit grundsätzlich von der Richtlinie erfasst, wenn die entsprechenden Schwellenwerte im konsolidierten Jahresabschluss erreicht werden. Um von der Richtlinie ausgenommen zu werden, hat die Holdinggesellschaft bei der zuständigen Aufsichtsbehörde gemäß Artikel 17 CSDDD nachzuweisen, dass sie nicht operativ tätig ist, sondern ausschließlich die Anteile an Tochtergesellschaften verwaltet.
  • Die Schwellenwerte in Bezug auf die Übergangsbestimmung wurden dem geänderten Anwendungsbereich entsprechend angehoben: Die Richtlinie ist nach wie vor binnen zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen. Die nationalen Bestimmungen sollen erst nach insgesamt drei Jahren nach dem Inkrafttreten der Richtlinie zur Anwendung kommen (= Legisvakanz von einem Jahr).
    • 3 Jahre (≈ Mitte 2027): 5000 AN + 1500 Mio Umsatz
    • 4 Jahre (≈ Mitte 2028): 3000 AN + 900 Mio Umsatz
    • 5 Jahre (≈ Mitte 2029): 1000 AN + 300 Mio Umsatz 
    Die Richtlinie ist nach wie vor binnen zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen. Die nationalen Bestimmungen sollen erst nach insgesamt drei Jahren nach dem Inkrafttreten der Richtlinie zur Anwendung kommen (= Legisvakanz von einem Jahr). 

Die erhöhten Schwellenwerte im Anwendungsbereich werden in der Praxis geringe Auswirkungen haben. Vertraglich sind nämlich weiterhin die Sorgfaltspflichten an Geschäftspartner:innen unabhängig ihrer Größe entlang der gesamten Aktivitätenkette (vorher Wertschöpfungskette) weiterzugeben.

1.2. Definitionen:

  • Die Richtlinie regelt Sorgfaltspflichten für Unternehmen in Bezug auf ihre eigenen Tätigkeiten, die Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften und die Tätigkeiten ihrer direkten als auch indirekten Geschäftspartner:innen, die Teil der Aktivitätenkette des Unternehmens sind. Letzteres umfasst sowohl Aktivitäten von vorgelagerten als auch nachgelagerten Geschäftspartner:innen.
  • In Bezug auf die eigenen Lieferanten (vorgelagerter Geschäftsbereich) sind weiterhin direkte als auch indirekte Geschäftspartner:innen erfasst, und zwar unabhängig davon, ob zu ihnen eine Vertragsbeziehung besteht. 
  • Soweit das Unternehmen selbst zuliefert (nachgelagerter Geschäftsbereich), sollen nunmehr lediglich Unternehmen aus den Geschäftsbereichen Transport, Distribution und Lagerung der Produkte erfasst sein. Der Geschäftsbereich „Entsorgung“ wurde in Bezug auf den nachgelagerten Geschäftsbereich gestrichen. Unklar ist, ob im nachgelagerten Geschäftsbereich nur direkte Geschäftspartner:innen zu kontrollieren sind, oder auch indirekte. Der Text ist hier missverständlich (vgl Art 3 Abs 1 lit g Z 2 CSDDD).

1.3. Klimaplan:

  • Bisher war es vorgehen, dass die variable Vergütung von Vorständen bzw Aufsichtsräten an die Einhaltung des Klimaplans geknüpft werden sollte. Diese Bestimmung wurde gestrichen.

1.4. Zivilrechtliche Haftung:

  •  Eine Bestimmung über die zivilrechtliche Haftung wurde klarer gefasst, um vernünftige Bedingungen für die Klagebefugnis von NGOs zu schaffen. Die Klagebefugnis von NGOs soll auf der ausdrücklichen Zustimmung des Geschädigten beruhen (Opt-in-System). Die Entscheidung bleibt aber den Mitgliedstaaten überlassen.

2. Wesentliches, das unverändert geblieben ist:

2.1. Pflichten der Unternehmen:

  • Implementierung der Sorgfaltspflichten in Unternehmensrichtlinien und Risikomanagementsysteme („code of conduct“). Diese Due-Diligence Policy soll etwa bestimmen, an welche Werte sich das Unternehmen hält und welche Werte von Lieferanten erwartet werden.
  • Anhand der Due-Diligence Policy ist ein Due-Diligence-System zur risikobasierten Überprüfung von Lieferanten einzurichten. Mit diesem System müssen sich soziale und ökologische Risiken entlang der Lieferkette erkennen und Maßnahmen zur Vorbeugung und Behebung ergreifen lassen. Im Rahmen der risikobasierten Überprüfung sind die schwerwiegendsten Risiken in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umwelt zu ermitteln und es ist festzustellen, wann und wo diese am wahrscheinlichsten auftreten. Die Prioritätensetzung bei Vornahme entsprechender Maßnahmen (zB vertiefte Lieferantenüberprüfung oder Setzung von Abhilfemaßnahmen bei mehreren zeitgleichen negativen Auswirkungen) erfolgt auf Grundlage der Schwere und Wahrscheinlichkeit der negativen Auswirkungen.
  • Stakeholder, wie etwa Eigentümer, Arbeitnehmer oder NGOs, müssen in die Sorgfaltsprüfungen umfassend miteinbezogen werden. Diese müssen etwa auch bei der Entscheidung über eine mögliche Vertragsauflösung mit einem Geschäftspartner konsultiert werden.
  • Diese Sorgfaltspflichten sind an Geschäftspartner:innen unabhängig ihrer Größe entlang der gesamte Aktivitätenkette (vorher Wertschöpfungskette) weiterzugeben. Die Einhaltung der vertraglichen Zusicherungen muss zudem von den Unternehmen durch Einschaltung unabhängiger Dritter (zB Wirtschaftsprüfer) oder mittels geeigneter Industrieinitiativen oder multiplen Interessengruppen (inkl NGOs) regelmäßig überprüft werden. Die Kosten für die Überprüfung durch unabhängige Dritte haben die Unternehmen (nicht Geschäftspartner) zu tragen. Zudem werden Unternehmen ihre Geschäftspartner (KMUs) bei der Einhaltung der weitergegebenen Sorgfaltspflichten unterstützen müssen (zB durch Direktfinanzierungen, zinsgünstige Darlehen oder zukünftige Abnahmegarantien), wenn dadurch ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit gefährdet ist.
  • Veröffentlichung jährlicher Berichte über den Fortschritt (zB auf eigener Webseite).
  • Erstellung eines Klimatransformationsplans, der sicherstellt, dass das Geschäftsmodell und die Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderhitzung vereinbar sind. Der Plan ist jährlich zu aktualisieren und der Fortschritt zu dokumentieren.

2.2. EU- bzw staatliche Unterstützungsmaßnahmen:

  • Die EU-Kommission hat (mit Unterstützung der Mitgliedsstaaten) bis spätestens 2027 Guidelines und Musterklauseln zur Unterstützung von Unternehmen zu veröffentlichen. In diesen sollen etwa die Prüfpflichten von Unternehmen in verschiedenen Branchen konkretisiert werden. 
  • Die EU-Kommission hat zudem eine Auskunftsstelle („single help desk“) einzurichten, bei der Unternehmen Informationen, Beratungen und Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen anfordern können.

2.3. Aufsicht und Sanktionen:

  • Die national zuständigen Aufsichtsbehörden können Untersuchungen einleiten und gegen Unternehmen, die die Vorschriften der Richtlinie nicht einhalten, Sanktionen verhängen, darunter Geldbußen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Netto-Jahresumsatzes. Sie sollen auch Verstöße veröffentlichen können (naming and shaming).

2.4. Zivilrechtliche Haftung:

  • Unternehmen haften für Schäden, die bei natürlichen oder juristischen Personen entstanden sind, weil diese ihren Sorgfaltspflichten zur Vermeidung bzw zur Beseitigung oder zur Minderung nachteiliger Auswirkungen (Art 7 und 8 CSDDD) nicht (ausreichend) nachgekommen sind. Die geschützten Rechtsgüter sind in Anhang 1 aufgelistet.
  • Eine Haftungserleichterung besteht allerdings insoweit als Unternehmen grundsätzlich nicht für Schäden haften, die ausschließlich von ihren Geschäftspartner:innen verursacht wurden.
  • Betroffene, einschließlich Gewerkschaften und NGOs, können innerhalb von fünf Jahren Schadenersatzansprüche gerichtlich geltend machen. Eine Einschränkung der Offenlegung von Beweismitteln, ein einstweiliger Rechtsschutz und eine Prozesskostenhilfe sollen die Rechtsdurchsetzung erleichtern.
  • Eigene Bestimmungen zum Gerichtsstand sind in der Richtlinie nicht vorgesehen. Es bleiben demnach die allgemeinen Bestimmungen der Brüssel 1a-VO anwendbar. Demnach werden EU-Unternehmen grundsätzlich vor den Gerichten jenes Mitgliedsstaates zu klagen sein, in dem sie ihren Sitz haben. Der Gerichtsstand von Drittstaatsunternehmen wird hingegen in der Regel nach dem Recht des jeweiligen Drittstaates zu beurteilen sein. 

Hier finden Sie die aktuelle WKÖ-Pressemeldung zu "WKÖ-Kopf zu Lieferkettengesetz: EU lässt Bürokratiemonster von der Leine".

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