Sparte Handel

Förderungen und Entlastungsschritte als Antwort auf die steigenden Energie- und Kraftstoffpreise

Lesedauer: 5 Minuten

22.09.2023

Die rasant steigenden Energie- und Kraftstoffpreise sind mittlerweile zu einem wesentlichen Belastungsfaktor für die österreichische Wirtschaft geworden. Wie auch ein kürzlich erschienener Bericht des WIFO hervorhebt, ist diese dramatische Entwicklung auf das Zusammenwirken  von insbesondere zwei Ursachen zurückführen:

  • Die wirtschaftlichen Erholungs- und Aufholeffekte nach der COVID-Pandemie führen zu einer stark gestiegenen Nachfrage nach Energieträgern, welche aktuell kaum gesättigt werden kann. Damit in Zusammenhang stehen auch große Logistik- und Lieferkettenprobleme.
  • Der Ukraine-Konflikt und seine (tatsächlichen und erwarteten) Auswirkungen schüren die Angst vor einer Rohstoffknappheit und gefährden die Gas- und Energieversorgung von ganz Europa. 

Wie sich aus einer Studie der Abteilung für Wirtschafts- und Handelspolitik ergibt, bildet die Preissteigerung im Energiebereich auch die eigentliche Triebfeder hinter der deutlich gesteigerten Inflationsrate. In der Nacht auf Montag notierte der Ölpreis bei 139 US-Dollar (pro Barrel) und damit um ein Drittel höher als vor Beginn der Ukraine-Krise.  Spürbar für alle ÖsterreicherInnen wird die Teuerung aktuell vor allem an den Tankstellen: In Österreich wurde mittlerweilse großflächig die Grenze von 2 Euro pro Liter Diesel bzw. Benzin überschritten. Diese Entwicklungen haben dramatische Folgen sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen: 

  • Unter den Konsumenten sind es vor allem einkommenschwache Haushalte, für welche der alltägliche Bedarf an Energie und Treibstoff durch die Preisentwicklung unerschwinglich wird. Dies belastet die Kaufkraft und verringert damit mittelbar auch die Konsumausgaben der Haushalte im Handel. 
  • Direkt betroffen sind darüber hinaus energieintensive Unternehmen (etwa Lebensmitteleinzel- und -großhändler mit umfangreichen Kühlungssystemen, Maschinenhandel und Elektrohandel), aber auch der Energiehandel sowie Berufsgruppen, welche bei der Ausübung ihrer Tätigkeit wesentlich auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sind (z.B. Versicherungsagenten, Handelsagenten, Markt- und Direkthandel, etc.). Über die mit den Treibstoffpreisen extrem gestiegenen Transportkosten sind auch Branchen wie der Außenhandel und der Fahrzeughandel betroffen. 

Gleichzeitig führen die steigenden Preise dazu, dass der öffentlichen Hand deutliche Mehreinnahmen über die Umsatzsteuer zufließen. Wie auch das WIFO anregt, könnten diese erhöhten Staatseinnahmen eine wichtige Quelle für alle im Folgenden angeführten Entlastungs- und Förderschritte für Unternehmen und Verbraucher darstellen.

Aufgrund dieser dramatischen Entwicklungen stellt die BSH folgende Forderungen auf: 

  1. Um die Kaufkraft vor allem einkommenschwacher Haushalte zu sichern, ist eine vorübergehende Senkung der (unteren) Einkommensteuer-Tarife bzw. der Krankenversicherungsbeiträge, auch in Hinblick auf die kommenden Kollektivvertragsverhandlungen, notwendig. Zudem sollten Personen, die nicht der Einkommensteuerpflicht unterliegen, in den Genuss der Negativsteuer kommen.
  2. Einen weiteren wichtigen Schritt, der eine breite Entlastung und positive Lenkungseffekte in Richtung einer emissionsfreien Wirtschaft bringen würde, stellt die Reduktion der Elektrizitätsabgabe auf das EU-Mindestniveau dar. In Österreich beträgt die Abgabe aktuell 0,015 Euro/KWh, das EU-Mindestniveau liegt bei 0,0005 Euro/KWh, sodass hier ein erheblicher Spielraum besteht. Sowohl Verbraucher als auch Unternehmen, welche nicht die Energieabgabenvergütung für Industriebetriebe nützen können, würden von dieser Maßnahme maßgeblich profitieren.
  3. Zur Entlastung der Unternehmer und Verbraucher ist darüber hinaus eine Senkung der Mineralölsteuer erforderlich; diese beträgt aktuell 39,7 Cent für Diesel und 48,2 Cent für Benzin. Dadurch könnte den Menschen rasch finanziell unter die Arme gegriffen werden, um die täglich erforderlichen Autofahrten auch weiterhin leistbar zu halten. 
  4. Evaluiert werden müssen auch sämtliche weitere Maßnahmen, welche die erschwingliche Energie- und Treibstoffversorgung für Konsumenten und Unternehmer in Zukunft gefährden könnten. Dazu zählen einschlägige Regelungen in der Kraftstoffverordnung, dem Energieffizienzgesetz sowie dem Klimaschutz-Gesetz, welche nach konservativer Schätzung zu einer Preissteigerung von Kraftstoffen von 30 bis 50 Cent pro Liter führen könnten.
  5. Darüber hinaus sollen Unternehmen und Haushalte durch einen staatlichen Preisdeckel für Strom/Gas und Treibstoff (z.B. Benzin/Diesel) gegen exorbitante Preiserhöhungen geschützt werden. Auf diese Weise könnte nicht nur die Wirtschaft am Laufen gehalten, sondern auch ein Kaufkraftabfluss in jene Nachbarstaaten verhindert werden, in denen bereits ein solcher Preisdeckel besteht (z.B. Tanktourismus nach Ungarn/Slowenien).
    Es wäre zu erwägen, die Differenz zwischen dem Preisdeckel und dem Marktpreis in Österreich aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren.
  6. Wie auch das WIFO in einer aktuelle Analyse betont, sind den Unternehmen außerdem ausreichende Förderungen zur Verfügung zu stellen, um Investitionen in alternative Wärme- und Mobilitätssysteme sowie in die Energieeffizienz (z.B. Austausch alter elektrischer Geräte) zu fördern. Dazu können insbesondere die steigenden Mehrwertsteuereinnahmen der öffentlichen Hand, welche aus den höheren Kraftstoffpreisen resultieren, genützt werden.  Dies erhöht die Unabhängigkeit der heimischen Energieversorgung von geopolitischen Krisen. Die Bundesregierung ist hierbei dazu aufgerufen, die im Rahmen des Energiegipfels gemachten Versprechen bezüglich erhöhten Fördervolumina auch wirklich einzuhalten.  Dazu zählt insbesondere der angekündigte Dekarbonisierungsfonds.
  7. Die geplante CO2-Bepreisung, welche ab 01.07.2022 mit einem Startpreis von 30 Euro pro Tonne CO2 beginnen sollte, muss je nach der weiteren Entwicklung am Energiemarkt um 1 bis 2 Jahre verschoben werden. Nach Schätzungen der Abteilung für Finanz- und Steuerpolitik würde diese Bepreisung zu weiteren Preissteigerungen von 7,7 Cent (für Benzin) bis 8,9 Cent (für Diesel) führen. Gerade Kleinstunternehmer kommen weder in den Genuss des Klimabonus noch der CO2-Härtefallregelung für energieintensive Industriebetriebe, sodass diese besonders von den Preisanhebungen betroffen wären. Einerseits ist es den Unternehmen und Verbrauchern in der aktuellen Lage nicht zuzumuten, die ohnehin historischen Energie- und Kraftstoffpreise noch weiter künstlich zu verteuern; andererseits wird der geplante Klima-Lenkungseffekt der CO2-Bepreisung, nämlich der reduzierte Verbrauch von fossilen Brennstoffen, durch die aktuell enormen Treibstoffpreise ohnehin erreicht, auch ganz ohne zusätzliche Verteuerung.
  8. Eine weitere wichtige Hilfsmaßnahme ist die Senkung der Mehrwertsteuer auf sämtliche Kraftstoffe. Diese Maßnahme hätte eine breite Wirkung und würde allen Unternehmern zugutekommen, welche kein vorsteuerabzugsberechtiges Fahrzeug nutzen, also auch umsatzsteuerbefreiten Unternehmern (Kleinunternehmern sowie bestimmte Branchen wie Versicherungsagenten). Darüber hinaus würde dies eine wesentliche Entlastung für die Konsumenten und ihre Kaufkraft bedeuten; wichtig wäre in diesem Fall jedoch eine Verpflichtung, die resultierenden Kostenvorteile auch an die Kunden weiterzugeben.
  9. Anzudenken ist darüber hinaus eine Anhebung des Kilometergelds im Gleichschritt mit der aktuellen Teuerungsrate, um Branchen, welche maßgeblich auf die Verwendung eines Fahrzeugs angewiesen sind, zielgerichtet zu unterstützen.
  10. Darüber hinaus zeigen die aktuellen Preissteigerungen, welche ja auch eine Folgewirkung der COVID-Pandemie sind, wie wichtig eine zielsichere Fortführung der Pandemie-Beihilfen für besonders betroffene Unternehmen ist. Da von einer Normalisierung des Wirtschaftslebens noch keine Rede sein kann und die Auswirkungen der Pandemie in den Betrieben noch deutlich spürbar sind, darf die Politik aufgrund der hohen Inzidenzfälle und der Ukraine-Krise nicht den Fokus auf die Pandemie und somit auf die Hilfen verlieren. Sowohl die Pandemie als auch die Ukraine-Krise bzw.- Energiekrise sind mit Unsicherheiten behaftet und haben schwerwiegende Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben. Die Bundesregierung ist daher dazu aufgerufen, die Hilfsinstrumente im EU-rechtlich möglichen Rahmen bis Ende Juni 2022 fortzuführen. Hierzu dürfen wir das umfangreiche Positionspapier der Bundessparte Handel übermitteln.
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