Position des Fachverbands zur Vergütung für Versicherungsanlageprodukte
Positionspapier Jänner/Februar 2023
Lesedauer: 4 Minuten
Das Ziel der Retail Investment Strategy ist es, vermehrt Verbraucher:innen zu motivieren, sich an Kapitalmärkten zu beteiligen, ist zu begrüßen. Wirksame Verbraucherschutzmaßnahmen sind dafür essenziell.
Die bereits verbindliche Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) enthält zahlreiche Regelungen, die diesem Ziel dienen und erlaubt durch ihren Ansatz der Mindestharmonisierung den Mitgliedstaaten strengere Regelungen einzuführen. Daher ist ein europaweites Provisionsverbot für Versicherungsanlageprodukte, wie von einigen gefordert, über das Ziel weit hinausschießend.
Die europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) selbst gibt an, dass ein Provisionsverbot ungeahnte Folgen für die unterschiedlichen Märkte hätte,[1] und auch die Arbeiterkammer sieht keinen Sinn in einem solchen Verbot.[2]
Der Fachverband der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten tritt daher für die Wahlfreiheit des Konsumenten in Bezug auf die Vergütungsform (Provisionen oder Honorarberatung) beim Vertrieb aller Versicherungsprodukte, insbesondere Versicherungsanlageprodukte, ein.
Dies aufgrund folgender Tatsachen:
Einfach zugängliche, professionelle Beratung hat zahlreiche positive Effekte auf die finanzielle Lage der Konsumenten
Zirka 50 % der Teilnehmer:innen einer eigenen EC-Studie geben an, dass sie Entscheidungen auf Grundlage der Expertise ihrer Finanzberater:innen treffen.[3] In Ländern, in denen das Provisionssystem vorherrscht, werden Konsumenten durch Versicherungsvermittler oft überhaupt erst auf Themen wie Altersvorsorge und Risikovorsorge aufmerksam gemacht. Insbesondere benötigen finanzschwächere, bildungsfernere und geografisch isolierte Bevölkerungsgruppen verstärkt Beratung.
Die IDD selbst und das in diesem Sinn vorbildliche österreichische MaklerG 1996 verhindern überdies, dass Versicherungsmakler Produkte aufgrund ihrer eigenen Provisionserwartungen dem Kunden vorschlagen, da sie nach § 28 Abs. 3 öMaklerG "… zur Vermittlung des nach den Umständen des Einzelfalls bestmöglichen Versicherungsschutzes [Anm.: sog. best advice] verpflichtet sind."
Zudem sind Versicherungsmakler:innen gesetzlich zur Beratung verpflichtet. Versicherungsmakler:innen sind eben Berater:innen und keine Verkäufer:innen!
Zahlreiche Studien zeigen deutlich die Nachteile von Provisionsverboten auf
Die von der Europäischen Kommission selbst initiierte external study on disclosures, inducements and suitability hat ergeben, dass das Verbot/starke Einschränkung von Provisionen zu mehr execution only sales oder Plattformverkäufen geführt haben, nicht jedoch zu mehr Honorarberatungen.
Ähnliche Ergebnisse erbrachten:
- The future of advice, Studie KPMG Deutschland[4];
- Study on distribution models for retail investors, KPMG (Spanien, Frankreich, Italien)[5];
- Erfahrungen aus dem MiFID II Bereich;
- Studien aus GB[6] und Australien[7]
(Die Studie aus GB ergab, dass nur 8 % der Briten professionelle Beratung erhielten).
Zudem ist zu befürchten, dass sich viele potentielle Anleger:innen aus ungeprüften Quellen (wie z.B. in sozialen Medien) informieren.
IBIPs dienen als sichere Anlageform für finanzschwächere Bevölkerungsgruppen
Diese Konsumenten sehen IBIPs als langfristige Anlagen an mit dem Zweck Ersparnisse zu schaffen. Sicherheit wird dabei als wichtiger erachtet als ein hoher Ertrag.
Eine französische Studie[8] zeigte insbesondere die 3 Anlagekriterien, die Verbraucher:innen am meisten interessieren: 41 % Sicherheit, 40 % Flexibilität, 13 % Zinsen.
Wenn es zu einem Provisionsverbot kommt, droht nicht nur fehlende Beratung, sondern auch der Zugang zu Versicherungsanlageprodukten, da die Vermittler:innen, die diese normalerweise anbieten, den Markt verlassen. Der einfache Beratungszugang ist wichtig für die finanzielle Inklusion aller Bevölkerungsschichten, ein Schlüsselziel der Kapitalmarktunion.
Einfacher Zugang zu professioneller Beratung ist essenziell für Nachhaltigkeitsentscheidungen
Ein bedeutendes Schlüsselziel der CMU sind vermehrte Investitionen in nachhaltige Anlagen. Um richtig zu investieren, ist professionelle Beratung aufgrund der Komplexität des Themas Sustainable Finance essenziell.
Provisionsverbote führen zu Branchensterben, Konzentration auf einige wenige Unternehmen und in der Folge zu weniger Wettbewerb
In Australien kam es nach der Einführung eines Provisionsverbots zu einem Wegfall von ca.15 % der Vermittler*innen. Mit ähnlichem Ergebnis wäre in Europa sicherlich zu rechnen. Weniger Marktteilnehmer bedeutet weniger Wettbewerb und in der Folge erst recht steigende Kosten für Konsumenten.
Provisionsverbote für Versicherungsmakler:innen europarechtlich nicht zulässig
Dies ergibt klar das Gutachten des Europarechtsexperten, Univ.-Prof. Dr. Thomas Jäger[9]:
- Alle von der EU erlassenen Rechtsakte haben der Verwirklichung der EU-Grundfreiheiten zu dienen. Der Gesetzgeber hat einen gewissen Entscheidungsspielraum. Dieser findet seine Grenze, wenn die Entwicklung des Binnenmarkts missachtet wird oder unsachliche Regelungen getroffen werden. Ein Provisionsverbot verstößt gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Der Eingriff lässt sich zwar durch Verbraucherschutz rechtfertigen, ist jedoch nicht verhältnismäßig, da Verbraucherschutz durch gelindere Mittel möglich ist.
- Für den EU-Gesetzgeber bestehen strenge Kompetenzausübungsschranken. (Subsidiaritätsprinzip). Demnach ist nur auf EU-Ebene ein Rechtsakt zu setzen, wenn das Ziel nicht durch die Mitgliedsstaaten selbst erreicht werden kann. Voraussetzung ist, dass es eine Regelungslücke gibt. Von dieser ist aufgrund der nun in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzten IDD nicht auszugehen.
- Viele Versicherer erschließen Versicherungsmärkte in anderen Mitgliedstaaten durch zu Hilfenahme von Versicherungsmakler:innen. Ein Provisionsverbot würde zu einer Rückbesinnung auf nationale Märkte führen. (Fragmentierung des Binnenmarkts im Gegensatz zum europäischen Ziel eines freien Binnenmarkts).
Mögliche andere Maßnahmen zur Verbesserung des Konsumentenschutzes
- Einfache Transparenzanforderungen;
- regelmäßige Überprüfung der POG-Regelungen während des Produktlebenszyklus;
- bessere Finanzbildung.
Wien, im Jänner 2023
[2] Der Standard,12.1.223, EU nimmt Provisionen f. Finanzprodukte ins Visier.
[3] Disclosure, inducements, and suitability rules for retail investors study - Publications Office of the EU (europa.eu).
[4] The future of advice, KPMG.
[5] Study on distribution models for retail investors, KPMG.
[6] https://www.open-money.co.uk/advice-gap-2021.
[7] Future of financial advice.
[9] Thomas Jäger. Corinna Potocnik-Manzouri: Verbote von Versicherungsmaklerprovisionen im EU-Binnenmarkt, Wien 2022, Jan Sramek Verlag.