Sparte Industrie

Kärnten soll zur Modellregion einer "bio-based-economy" werden

Bernhard Rebernig vom Ökosozialen Forum befürchtet, dass unser Wirtschaftssystem in der derzeitigen Form nicht zukunftsfähig sei. In welcher Beziehung er zur Industrie steht und welche Visionen er für Kärnten hat, das erzählt er im Interview.

Lesedauer: 3 Minuten

11.03.2023

Was genau ist das Ökosozialen Forum Kärnten?

Bernhard Rebernig: Das ÖSF ist ein Verein mit dem Ziel die Ökosoziale Marktwirtschaft in Kärnten bekannter zu machen und schrittweise zu verwirklichen. Wir leisten dazu Bewusstseinsbildung und treten auch aktiv an die Landespolitik mit konkreten Vorschlägen und Forderungen heran. 

Ein Wirtschaftssystem, das nicht nur auf Profit und Wachstum ausgerichtet ist, sondern die Umwelt und den Menschen und seine Lebensqualität in den Mittelpunkt stellt: Wie kann das funktionieren?

Klimawandel, Abholzung des Regenwaldes, Überfischung der Meere sind Folgen von Marktversagen, weil sich die tatsächlichen Kosten der Umweltzerstörung nicht in den Preisen der entsprechenden Produkte widerspiegeln. Das ist ein offensichtliches Zeichen dafür, dass der freie Markt nicht immer Recht hat. Im Gegenteil - er braucht klare Regeln um optimale Ergebnisse hervorzubringen. Das Spektrum reicht dabei von Anreizen wie der Förderung nachhaltiger Energie über die Besteuerung unerwünschten Ressourcenverbrauchs, z. B. mittels einer CO2-Lenkungsabgabe, bis hin zu Verboten wie im Falle des Bodenverbrauchs.  

In welcher Beziehung steht das Forum zur Industrie?

Die Industrie ist ein zentraler Player in unserem Wirtschaftssystem was Wertschöpfung, Arbeitsplatzsicherung aber auch den Ressourcenverbrauch betrifft. Relativ gesehen produziert die heimische Industrie immer klimaeffizienter, trotzdem steigen die Treibhausgasemissionen nach wie vor an.  Gerade die Industrie hat aber in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie über Innovationen zum "Game Changer" für die gesamte Wirtschaft werden kann. Deshalb müssen wir für die Industrie ehestmöglich die richtigen Anreize und Innovations-Impulse setzen, um in diesem Bereich voranzukommen.  

Was verstehen Sie unter dem Begriff "faire Globalisierung“?

Unfair ist, wenn heimische Firmen und Industrien nicht mehr wettbewerbsfähig sind, weil die internationale Konkurrenz geringere Umwelt- und Sozialstandards einhalten muss. Dieses System führt uns in eine Sackgasse und geht zu Lasten von Mensch und Umwelt in Billiglohnländern und auf Kosten unserer Wirtschaft vor Ort. Die Lösung besteht aber nicht darin unsere Standards zu senken, sondern sie international an unser Niveau heranzuführen. Ein Beispiel wie das gelingen kann, sind z. B. Klimazölle für Produkte deren Produktion mehr Treibhausgase verursachen, als dies bei einer Herstellung in der EU der Fall wäre, oder ein Importverbot für Produkte aus Kinderarbeit. Die EU als größter Importeur der Welt hätte hier einen gewaltigen Hebel in der Hand. 

Wäre aus Ihrer Sicht eine Türkis-Grüne Regierung sinnvoll?

Jede Regierungskonstellation ist für uns sinnvoll, sofern sie die akuten Herausforderungen unserer Zeit proaktiv und mutig angeht. Dazu gehört für mich an vorderster Stelle der Umbau unserer Wirtschaft zu einer "bio-based economy", d. h. eine weitgehend von fossilen Rohstoffen unabhängige Wirtschaft. Viele Experten gehen davon aus, dass dieser Umbau der nächste große Konjunkturzyklus sein wird. Und wenn wir vorangehen und die richtigen Innovationsanreize setzen, kann das zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden, auch für die heimische Industrie.   

Was verstehen Sie unter einer leistungsfähigen Marktwirtschaft?

Eine Marktwirtschaft, die Unternehmertum, Innovation und individuelle Freiheit zulässt und gleichzeitig verhindert, dass die unternehmerische Tätigkeit auf Kosten der Umwelt und zukünftiger Generationen geht. Dazu ist es notwendig, dass die Preise die tatsächlichen Kosten der Produktion widerspiegeln.   

Wie beurteilen Sie die ökosozialen Entwicklungen in Kärnten?

Ich würde sagen, wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Positiv ist sicher die Tatsache, dass Kärnten Vorreiter bei der Nutzung erneuerbarer Energie ist und wir auf eine starke heimische Photovoltaik-Industrie verweisen können. Der Umgang mit unseren Ressourcen vor Ort lässt aber aus meiner Sicht zu wünschen übrig. Wir produzieren zwar Photovoltaik-Paneele, nutzen aber selbst wenig Sonnenenergie. Auch der Bodenverbrauch ist in Kärnten viel zu hoch - in den letzten Jahren wurden täglich rund 2,2 Hektar verbaut und sind damit unwiederbringlich für die Produktion von heimischen Lebensmitteln verloren. Darüber hinaus verfügt Kärnten über einen riesigen Holzvorrat, den es insbesondere im Bau- und Energiesektor verstärkt zu nutzen gilt. Das wäre auch ein idealer Hebel, um mehr Wertschöpfung in die Regionen zu bringen.  

Welche Vision haben Sie für Kärnten?

Unsere Vision ist, Kärnten als Modellregion einer "bio-based-economy" zu positionieren. Wenn es gelingen würde, in Abstimmung mit der Bioökonomie-Strategie des Bundes, einen "Bio-Ökonomie-Cluster" in Kärnten zu etablieren, wäre das ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung. Im Bereich Tourismus, neben der Industrie ein weiterer wichtiger Devisenbringer, plädieren wir für einen strategischen Fokus auf nachhaltigen Tourismus. Ein Lehrstuhl für "Nachhaltigen Tourismus" an der Universität Klagenfurt wäre ein sichtbares erstes Zeichen.  

Ihre Botschaft an die Industrie?

Unser Wirtschaftssystem in der derzeitigen Form ist nicht zukunftsfähig. Bei einem notwendigen Umbau führt kein Weg an klaren Rahmenbedingungen für den Markt vorbei. Dieser Weg kennt nicht nur Gewinner, bietet aber auch viele Chancen. Frei nach Oscar Wilde gilt: "Die Zukunft gehört denen, die die Möglichkeiten erkennen, bevor sie offensichtlich werden."

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