Christina Hirschl von Silicon Austria Labs und im Hintergrund Forschungsobjekte wie Mikroskope
© Helge Bauer | Silicon Austria Labs

"Forschung und Innovation sind die wichtigsten Budgetposten"

Christina Hirschl hat im Jahr 2023 die Leitung der Silicon Austria Labs übernommen. Im Interview erklärt sie, wie die Industrie im Forschungsbereich kooperieren kann und warum die Zukunft der Technologie nachhaltig sein muss.

Lesedauer: 7 Minuten

19.02.2024

Es ist bestimmt faszinierend, an der Spitze einer Organisation wie Silicon Austria Labs zu sein. Erzählen Sie einmal über Ihren persönlichen Weg und wie Sie zur Geschäftsführerin wurden?

Christina Hirschl: Ich habe in Wien Physik studiert. Ursprünglich hatte ich vor, Lehramt zu studieren, aber dann entschied ich mich für Physik. Ich habe sowohl mein Lehramtsstudium als auch ein Physik-Diplom abgeschlossen, promovierte und arbeitete an der Universität. Ich habe immer gewusst, dass ich etwas machen will, dass sehr stark mit der Industrie verknüpft ist. Die Industrie hat den Vorteil, dass man in einer gewissen Zeitspanne Resultate sehen kann. Mein Antrieb besteht darin, innovative Ideen in praktische Lösungen umzusetzen, die positive Auswirkungen auf das Leben haben – in einem Produkt, in einer Dienstleistung. Ich wünsche mir immer, dass das, was ich arbeite, unser Leben zu einem besseren macht. Nach einer Phase in der Raumfahrttechnik wechselte ich in die Industrie und arbeitete an erneuerbaren Energien. Nach dem überraschenden Ausscheiden des Geschäftsführers im Jahr 2023 übernahm ich die Leitung des Forschungszentrums Silicon Austria Labs. Meine Vision ist es, die Industrie zu unterstützen und durch Forschung konkrete Auswirkungen zu erzielen, um die Gesellschaft positiv zu beeinflussen. Wir wollen Kooperationspartner der Industrie sein und unser tägliches Leben sicherer, effizienter und CO2-neutraler gestalten.

Derzeit müssen Unternehmen viele Herausforderungen stemmen. Gibt es derzeit bestimmte Herausforderungen, die einen Einfluss auf Ihre Herangehensweise an die Führung von SAL haben? 

Da gibt es viele Herausforderungen. Wir wissen, wie hoch die Inflation im letzten Jahr war und mit welchen gesteigerten Kosten auch wir umgehen müssen. Wir leben von Industrieprojekten. Wenn sich also die Industrie schwertut, hat das auch Auswirkungen auf SAL. Intern die größte Herausforderung ist sicher, dass man bestmögliche Forschungsinfrastruktur zur Verfügung stellen, aber trotzdem sehr effizient mit der Auslastung dieser Infrastruktur umgehen muss und sehr viel Ressourcen braucht. Wir haben einen 1.100 Quadratmeter großen Forschungsreinraum im Oktober eröffnet. Zu dem Zeitpunkt war er ziemlich leer. Diesen zu füllen und hochzufahren, das ist sicher für uns die größte Herausforderung im Moment. 

Ganz kurz, was genau steckte hinter Silicon Austria Labs?

Also im Grunde ein außeruniversitäres Forschungszentrum, das die Industrie im technischen Bereich bei Innovationen unterstützt. Der Fokus liegt auf elektronikbasierten Systemen. Das sind all diese kleinen Komponenten - ob im Handy, im Auto - die unser Leben technisch angenehmer gestalten. Wir sind sehr auf die Elektronikindustrie fokussiert, sind aber in der Applikation sehr offen. Wir haben Kunden von Infineon bis zu AVL. Aber auch viele Anwender aus der Kunststoffindustrie, Holzindustrie oder Papierindustrie - je nachdem, wer elektronische Komponenten braucht. 

SAL konzentriert sich auf verschiedene Forschungsbereiche wie Microsystems, Sensor Systems, Intelligent Wireless Systems, Power Electronics und Embedded Systems. Welche Schlüsseltechnologien werden in diesen Bereichen entwickelt? 

Grundsätzlich forschen wir immer technologiebasiert. Der Bereich Sensorik deckt alle Sinnesorgane der Technik ab. Wie kann ich etwas messen und wie kann ich dann aus diesen Daten etwas generieren? Zudem verknüpfen sich sehr stark Intelligent Wireless Systems, wo man mit den entwickelten Devices möglichst effizient und möglichst energiearm mit einzelnen Komponenten kommunizieren muss. In der Mikroelektronik oder Mikrosystemtechnologie geht es darum, wie ich diese Komponenten möglichst klein mache - also Nano- und Mikroelektronik. Es geht darum, diese Komponenten so herzustellen, dass sie in Mobiltelefone passen. Da ist sehr viel Know-how im Bereich Material und Fertigungstechnologie notwendig. Nur ein Beispiel: Auf einen Wafer mit 200 Millimeter Durchmesser passen ungefähr 400 bis 500 Komponenten.

Die Silicon Austria Labs haben sich als anwendungsorientierter Forschungspartner positioniert. Welche Rolle spielt dabei die Kärtner Industrie? 

Wir haben viele Kärntner Kunden und das freut uns auch sehr. Es sind natürlich auf der einen Seite die Großen, die mit uns arbeiten - Infineon oder LAM Research. Es gibt sehr viele Firmen im Halbleitertechnikbereich, die mit uns arbeiten. Ein anderer Kunde ist aber zum Beispiel Hasslacher Norica Timber. Wir haben also ein sehr großes Volumen in der Kärntner Industrie.

Das Kooperationsmodell von SAL zeichnet sich durch unbürokratische Umsetzung von Forschungsideen aus. Wie funktioniert das genau und wie können Sie die Kunden bei Projekten unterstützen?

Grundsätzlich ist es so, dass die Silicon Austria Labs in allen Bereichen arbeitet. Das heißt, wir schreiben mit dem Kunden gemeinsam einen Forschungsantrag, ob es bei der EU ist, ob es bei der österreichischen Förderagentur ist - das ist die eine Variante. Das Einzigartige bei der Silicon Austria Labs ist, dass es ein eigenes kofinanziertes Kooperationsmodell gibt. Da ist es so, dass der Kunde mit einer Problemstellung zu uns kommt oder wir auch mit einer Idee zum Kunden kommen. Der Kunde zahlt 25 Prozent der Kosten des gesamten Projektes in Cash, 25 Prozent arbeitet er mit im Projekt. Da geht es stark um den Kooperationsgedanken. Und dann ist es möglich, 50 Prozent des Volumens von den SALEigentümern zu bekommen. - also Bund, die Länder Oberösterreich, Kärnten und Steiermark und der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie. 

Gibt es einige Leuchtturmprojekte, die sie nennen können?

Ganz viele in jedem dieser Bereiche. Wir haben im letzten halben Jahr 70 Millionen Euro Projektvolumen in diesem speziellen Kooperationsmodell für die nächsten 4 Jahre unterschrieben – in Österreich aber auch international. Leuchtturmprojekte sind zum Beispiel die Tiny Power Box. Aber das eigentliche Asset dieses Kooperationsmodell ist, wenn mehrere Industriepartner entlang der Wertschöpfungskette miteinander arbeiten. In den Meetings kommen Materialhersteller, Equipmenthersteller, Komponentenhersteller und die Endanwender zusammen. Da wird dann wirklich diskutiert, was muss das Teil, was muss das Material können, damit der Endanwender zufrieden ist. Ich bin fest davon überzeugt, all diese Dinge können nur funktionieren, wenn eine Win-Win-Situation für alle kreiert wird. 

Wie funktioniert der Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis? 

Im Grunde geht es über diese Projekte. Der Erfolg meiner Innovation muss dann in der Industrie gemacht werden. Weil nur dann können wir diese in die Masse bringen. Ich bin mittlerweile selbst seit 13 Jahren in diesem Bereich und immer sehr angetan, wenn du das erste Mal die Produkte in die Fertigung bringst. Im Audi-Scheinwerfer zum Beispiel steckt die Technologie von Silicon Austria Labs drinnen, die in Bezug auf das Lichtsystem mit Osram entwickelt wurde. Oder vor 20 Jahren haben wir mit der AVL eine Laserzündung entwickelt, wo die Rechte zur Ariane gegangen sind und die Ariane 7/8 mit unserer Technologie fliegen wird. Ich bin überzeugt davon, dass auch unsere Mitarbeiter:innen wirklich stolz sind, wenn ihre Technologien dem Industriepartner helfen, erfolgreich zu sein.

Wie sehen Sie in Zukunft die Rolle von elektronikbasierten Systemen, vor allem im Hintergrund auf Industrie 4.0 oder Künstlicher Intelligenz?

Man wird zuerst Hardware und Software in irgendeiner Form verbinden müssen, um möglichst effizient zu sein. KI ist eine riesige Chance. Aber man muss sie natürlich auch so nutzen, dass es Sinn macht. Auf der anderen Seite müssen wir uns aber trotzdem die Frage der Nachhaltigkeit stellen. Ich glaube, man muss sich bei jedem einzelnen Komponenten, bei jedem einzelnen Detail überlegen: Wie mache ich das Ding nachhaltiger? Wir teilen uns alle die gleiche Erde. Und ich glaube, dass die Technologieentwicklung sehr stark mit dieser Vision der CO2-Reduktion und der Energieeffizienz einhergehen muss. Und ich glaube, das ist eigentlich das Asset dieser elektronikbasierten Systeme – und das muss man ganz bewusst leben. 

Welche visionären Ziele haben Sie für Silicon Austria Labs die kommenden Jahre? 

Das ist eigentlich ganz einfach: Ich möchte eines der Top Five Europäischen Forschungszentren im Bereich dieser elektronikbasierten Systeme werden.

Wie groß ist die Konkurrenz aus dem Ausland?

Das ist immer schwierig. In Wirklichkeit muss jeder seinen USP am europäischen Parkett finden - und besser noch weltweit. Und ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg. 

Welche Botschaft würden Sie gerne der Kärntner Industrie mit auf den Weg geben? 

Ich bin überzeugt davon, dass der Standort Österreich, der Standort Europa über 2 Sachen attraktiv sein kann: Das eine ist die Qualität und das zweite ist die Innovation. Der Industrie würde ich mitgeben: Fühlt euch eingeladen, macht Forschung, macht Innovation. Das ist einer der wichtigsten Budgetposten, die man vorsehen sollte. Weil nur über das kann man sich weiterentwickeln und sich für die Zukunft positionieren - und das ist das eigentliche Stärkefeld Europas. 

Nicht nur in der Industrie ist es schwierig, geeignete Mitarbeiter:innen zu bekommen. Wie gehen Sie da vor?

Die SAL ist mit 40 Nationen international aufgestellt und da tu ich mir ein bisschen leichter. Außerdem ist es so, gute Leute ziehen gute Leute an. Wir sprechen ein eigenes Netzwerk an. Wir sind sehr aktiv im Bereich der Universitätsabgänger. Das heißt, wir haben ein großes Netzwerk. Wir müssen aber unser Ökosystem aufwerten. Wenn wir mehr hochqualifizierte Leute in eine Region bringen, ist das für den Austausch unter den Unternehmen sehr vorteilhaft. Diese hoch ausgebildeten Leute bringen sehr oft auch andere mit in dieses Ökosystem. Darauf müssen wir in Kärnten setzen. Denn wir bieten einen super Lebensraum. Wir bieten Sicherheit, wir haben gute Schulen, wir haben eine gute Infrastruktur. Und dass die Infineon und die LAM so stark sind, ist sicher auch ein Vorteil. Mit der Koralmbahn wird diese Achse, die doch sehr halbleiterbasiert ist, einfach eine gute Entwicklung darstellen. 


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