Geschäftsstelle der Landesinnung Bau

Leitfaden "Diisocyanate am Bau"

Umgang mit Bauprodukten, die Diisocyanate enthalten

Lesedauer: 6 Minuten

13.09.2024

Die wichtigsten Fakten zum Umgang mit bestimmten Bauprodukten (z.B. Schäume, Klebstoffe oder Abdichtmassen), die in ihrer chemischen Zusammensetzung eine bestimmte Konzentration an Diisocyanaten enthalten:


1. Was sind Diisocyanate und wo können sie vorkommen?

Diisocyanate sind chemische Inhaltsstoffe, die z.B. in folgenden Bauprodukten vorkommen können:

  • flexible oder starre Schäume,
  • Klebstoffe,
  • Lacke,
  • Beschichtungen,
  • Abdichtmassen
  • Injektionsmittel (z.B. Harze).

Diisocyanate sind gesundheitsschädlich und können allergische Reaktionen bis hin zu Hautekzemen oder Asthma auslösen. Um dieses Risiko zu minimieren, ist auf sachgerechte Anwendung und entsprechende Schutzmaßnahmen zu achten. Ausgehärtete Diisocyanate sind ungefährlich.

2. Was ist bei Diisocyanaten neu geregelt?

Aufgrund des Europäischen Chemikalienrechtes (REACH) kommt es auch zu Neuerungen beim Inverkehrbringen und bei der Handhabung von Bauprodukten, welche Diisocyanate enthalten. Wenn in Bauprodukten 0,1 oder mehr Gewichtsprozente an Diisocyanaten enthalten sind, müssen die Verwender bzw. Verarbeiter dieser Bauprodukte ab 24. August 2023 eine Schulung absolviert haben. Dies gilt zusätzlich zur im ArbeitnehmerInnenschutz bereits bestehenden

  • Informations- und Unterweisungspflicht für gefährliche Arbeitsstoffe
  • Verpflichtung zum Ersatz dieser Produkte durch weniger gefährliche Arbeitsstoffe (sofern der Aufwand vertretbar ist, § 42 Abs. 3 ASchG)
  • Pflicht zum Treffen von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung (§ 43 Abs. 2 ASchG).

3. Wie finde ich heraus, ob Diisocyanate in verwendeten Bauprodukten enthalten sind?

Durch Angaben am Produkt und im Sicherheitsdatenblatt der Bauprodukte ist zu erfahren, ob Diisocyanate enthalten sind. Auf einem betroffenen Produkt muss auf der Verpackung − deutlich und von den übrigen Angaben am Kennzeichnungsetikett unterscheidbar – folgende Erklärung angebracht sein: "ab dem 24. August 2023 muss vor der industriellen oder gewerblichen Verwendung eine angemessene Schulung erfolgen."

Wenn der Gehalt an Diisocyanaten größer oder gleich 0,1 Gewichtsprozent ist, sind gemäß REACH entsprechende Schulungen vorzusehen. Diese Schulungen können im Rahmen der Unterweisung gemäß ASchG stattfinden.

4. Was ist bei der Verwendung von Bauprodukten mit Diisocyanaten zu beachten?

Hautkontakt und Einatmen sind unbedingt zu vermeiden, da es neben Hautreizungen zu Lungenerkrankungen kommen kann. Bei Verarbeitungen ohne Aerosolbildung (z.B. Schäume) und Verarbeitungstemperaturen bis 50°C im Freien und in Innenräumen sind Luftbelastungen durch die zumeist im Baubereich üblichen Diisocyanate zu vernachlässigen. Sollte es bei der Verarbeitung zu Aerosol-Bildung kommen, besteht jedoch erhebliche Gesundheitsgefahr.

5. Schulungsinhalte

Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass die Schulung von einer geeigneten Person durchgeführt wird. Diese auf den Gebieten der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz fachkundige Person weist auch ein ausreichendes chemisches Verständnis für die sichere Verwendung von Diisocyanaten auf. Ausreichend chemisches Verständnis beinhaltet die Fähigkeit, die erforderlichen Schulungsinhalte zu vermitteln. Fachkunde auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz kann z. B. bei Personen mit folgender Ausbildung als gegeben angenommen werden:

  • Sicherheitsfachkraft, Arbeitsmediziner ("Präventivfachkräfte")
  • Geeignete "Sonstige Fachleute" (gemäß § 82b ASchG) oder auch
  • Personen mit einer Ausbildung, die Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit beinhaltet, wie eine Sicherheitsvertrauensperson (SVP)
  • Aufsichtspersonen gemäß § 4 BauV

Die Schulung kann durch Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder externe Personen erfolgen, wenn diese über die notwendigen Kenntnisse verfügen. Für die Schulung können auch Online-Schulungen genutzt werden. Die Vermittlung der erforderlichen Schulungsinhalte kann im Rahmen der Unterweisung erfolgen.

6. Weitere Informationen


Unterweisungshilfe und Schulungsinhalte

Anhang zum Leitfaden "Diisocyanate am Bau" von Geschäftsstelle Bau und Bundesinnungsgruppe Baunebengewerbe

Einleitung:

Die vorliegende Übersicht kann als Grundlage für eine Schulung zum Thema Diisocyanate gemäß REACH-Verordnung dienen. Eine Schulung der Verarbeiter ist erforderlich, wenn Diisocyanate mit einem Gewichtsanteil von 0,1 % oder mehr zum Einsatz kommen (dies muss am Bauprodukt gekennzeichnet sein). Die Schulung kann online absolviert werden. Weiters kann die Schulung auch im Rahmen der notwendigen Unterweisung durchgeführt werden. Bei der Schulung ist auch der "erfolgreiche Abschluss" zu dokumentieren. Mit den nachfolgenden Schulungsinhalten sind die Teile a) und b) der REACH-Verordnung abgedeckt.

Zur nachfolgenden Tabelle:

Auswertungen von Produktdaten zeigen, dass Diisocyanat in der Bauwirtschaft hauptsächlich in Form von "MDI" vorkommt. Daher sind die nachfolgenden Inhalte auf dieses Diisocyanat ausgerichtet. Werden Produkte mit anderen Diisocyanaten eingesetzt, muss die Schulung angepasst oder die Online-Schulung der Hersteller besucht werden.

Die Produkte enthalten häufig noch weitere gefährliche Inhaltsstoffe wie Lösemittel. Diese Gefährdung wird in diesen Unterlagen nicht berücksichtigt. Die zusätzlichen Gefährdungen sind Bestandteil der Unterweisung.

Die Schulungen dürfen laut Verordnung auch online durchgeführt werden; wobei darauf hingewiesen wird, dass der "erfolgreiche Abschluss" der Schulung dokumentiert werden muss.

InhaltText der REACH-Beschränkung
plus Hinweis Schulung / Unterweisung

Diisocyanate sind chemisch sehr reaktiv und reagieren z.B. mit Wasser (einkomponentige
Produkte) oder mit bestimmten Alkoholen (zweikomponentige Produkte) zu Polyurethanen (z.B. PU-Schaum und Beschichtungen) aber auch mit körpereigenen Substanzen.

  • chemische Eigenschaften der Diisocyanate
→ Schulung

Diisocyanate sind relativ große chemische Bausteine (Moleküle) und werden als Feststoffe oder Flüssigkeiten eingesetzt. Zumeist verwendet man Diisocyante in unterschiedlichen Konzentrationen. Teilweise enthalten die Produkte auch noch Lösungsmittel.

Viskosität, Temperatur und Molekulargewicht von Diisocyanaten

→ Schulung

Die gefährlichsten Nebenwirkungen des in der Bauwirtschaft meist verwendeten Diisocyanat sind das Hervorrufen von Asthma und Hautallergien. Es gibt Hinweise, dass die asthmatischen Erkrankungen sowohl durch das Einatmen als auch durch den Hautkontakt ausgelöst werden können. Wenn ein Asthma oder eine Allergie besteht, reagiert der Körper bei jedem weiteren Kontakt mit Hautausschlag oder Atemwegsproblemen. Meist muss die betroffene Person dann die Tätigkeit aufgeben.
Darüber hinaus können die Diisocyanate die Haut und die Atemwege reizen und Organe schädigen. MDI ist beim Einatmen gesundheitsschädlich.
Das in der Bauwirtschaft im wesentlichen verwendete Diisocyanat verdampft sehr langsam. Das bedeutet, dass der MAK-Wert (Maximale Arbeitsplatzkonzentration) unter normalen Bedingungen eingehalten wird.
Werden die Produkte erwärmt oder gespritzt, kann eine Überschreitung der Grenzwerte nicht ausgeschlossen werden.
Daher besteht die Hauptgefährdung durch Hautkontakt, der unbedingt vermieden werden muss.

  • Toxizität (einschließlich akuter Toxizität)
  • Ursachen von Sensibilisierung
  • Risiko einer Exposition durch Hautkontakt und Einatmen
  • Arbeitsplatzgrenzwerte

→ Schulung

Je leichter etwas verdampft, desto eher kommt es zur Belastung der Luft und der Atemwege. In der Bauwirtschaft ist normalerweise eine Belastung nur bei höheren Verarbeitungs- Temperaturen (höher als 70°, also deutlich über Raumtemperatur) oder beim Spritzen entscheidend. Daher gilt es vorwiegend, den Hautkontakt zu vermeiden.
Achtung: Der Geruch von Chemikalien sagt wenig über die Gefahr aus!

  • Risikorelevanz der Flüchtigkeit
  • Exposition gegenüber Diisocyanaten
  • Geruch als Indikator für Gefahren

→ Schulung

Hier gilt, dass der Kontakt mit der Haut unbedingt vermieden werden muss. Also ein Verschmieren mit den Händen ist auszuschließen. Wenn dennoch Hautkontakt passiert, sind die betroffenen Stellen umgehend mit Wasser und einem Reinigungsmittel zu reinigen. Dabei dürfen keine Lösemittel oder Verdünner eingesetzt werden. Mit Diisocyanat verunreinigte Arbeitskleidung ist zu wechseln. Essen, Trinken und Rauchen ist am Arbeitsplatz verboten.
Es sind geeignete Handschuhe zu verwenden. Diese sind im Sicherheitsdatenblatt angegeben (in der Bauwirtschaft reichen dafür üblicherweise Nitrilhandschuhe aus). Bei kurzer Anwendungsdauer können auch angenehmere, dünnere Handschuhe reichen. Mit Diisocyanaten verunreinigte Handschuhe sind nicht nochmals einzusetzen. Das kontaminationsfreie An- und Ausziehen ist zu zeigen und durch die Anwendenden zu üben. Die Durchbruchszeiten der Handschuhe sind zu berücksichtigen!
Im Bereich des Baugewerbe und des Baunebengewerbes sind im Normalfall Luftbelastungen nicht vorhanden und daher ist kein Atemschutz notwendig.

  • persönlicher Hygiene
  • erforderliche persönliche Schutzausrüstung einschließlich praktischer
  • Anweisungen bezüglich ihrer sachgemäßen Verwendung und ihrer Grenzen
  • Maßnahmen zum Hautschutz und zum Schutz beim Einatmen
  • Risiko in Bezug auf den eingesetzten Anwendungsprozess

→ Unterweisung

Zusätzliche Lüftungsmaßnahmen sind im Bau und im Baunebengewerbe im Normalfall nicht nötig.
Die Reinigung von Gegenständen erfolgt nach der Aushärtung, um eine Kontamination zu
verhindern. Sollte der Inhalt der Dose austreten, soll gewartet werden bis das Produkt ausgehärtet ist. Nicht verwertbare Reste sind auszuhärten. Leere Gebinde sind entsprechend der Baustellenregelungen zu entsorgen.
Nach Verschütten mit saugfähigem, unbrennbarem Material (z.B. Kieselgur, Blähglimmer, Sand) aufnehmen und wie unter Entsorgung beschrieben behandeln.
Verunreinigte Flächen und Arbeitsgeräte sofort reinigen!
Es ist Sorge zu tragen, dass auch umstehende Personen keinen Hautkontakt haben.
  • Belüftung
  • Reinigung, Leckage, Wartung
  • Entsorgung leerer Verpackungen
  • Schutz umstehender Personen
→ Unterweisung und Schulung

Bei Wechsel des eingesetzten diisocyanathaltigen Produktes oder des Verfahrens bei der Anwendung, muss die Schulung angepasst werden.

  • weitere verhaltensbezogene Aspekte, Instandhaltung, Änderungsmanagement
→ Schulung
Die geschulten und unterwiesenen Inhalte müssen überprüft werden – etwa durch
regelmäßiges Beobachten der Anwender.
  • Bewertung bestehender Sicherheitsanweisungen
  • Risiko in Bezug auf den eingesetzten Anwendungsprozess
Schulung

Wichtigste Botschaften zum Umgang mit Diisocyanaten:

  • Der Hautkontakt mit Diisocyanaten ist gefährlich und unbedingt zu vermeiden!
  • Nur von ausgehärten Diisocyanaten gehen keine Gefahren mehr aus.