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Finanzdienstleister, Fachvertretung

Praxisfragen zu Sustainable Finance

Zu Ihrer Unterstützung haben wir Antworten auf die unten stehenden Fragen erarbeitet

Lesedauer: 37 Minuten

22.10.2024

Seit 10. März 2021 gilt für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, darunter Wertpapierunternehmen, die Anlageberatung und Portfolioverwaltung erbringen, die Offenlegungs-Verordnung [1] (auch Disclosure-Verordnung oder SFDR genannt).

Am 2. August 2021 hat die Europäische Kommission die Änderungen der delegierten Verordnung[2] und Richtlinie[3] betreffend MIFID II sowie der delegierten Verordnung[4] betreffend IDD veröffentlicht. Darin konkretisiert die Kommission die Regelungen für den Vertrieb von nachhaltigen Finanzprodukten und Versicherungsprodukten. Wertpapierunternehmen, die Anlageberatung oder Portfolioverwaltung erbringen, sowie Versicherungsvermittler, die die Beratung über Versicherungsanlageprodukte erbringen, sollen ab 2. August 2022 die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abfragen und im Rahmen der Eignungsbeurteilung zwingend berücksichtigen.

Haben Sie noch Fragen? Dann schicken Sie uns ein Mail an finanzdienstleister@wko.at
Wir werden diese gerne beantworten.

Die Antworten sind in Bezug auf Wertpapierunternehmen mit der FMA abgeklärt.
Die Antworten in Bezug auf die Versicherungsvermittler sind nicht mit der FMA abgestimmt, da die FMA nicht die zuständige Behörde für die Beaufsichtigung von Versicherungsvermittlern ist.

[1] Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.

[2] Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in bestimmte organisatorische Anforderungen und Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit von Wertpapierfirmen.

[3] Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269 zur Änderung der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 durch Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die Produktüberwachungspflichten.

[4] Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 zur Änderung der Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen an Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber sowie in die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln.


Inhalt:

1. Thema Offenlegungs-Verordnung

1.1 Allgemeines zur Offenlegungs-Verordnung

Frage 1. Wer ist von der Offenlegungs-Verordnung betroffen?

Antwort: Die Offenlegungs-Verordnung sieht umfassende Offenlegungspflichten für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu Nachhaltigkeitsrisiken und nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen vor.

Frage 2. Wer ist Finanzmarktteilnehmer?

Antwort: "Finanzmarktteilnehmer" gemäß Art 2 Nr. 1 Offenlegungs-Verordnung sind:

  • Versicherungsunternehmen, die ein Versicherungsanlageprodukt (IBIP) anbieten,
  • Wertpapierfirmen und Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung erbringen,
  • AIF- und OGAW-Verwaltungsgesellschaften,
  • Verwalter von qualifizierten Risikokapitalfonds und von qualifizierten Fonds für soziales Unternehmertum,
  • Hersteller von Altersvorsorgeprodukten,
  • Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge und Anbieter von PEPP

Frage 3. Handelt es sich bei der Auslagerung einer Verwaltung durch eine UCITS-Gesellschaft auf eine Wertpapierfirma aus Sicht der Wertpapierfirma um eine Portfolioverwaltung gemäß Art 2 Nr. 1 Offenlegungs-Verordnung?

Antwort: Ja.

Frage 4. Wer ist Finanzberater?

Antwort: "Finanzberater" gemäß Art. 2 Nr. 11 Offenlegungs-Verordnung sind:

  • Versicherungsvermittler, die Versicherungsberatung für IBIP erbringen,
  • Versicherungsunternehmen, die Versicherungsberatung für IBIP erbringen,
  • Kreditinstitute, die Anlageberatung anbieten,
  • Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten,
  • AIFM, die Anlageberatung anbieten und
  • OGAW-Verwaltungsgesellschaften, die Anlageberatung anbieten.

Auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die als juristische Personen Anlageberatung anbieten, fallen unter den Begriff des Finanzberaters.

Frage 5. Fallen Finanzinstrumente/Versicherungsanlageprodukte, die vor dem 10. März 2021 erstellt worden sind, in den Anwendungsbereich der Offenlegungs-Verordnung?

Antwort: Finanzinstrumente/Versicherungsanlageprodukte, die vor dem 10. März 2021 (Anwendbarkeit der Offenlegungs-Verordnung) erstellt worden sind und an oder nach diesem Datum noch verfügbar sind, fallen in den Anwendungsbereich der Offenlegungs-Verordnung. Finanzinstrumente/Versicherungsanlageprodukte, die ab dem 10. März 2021 nicht mehr verfügbar waren, fallen auch rückwirkend in den Anwendungsbereich der Offenlegungs-Verordnung, allerdings nur, wenn sie als Art. 8 und/oder Art. 9 Produkte klassifiziert werden.[5]

[5] Commission Decision of 13.5.2022, C(2022) 3051 final iVm Annex: Question related to Regulation (EU) 2019/2088 of the European Parliament and of the Council of 27 November 2019 on sustainability‐related disclosures in the financial services sector (Sustainable Finance Disclosure Regulation 2019/2088), Seite 6.

Frage 6. Welche Pflichten sind zu erfüllen?

Antwort: Eine Übersicht über die Pflichten gemäß Offenlegungs-Verordnung finden Sie in der Checkliste innerhalb unseres Artikels.

Frage 7. Gibt es Orientierungshilfen, wie die Pflichten erfüllt werden können?

Antwort: Der Fachverband Finanzdienstleister hat eine unverbindliche Beispielsammlung zur Erfüllung der Pflichten gemäß Art. 3, 4 und 5 Offenlegungs-Verordnung veröffentlicht.

1.2 Ausnahmen gemäß Art 17 Offenlegungs-Verordnung

Frage 8. Welche Betriebe sind gemäß Art 17 Offenlegungs-Verordnung von den Pflichten ausgenommen?

Antwort: Folgende Unternehmen sind gemäß Art. 17 Abs. 1 Offenlegungs-Verordnung von der Anwendung der Verordnung ausgenommen:

  • "kleine" Versicherungsvermittler, die Beratung von IBIP anbieten sowie
  • "kleine" Wertpapierfirmen, die lediglich Anlageberatung anbieten,

soweit sie – unabhängig von der Rechtsform - weniger als drei Personen beschäftigen.

Frage 9. Was versteht man unter dem Begriff "beschäftigte Person"?

Antwort: Der Begriff der "beschäftigten Person" wird in der Offenlegungs-Verordnung nicht näher ausgeführt. Laut EK und ESMA zählt jede im Unternehmen tätige Person, egal in welchem Stundenausmaß diese beschäftigt ist, d.h. auch Teilzeitmitarbeiter, als eine "volle" beschäftigte Person.[6]

[6] Commission Decision of 13.5.2022, C(2022) 3051 final iVm Annex: Question related to Regulation (EU) 2019/2088 of the European Parliament and of the Council of 27 November 2019 on sustainability‐related disclosures in the financial services sector (Sustainable Finance Disclosure Regulation 2019/2088), Seite 5.

Frage 10. Welche MitarbeiterInnen sind als beschäftigte Personen zu qualifizieren?

Antwort: Beschäftigte Personen sind nicht nur an der Vermittlung bzw. Beratung mitwirkende Personen, sondern sämtliche MitarbeiterInnen (siehe Frage 9) des betroffenen Unternehmens (d.h. z.B. auch Reinigungskräfte oder Back-Office-Personal).

Frage 11. Wie ist der Geschäftsführer zu behandeln?

Antwort: Der Geschäftsführer oder mitarbeitende Eigentümer bzw. Teilhaber zählt als beschäftigte Person.

Frage 12. Fallen selbständige Vermittler unter den Begriff "beschäftigte Person"?

Antwort: Nein, da selbständige Vermittler nach nationalem Recht keine Arbeitnehmer sind (im Hinblick auf vgV und WPV siehe § 36 Abs. 8 und § 37 Abs. 9 WAG 2018).

Frage 13. Fallen ausgelagerte Tätigkeiten unter den Begriff "beschäftigte Person"? Ist auf eine bestimmte ausgelagerte Tätigkeit abzustellen, um eine Beurteilung vornehmen zu können?

Antwort: Ausgelagerte Tätigkeiten fallen nur unter den Begriff "beschäftigte Person", wenn die Tätigkeit durch MitarbeiterInnen (siehe Frage 9) des betroffenen Unternehmens erbracht wird.

1.3 Sonstige Fragen betreffend Offenlegungs-Verordnung

Frage 14. Ein AIFM mit Sitz in Österreich verwaltet einen Nicht-EU-AIF, der allerdings geschlossen ist und nicht vermarktet wird. Dieser AIF ist kein Art. 8- oder Art. 9-Produkt im Sinne der Offenlegungs-VO. Der AIFM hat sich dafür entschieden, nachteilige Auswirkungen im Sinne von Art. 4 der VO nicht zu berücksichtigen. Welche Pflichten sind anzuwenden?

Antwort: Auf den AIFM finden die Offenlegungspflichten auf Unternehmensebene gemäß den Art. 3, 4 und 5 Anwendung. Die Offenlegungspflichten auf Produktebene sind im konkreten Fall nicht anwendbar.

2. Thema: Delegierte Rechtsakte zu MIFID II 8

Frage 15. Wo sind die Vorschriften betreffend Nachhaltigkeit iZm MiFID II geregelt und ab wann sind die Vorschriften anwendbar?

Antwort: Am 2. August 2021 hat die Europäische Kommission die delegierte Verordnung (EU) 2021/1253 und die delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269 zu MIFID II veröffentlicht. Die delegierte Verordnung konkretisiert die Regelungen der delegierten Verordnung (EU) 2017/565 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in organisatorische Anforderungen und Bedingungen im Rahmen der Tätigkeit von Wertpapierunternehmen. Die delegierte Verordnung ist ab 2. August 2022[7] anwendbar. Die delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269 regelt die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die Produktüberwachungspflichten von Finanzinstrumenten. Sie ist in nationales Recht umzusetzen und grundsätzlich ab 22. November 2022[8] anwendbar.

[7] Art. 2 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253.

[8] Art. 2 Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269.

Frage 16. Wen betreffen die neuen Vorschriften betreffend die Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Eignungsbeurteilung?

Antwort: Die Vorschriften betreffen Anlageberater und Portfolioverwalter. Sämtliche Vorschriften beziehen sich explizit auf die Eignungsbeurteilung. Nachdem eine Eignungsbeurteilung für die Wertpapierdienstleistung der Anlageberatung und der Portfolioverwaltung relevant ist, sind von den Vorschriften Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Anlageberatung anbieten, und Wertpapierfirmen, die Portfolioverwaltung erbringen, sowie deren Erfüllungsgehilfen betroffen. Im Sinne einer besseren Lesbarkeit verwenden wir im Folgenden die Begriffe "Anlageberater" und "Portfolioverwalter".

Frage 17. Ab wann haben Anlageberater und Portfolioverwalter die neuen Vorschriften betreffend die Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Eignungsbeurteilung einzuhalten?

Antwort: Die neuen Vorschriften sind ab 2. August 2022 anzuwenden. Ab diesem Datum müssen Anlageberater und Portfolioverwalter diese beim nächsten Erbringen einer Wertpapierdienstleistung (siehe Frage 18) einhalten.

Frage 18. Ab bzw. bis wann müssen Anlageberater und Portfolioverwalter die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erstmals abfragen?

Antwort: Für die Bestimmung, welcher Zeitpunkt für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen relevant ist, muss einerseits zwischen Anlageberatung und Portfolioverwaltung und andererseits zwischen Bestands- und Neukunden unterschieden werden:

  • Anlageberatung (Bestandskunden): Bei Bestandskunden ohne Neugeschäft haben Anlageberater die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Bestandskunden erstmals beim nächsten Erbringen einer Beratungsdienstleistung abzufragen. In der Praxis bedeutet das, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der regelmäßigen Aktualisierung von Kundenprofilen bzw. von vorhandenen Eignungsbeurteilungen sowie im Rahmen einer erneuten Anlageberatung iZm Neuinvestitionen und Umschichtungen erhoben werden.[9]
    Dies kann beispielsweise in Form eines persönlichen Beratungsgesprächs mit dem Kunden oder mittels Übermittlung eines Fragebogens (per E-Mail, per Post) erfolgen.[10]
  • Portfolioverwaltung (Bestandskunden): Portfolioverwalter müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Bestandskunden bis spätestens 2. August 2022, abfragen.
    Dies kann beispielsweise in Form eines persönlichen Beratungsgesprächs mit dem Kunden oder mittels Übermittlung eines Fragebogens (per E-Mail, per Post) erfolgen.[11]
  • Anlageberatung/Portfolioverwaltung (Neukunden): Für Neukunden gilt sowohl für die Anlageberatung als auch für die Portfolioverwaltung, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen gemäß den neuen Vorschriften verpflichtend abzufragen sind, wenn der Erstkontakt mit einem potenziellen Neukunden am oder ab dem 2. August 2022 stattfindet.[12]

[9] Erwägungsgrund 4 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253.

[10] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 5, Ziffer 54.

[11] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 5, Ziffer 54.

[12] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 5, Ziffer 55.

Frage 19. In welchen Abständen müssen Anlageberater und Portfolioverwalter die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden aktualisieren?

Antwort: Nachhaltigkeitspräferenzen sind als Teil der Eignungsbeurteilung sind im Rahmen der üblichen Aktualisierung von Kundenprofilen/KYC-Daten anzupassen. Zusätzlich sollten Kunden in den Dokumenten darauf hingewiesen werden, dass Änderungen der Nachhaltigkeitspräferenzen von sich aus unverzüglich bekanntzugeben sind.

Frage 20. Müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden auch dann abgefragt werden, wenn die Finanzinstrumente, die dem Kunden empfohlen werden, nicht unter die Definition des Finanzproduktes gemäß Offenlegungs-Verordnung fällt?

Antwort: Anlageberater oder Portfolioverwalter müssen im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit Nachhaltigkeitsfaktoren abfragen, auch wenn die Finanzinstrumente, die sie dem Kunden empfehlen, nicht unter die Definition des Finanzproduktes gemäß Art 12 Nummer 12 Offenlegungs-Verordnung fallen. Das bedeutet, dass auch bei Finanzinstrumenten wie z.B. Aktien und Bonds die Nachhaltigkeitspräferenzen abgefragt werden müssen.[13]

[13] Commission Decision of 13.5.2022, C(2022) 3051 final iVm Annex: Question related to Regulation (EU) 2019/2088 of the European Parliament and of the Council of 27 November 2019 on sustainability‐related disclosures in the financial services sector (Sustainable Finance Disclosure Regulation 2019/2088), Seite 2.

Frage 21. Müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden auch dann abgefragt werden, wenn der Anlageberater oder der Portfolioverwalter gar keine Finanzinstrumente mit nachhaltigkeitsbezogenen Merkmalen anbietet?

Antwort: Selbst wenn Anlageberater/Portfolioverwalter zum Zeitpunkt der Informationserhebung beim Kunden keine Finanzprodukte in ihrer Produktpalette haben, die den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entsprechen, müssen dennoch alle Informationen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen erhoben werden. In einem solchen Fall sollte deutlich darauf hingewiesen werden, dass derzeit keine Produkte verfügbar sind, die den Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechen. Nach Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen kann dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, seine genannten Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen. Dies sollte im Eignungsbericht dokumentiert werden.[14]

[14] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 8, Ziffer 34.

Frage 22. Ist es für den Anlageberater/Portfolioverwalter ausreichend, wenn der Kunde ihm versichert, dass er weiß, was "Nachhaltigkeit" bedeutet?

Antwort: Nur, weil ein Kunde angibt, die Begriffe zu verstehen und zu wissen, was "Nachhaltigkeit" bedeutet, heißt das nicht, dass der Anlageberater/  Portfolioverwalter blind darauf vertrauen darf und von seinen Aufklärungspflichten befreit ist. Wenn der Kunde nämlich von einem falschen Verständnis dieser Begriffe ausgeht, könnte dies im schlimmsten Fall zu einem Beratungsfehler und folglich zu einer Beraterhaftung führen. Zudem verlangt die ESMA, dass der Kunde über die verschiedenen Elemente der Definition von Nachhaltigkeitspräferenzen sowie zwischen diesen Produkten und Produkten ohne solche Nachhaltigkeitsmerkmale klar und deutlich aufgeklärt wird. Es ist außerdem zu erklären, was ökologische, soziale und Governance-Aspekte bedeuten. Es können daher weitere Fragen in den Beratungsprozess eingebunden werden, um das Verständnis des Kunden abzufragen. Beispielsweise kann näher auf die Begriffe ESG-Kriterien, Nachhaltigkeitsrisiken etc. eingegangen werden.[15]

[15] Damit (potenzielle und bestehende) Kunden die verschiedenen Nachhaltigkeitsgrade verstehen und mit Blick auf die Nachhaltigkeit fundierte Anlageentscheidungen treffen können, sollten Anlageberater/Portfolioverwalter erklären (können), wie sich nachhaltige Finanzinstrumente (gemäß Taxonomie- und/oder Offenlegungs-Verordnung) sowie Finanzinstrumente, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden, von jenen Finanzinstrumenten unterscheiden, die diese besonderen Merkmale nicht aufweisen (siehe Erwägungsgrund 6 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253). Siehe dazu auch "Informationsblatt zur Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen (für Kunden)" auf www.wko.at/finanzdienstleister.

Frage 23. Wie müssen Anlageberater und Portfolioverwalter die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Eignungsbeurteilung durchführen?

Antwort: Anlageberater/Portfolioverwalter[16] müssen, nachdem die Kriterien Kenntnisse und Erfahrungen, finanzielle Situation und sonstige Anlageziele gemäß § 56 WAG 2018 erhoben wurden, ab 2. August 2022 im Zuge der Anlageberatung bzw. Beratung/Eignungsbeurteilung im Hinblick auf die Portfolioverwaltung zusätzlich noch die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer vorhandenen und potenziell neuen Kunden abfragen.[17]

Für diese Abfrage der Nachhaltigkeit stehen drei Kategorien zur Wahl (siehe Frage 24). Der Kunde kann aus diesen drei Kategorien frei wählen, ist aber auf diese drei begrenzt. Dabei kann der Kunde entweder eine Kategorie oder eine Kombination aus mehreren Kategorien wählen.[18]

[16] Die Verpflichtung zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen betrifft Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten bzw. Portfolioverwaltung erbringen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Anlageberatung anbieten, sowie deren angebundene Vermittler (vgV oder WPV).

[17] Art. 54 Abs. 2 Buchstabe a neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/565.

[18] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 2, Ziffer 25.

Frage 24. Wie muss die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden ablaufen? (Schritt 1: Der Kunde wählt aus drei Kategorien an Finanzinstrumenten aus)

Antwort: Die Verpflichtung zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen besteht unmittelbar ab dem Erstkontakt mit dem Kunden. Hier reicht es in Zukunft nicht mehr aus, den Kunden zu fragen, ob er ein Finanzinstrument wünscht, das "nachhaltig" ist. Vielmehr muss der Anlageberater/Portfolioverwalter die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden (den "Grad" der Nachhaltigkeit) genau ermitteln. Anlageberater und Portfolioverwalter müssen explizit abfragen, ob und in welchem Ausmaß eines der folgenden Finanzinstrumente für den Kunden in seine Anlage einbezogen werden soll. Der Kunde kann eine oder mehrere Kategorien wählen.

  1. Möchte der Kunde in ökologisch nachhaltige Finanzinstrumente investieren (Kategorie a)?[19]
    Diese Investitionsmöglichkeit umfasst Finanzinstrumente bzw. im Rahmen der Portfolioverwaltung Investitionen in Finanzinstrumente, die gemäß der Taxonomie-Verordnung als ökologisch nachhaltig [20] gelten, d.h. eines oder mehrere der folgenden Umweltziele[21]  verfolgen: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
    oder
  2. Möchte der Kunde in (ökologisch, sozial und unternehmerisch) nachhaltige Finanzinstrumente investieren (Kategorie b).
    Diese Investitionsmöglichkeit umfasst Finanzinstrumente bzw. im Rahmen der Portfolioverwaltung Investitionen in Finanzinstrumente, die gemäß Art. 2 Z 17 Offenlegungs-Verordnung[22] als "nachhaltig" gelten, d.h." nachhaltige Investitionen" anstreben (damit sind die ESG-Kriterien[23] - Umwelt, Soziales, gute Unternehmensführung - gemeint).
    oder
  3. Möchte der Kunde in Finanzinstrumente investieren, bei denen aber die für den Kunden wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden. Zu beachten ist, dass die qualitativen oder quantitativen Elemente, mit denen diese Berücksichtigung nachgewiesen werden, vom Kunden oder potenziellen Kunden bestimmt werden (Kategorie c).
    Als Nachhaltigkeitsfaktoren gelten[24]: Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Die qualitativen[25] und quantitativen[26] Parameter, die für die Bestimmung der nachteiligen Auswirkungen auf diese Nachhaltigkeitsfaktoren herangezogen werden, müssen Sie in einem nächsten Schritt selbst bestimmen.[27]

Bei der Auswahl aus diesen drei Kategorien muss folgendes beachtet werden: 

  • Der Kunde kann eine Kategorie wählen, aber auch eine Mehrfachauswahl muss dem Kunden ermöglicht werden. Wählt der Kunde mehrere Kategorien aus, so können Produkte einbezogen und empfohlen werden, die zumindest einer Kategorie entsprechen. 
  • Will der Kunde, dass ein Finanzinstrument mehrere Kategorien kumuliert erfüllt (z.B. ein Instrument, dass sowohl ökologisch nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Verordnung als auch sozial nachhaltig im Sinne der Offenlegungs-Verordnung ist), so muss er dies dem Berater mitteilen und der Berater darf ihm nur Produkte empfehlen, die die gewählten Kategorien kumulativ erfüllen.
  • In einem nächsten Schritt ist nach Mindestanteilen zu fragen (siehe Frage 25).

[19] Art. 2 Nr. 7 Buchstabe a neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 iVm Erwägungsgrund 6 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253.

[20] Art. 2 Nr. 1 Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088.

[21] Art. 9 Verordnung (EU) 2020/852.

[22] Art. 2 Nr. 17 Verordnung (EU) 2019/2088 iVm Art. 2 Nr. 7 Buchstabe b neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 iVm Erwägungsgrund 6 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253.

[23] Die Bezeichnung "ESG" steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

[24] Art. 2 Nr 24 Verordnung (EU) 2019/2088.

[25] Zur qualitativen Bestimmung können Ausschlussstrategien sowie Faktoren wie z.B. Kontroverse Unternehmenspolitik oder die Wahrnehmung von Vertretungsstimmrechten auf Hauptversammlungen herangezogen werden. Siehe ESMA35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 2, Ziffer 26, 7. Absatz.

[26] Zur quantitativen Bestimmung können diverse PAI Faktoren (Principal Adverse Impact Faktoren) oder Kennzahlen gem. der RTS (Regulatory Technical Standards) herangezogen werden. Siehe ESMA35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 2, Ziffer 26, 6. Absatz.

[27] Art. 2 Nr. 7 Buchstabe c neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 iVm Erwägungsgrund 6 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253.

Frage 25. Wie muss die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden ablaufen? (Schritt 2: Bestimmung eines Mindestanteils)

Durch die Auswahl von Kategorie a) oder b) gibt der Kunde als Nachhaltigkeitspräferenz an, dass bei der Anlageberatung bzw. im Rahmen der Portfolioverwaltung Finanzinstrumente berücksichtigt werden sollen, die als "ökologisch nachhaltig" (Kategorie a) oder als nachhaltig (Kategorie b) gelten. Anschließend ist nach Mindestanteilen zu fragen.[28] Dabei können vom Anlageberater/Portfolioverwalter Mindestanteile bereits im Vorhinein definiert werden. Der Kunde muss aber jedenfalls die Möglichkeit haben, einen individuellen Mindestanteil selbst festzulegen.

Der Kunde soll darauf hingewiesen werden, dass der Begriff "Mindestanteil" bedeutet, dass der tatsächliche Anteil an nachhaltigen Investitionen entweder diesen Mindestanteil erfüllt oder auch (deutlich) höher sein kann. Er darf eben nur nicht darunter liegen. Sollte der Kunde individuelle Präferenzen oder Bandbreiten angeben, sind diese zu berücksichtigen bzw. ist der Kunde entsprechend aufzuklären.

Außerdem sollten diese Werte dem Kunden auf neutrale Weise präsentiert werden und ausreichend granular sein. Die Auswahl dieser Werte sollte nachvollziehbar sein und es muss dem Kunden dargelegt werden können, worin die Vor- und Nachteile der Werte liegen. Sinnvoller Weise sollten vom Anlageberater/Portfolioverwalter nur Mindestanteile vorgeschlagen werden, die auch zu ihren Produktportfolios passen.

Diese Mindestanteile knüpfen laut der Delegierten Verordnung zur MiFID II an den einzelnen Finanzinstrumenten an. Es wird daher von den Beratern verlangt, zu fragen, wie groß der Mindestanteil nachhaltiger Investitionen je Finanzinstrument sein soll.

Die Delegierte Verordnung weicht hier somit von der Offenlegungs-Verordnung sowie der Taxonomie-Verordnung ab, die lediglich Finanzprodukte erfasst (der Begriff des Finanzinstruments ist weiter). Bei Finanzprodukten (verwaltete Wertpapierportfolios, Investmentfonds (OGAW), alternative Investmentfonds (AIF), Versicherungsanlageprodukte (IBIPs), Paneuropäische Private Pensionsprodukte (PEPPs) sowie Altersvorsorgeprodukte und -systeme) ist ein Mindestanteil in nachhaltigen Investitionen vom Produkthersteller zu veröffentlichen und die Einbeziehung entsprechender Anteile daher einfacher möglich.

Bei anderen Finanzinstrumenten, z.B. Anleihen oder Aktien, wird es für gewöhnlich einen derartigen "Mindestanteil" nicht geben, weil diese Produkte entweder "ökologisch nachhaltig" bzw. "nachhaltig" sind oder nicht. Trotzdem ist nach der Delegierten Verordnung zur MiFID II bei jeglichen Finanzinstrumenten nach einem Mindestanteil zu fragen.

Dabei ist mit dem Kunden zu klären, ob der Mindestanteil

  • je einbezogenes Finanzinstrument,
  • durchgerechnet für den zu veranlagenden Geldbetrag oder 
  • für das Gesamtportfolio gilt.

Im Hinblick auf die damit in Zusammenhang stehenden zusätzlichen Kosten durch die Umschichtung (z.B unmittelbare KESt-Belastung, realisierte Verluste usw.) sollte der Kunde zusätzlich noch festlegen, ab wann bzw. bis wann dieser Mindestanteil in seinem Portfolio berücksichtigt werden soll. Wünscht der Kunde eine sofortige Umsetzung seiner Nachhaltigkeitspräferenzen, muss er vor der Ausführung jedenfalls über etwaige Nachteile schriftlich aufgeklärt werden.

[28] ESMA35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 2, Ziffer 25.

Frage 26. In welcher Reihenfolge muss die Abfrage der Kundenpräferenzen während des Beratungsgesprächs erfolgen?

Antwort: Die Eignungsbeurteilung soll als Zwei-Stufen-Modell erfolgen.[29] In einem ersten Schritt sollen Anlageberater und Portfolioverwalter mit ihren Kunden die bisherige Eignungsbeurteilung gemäß § 56 WAG 2018 (Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, finanzielle Verhältnisse, Anlageziele usw.) durchführen.[30] Erst in einem zweiten Schritt soll der Kunde nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden.[31]

Die bisherige Eignungsbeurteilung gemäß § 56 WAG 2018 soll nicht durch die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden vorab schon in eine spezielle Richtung gelenkt werden.[32]

Die Informationen über die Anlageziele des Kunden bzw. potenziellen Kunden umfassen – soweit relevant – Informationen über den Zeitraum, in dem der Kunde die Anlage zu halten gedenkt, seine Präferenzen hinsichtlich des einzugehenden Risikos, seine Risikotoleranz, den Zweck der Anlage und zusätzlich seine Nachhaltigkeitspräferenzen.

[29] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 8, Ziffer 79.

[30] Art. 54 Abs. 5 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 iZm Erwägungsgrund 5 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253 iVm ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 8, Ziffer 79.

[31] Erwägungsgrund 5 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253 iVm ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 8, Ziffer 79.

[32] Erwägungsgrund 5 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253.

Frage 27. Wie müssen Anlageberater und Portfolioverwalter vorgehen, wenn der Kunde zu seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragt wird, dieser aber keine Antwort gibt?

Antwort: Anlageberater und Portfolioverwalter müssen den Kunden im Rahmen der Eignungsbeurteilung nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Wenn der Kunde die Frage nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen unbeantwortet lässt, wird er als "nachhaltigkeitsneutral" eingestuft. Das bedeutet, dass ihm sowohl nachhaltige als auch nicht nachhaltige Produkte empfohlen werden dürfen, solange sie für den Kunden geeignet sind. Auf Basis dessen wählt der Berater geeignete Produkte für den Kunden aus. Er muss dem Kunden dies erklären und alles schriftlich dokumentieren.[33]

[33] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 8, Ziffer 83.

Frage 28. Wie müssen Anlageberater und Portfolioverwalter vorgehen, wenn der Kunde zu seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragt wird und mit "nein, ich habe keine Präferenz" antwortet?

Antwort: Anlageberater und Portfolioverwalter müssenden Kunden im Rahmen der Eignungsbeurteilung nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Wenn der Kunde die Frage nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen mit "nein, ich habe keine Präferenz" beantwortet, wird er ebenfalls als "nachhaltigkeitsneutral" eingestuft. Das bedeutet, dass ihm sowohl nachhaltige als auch nicht nachhaltige Produkte empfohlen werden dürfen, solange sie für den Kunden geeignet sind. Auf Basis dessen wählen Anlageberater und Portfolioverwalter geeignete Produkte für den Kunden aus. Sie müssen dies dem Kunden erklären und alles schriftlich dokumentieren.[34]

[34] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 8, Ziffer 83.

Frage 29. Wie müssen Anlageberater und Portfolioverwalter vorgehen, wenn der Kunde im Zuge seines Beratungsgesprächs eine Investition in „nachhaltige Produkte“ ablehnt (mehr als ein bloßes "Nein, ich habe keine Präferenz" – der Kunde bringt zum Ausdruck, dass seine Gelder nicht in nachhaltige Produkte investiert werden dürfen)?

Antwort: Hier ist besondere Vorsicht geboten. Nachhaltige Produkte sind in diesem Fall für den Kunden nicht geeignet. Wird dem Kunden trotzdem ein nachhaltiges Produkt vorgestellt, weil dieses sonst jede Eignungsvoraussetzung (abgesehen von der Nachhaltigkeit) erfüllt, so ist der Kunde explizit darauf hinzuweisen und er hat seine Angaben im Zusammenhang mit seinen Nachhaltigkeitspräferenzen (nachweislich) anzupassen, indem er seine Präferenzen zumindest als "nachhaltigkeitsneutral" einstuft.

Frage 30. Wie müssen Anlageberater und Portfolioverwalter vorgehen, wenn sich die Finanzinstrumente nicht mit den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden decken?

Antwort: Finanzinstrumente, die zwar grundsätzlich für den Kunden geeignet sind, aber sich nicht mit seinen individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen decken, dürfen dem Kunden grundsätzlich nicht empfohlen oder in sein Portfolio aufgenommen werden. Stattdessen muss der Kunde darauf hingewiesen werden, dass das Finanzinstrument die Nachhaltigkeitspräferenzen nicht im vollen Ausmaß erfüllt. Anschließend hat der Kunde die Möglichkeit, seine Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechend anzupassen. Wenn er dies tut, kann das Finanzinstrument empfohlen oder in sein Portfolio aufgenommen werden. Anlageberater und Portfolioverwalter müssen dies schriftlich dokumentieren und die Aufzeichnungen aufbewahren.[35]

[35] Art. 54 Abs. 10 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 iVm Erwägungsgrund 8 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253.

Frage 31. Wie kann der Anlageberater bzw. Portfolioverwalter vorgehen, wenn der Kunde zwar grundsätzlich Nachhaltigkeitspräferenzen hat, aber keine Präferenzen in Bezug auf eine der unter a. bis c. genannten Kategorien hat und/oder keinen Mindestanteil angeben will?

Antwort: Anlageberater und Portfolioverwalter sollen ihren Mitarbeitern mit Kundenkontakt interne Richtlinien vorgeben und genaue Anweisungen erteilen, was in diesem Fall zu tun ist. Es könnte z.B. eine Art "Handbuch" für Mitarbeiter geben, an dem sich der Mitarbeiter genau orientieren kann und welches ein standardisiertes Vorgehen ermöglicht.

Die ESMA Guidelines stellen dazu klar, dass in Fällen, in denen der Kunde keine genauen Angaben zu seinen Nachhaltigkeitspräferenzen macht, der Kunde von der Wertpapierfirma eingestuft werden kann. Die Wertpapierfirma hat diese Einstufung dem Kunden mitzuteilen und ihm auf dieser Basis eine Empfehlung zu geben. Dies gilt sowohl für die Kategorisierung gemäß Taxonomie-Verordnung als auch für die Kategorisierung gemäß Offenlegungsverordnung. Auch in Bezug auf den Mindestanteil dürfen dem Kunden Vorschläge (z.B. "mindestens XX%") unterbreitet werden. Wichtig ist, alles zu dokumentieren und die Aufzeichnungen aufzubewahren.[36]

[36] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 2, Ziffer 26.

Frage 32. Welche Voraussetzungen müssen Mitarbeiter erfüllen, um Kunden in Bezug auf Nachhaltigkeitspräferenzen beraten zu dürfen?

Antwort: Anlageberater und Portfolioverwalter müssen alle relevanten Mitarbeiter – das sind jene Mitarbeiter, die unmittelbar/direkt (z.B. durch direkten Kundenkontakt) oder mittelbar/indirekt (z.B. Backoffice Mitarbeiter) in die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen involviert sind, - entsprechend schulen. Die Mitarbeiter sollten über die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen bezüglich der Kriterien für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen verfügen und in der Lage sein, den Kunden die verschiedenen Aspekte in nichttechnischer Sprache zu erklären.[37]

[37] ESMA 35-43-2998, Consultation Paper, General Guideline 2, Ziffer 104.

Frage 33. Wie kann der Anlageberater bzw. Portfolioverwalter vorgehen, wenn die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden in der Umsetzung aufwendig sind (z.B. geringe Liquidität des Finanzinstruments oder hohe Umschichtungskosten)?

Antwort: Anlageberater und Portfolioverwalter müssen in einem ersten Schritt den Kunden transparent aufklären und alle Konsequenzen, die mit der Erfüllung der individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden verbunden sind, aufzeigen. Um die Kosten der Umschichtung gering zu halten und/oder den richtigen Zeitpunkt abwarten zu können, zu dem es günstig ist, diese Veränderungen vorzunehmen, können beispielsweise 

  • Anlageberater bzw. Portfolioverwalter und der Kunde einen bestimmten Zeitpunkt (Stichtag) in der Zukunft vereinbaren, ab dem die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden vollständig erfüllt sein müssen. Dafür könnte in der Nachhaltigkeitsabfrage folgender Absatz eingefügt werden: "Dieser von mir gewünschte Mindestanteil gemäß Artikel 1 a. und/oder b. und/oder c. der Delegierten Verordnung 2021/1253 soll – unter Berücksichtigung der anfallenden Umschichtungs- und Transaktionskosten – bis zum bzw. ab XX.XX.20XX in meiner Anlagestrategie/ meinem Portfolio berücksichtigt werden."
  • Anlageberater bzw. Portfolioverwalter und der Kunde vereinbaren, dass der Mindestanteil nur für neue Investitionen gilt. Dafür könnte in der Nachhaltigkeitsabfrage folgender Absatz eingefügt werden: "Dieser von mir gewünschte Mindestanteil gemäß Artikel 1 a. und/oder b. und/oder c. der Delegierten Verordnung 2021/1253 soll nur bei neuen Investitionen in meiner Anlagestrategie/ meinem Portfolio berücksichtigt werden."
  • Falls ein Kunde eine sofortige Umsetzung seiner Nachhaltigkeitspräferenzen wünscht, sollte er vor Ausführung seiner Präferenzen jedenfalls über etwaige Nachteile (z.B. zusätzliche Kosten oder realisierte Verluste) dokumentiert aufgeklärt werden.

3. Thema: Delegierte Rechtsakte zu IDD


Achtung:
Die Antworten in Bezug auf die IDD sind nicht mit der FMA abgestimmt, da die FMA nicht die zuständige Behörde für Versicherungsvermittler ist.


Frage 34. Wo sind die Vorschriften betreffend Nachhaltigkeit iZm IDD geregelt und ab wann sind die Vorschriften anwendbar?

Antwort: Am 2. August 2021 hat die Europäische Kommission die delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 zu IDD veröffentlicht. Die delegierte Verordnung konkretisiert die Regelungen der delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen an Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber sowie in die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln. Die Verordnung ist ab 2. August 2022[38] anwendbar.

[38] Art 3 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

Frage 35. Wen betreffen die neuen Vorschriften iZm der Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Eignungsbeurteilung?

Antwort: Die neuen Vorschriften betreffen alle Kundengruppen (Privatkunden, professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien). Die Nachhaltigkeitspräferenzen sind bei allen Kundengruppen abzufragen.

Frage 36. Was ändert sich durch die delegierte Verordnung (EU) 2021/1257?

Antwort: Bei neu entwickelten Versicherungsprodukten und bei der Anpassung von bestehenden Versicherungsprodukten müssen zusätzlich zu den bisherigen Zielen, Interessen und Merkmalen der Kunden auch Nachhaltigkeitsziele im Rahmen des Produktgenehmigungsverfahrens[39] und der Zielmarktbestimmung[40] berücksichtigt werden. Auch bei der Produktprüfung[41] und -überwachung[42] müssen Nachhaltigkeitsfaktoren laufend evaluiert werden.

Bei Versicherungsanlageprodukten müssen Versicherungsvermittler Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen ihrer Pflichten gegenüber ihren (potenziellen) Kunden berücksichtigen. Insbesondere bei der Durchführung der Eignungsbeurteilung müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden zwingend erklärt und abgefragt werden.[43]

[39] Art. 5 Abs 1 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358.

[40] Art. 5 Abs 1 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358.

[41] Art. 6 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358.

[42] Art. 7 Abs 1 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358.

[43] Art. 2 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359.

Frage 37. Ab wann haben Versicherungsvermittler, die Versicherungsanlageprodukte vermitteln, die neuen Vorschriften betreffend die Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Eignungsbeurteilung einzuhalten?

Antwort: Die neuen Vorschriften sind ab 2. August 2022 anwendbar. Ab 2. August 2022 müssen Versicherungsvermittler, die Versicherungsanlageprodukte vermitteln, die neuen Vorschriften bei Neukunden sowie bei Neugeschäft mit Bestandskunden einhalten. Bei Bestandskunden ohne Neugeschäft haben Versicherungsvermittler die Vorschriften erstmals bei der nächsten regelmäßigen Aktualisierung der bestehenden Eignungsbeurteilung einzuhalten.[44]

[44] Erwägungsgrund 10 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 und EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 17.

Frage 38. Müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden auch dann abgefragt werden, wenn der Versicherungsvermittler gar keine Versicherungsanlageprodukte mit nachhaltigkeitsbezogenen Merkmalen anbietet?

Antwort: Selbst wenn der Versicherungsvermittler zum Zeitpunkt der Informationserhebung beim Kunden keine Versicherungsanlageprodukte in seiner Produktpalette hat, die den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entsprechen, müssen dennoch alle Informationen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen erhoben werden. In einem solchen Fall sollte deutlich darauf hingewiesen werden, dass derzeit keine Versicherungsanlageprodukte verfügbar sind, die den Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechen. Nach Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen kann dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, seine genannten Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen. Dies sollte im Eignungsbericht dokumentiert werden.[45]

[45] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 24.

Frage 39. Ist es für den Versicherungsvermittler ausreichend, wenn der Kunde ihm versichert, dass er weiß, was "Nachhaltigkeit" bedeutet?

Antwort: Nur, weil ein Kunde angibt, die Begriffe zu verstehen und zu wissen, was "Nachhaltigkeit" bedeutet, heißt das nicht, dass der Versicherungsvermittler blind darauf vertrauen darf und von seinen Aufklärungspflichten befreit ist. Wenn der Kunde nämlich von einem falschen Verständnis dieser Begriffe ausgeht, könnte dies im schlimmsten Fall zu einem Beratungsfehler und folglich zu einer Haftung des Versicherungsvermittlers führen. Zudem verlangt die EIOPA[46], dass der Kunde über die verschiedenen Elemente der Definition von Nachhaltigkeitspräferenzen sowie zwischen diesen Versicherungsanlageprodukten und Versicherungsanlageprodukten ohne solche Nachhaltigkeitsmerkmale klar und deutlich aufgeklärt wird. Es ist außerdem zu erklären, was ökologische, soziale und Governance-Aspekte bedeuten. Es können daher weitere Fragen in den Beratungsprozess eingebunden werden, um das Verständnis des Kunden abzufragen. Beispielsweise kann näher auf ESG-Kriterien, Nachhaltigkeitsrisiken etc. eingegangen werden.[47]

[46] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 8 ff.

[47] Damit (potenzielle und bestehende) Kunden die verschiedenen Nachhaltigkeitsgrade verstehen und mit Blick auf die Nachhaltigkeit fundierte Entscheidungen treffen können, sollten Versicherungsvermittler erklären (können), wie sich nachhaltige Versicherungsanlageprodukte (gemäß Taxonomie- und/oder Offenlegungs-Verordnung) sowie Versicherungsanlageprodukte, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden, von jenen Versicherungsanlageprodukten unterscheiden, die diese besonderen Merkmale nicht aufweisen. Siehe Erwägungsgrund 12 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257) iVm EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 29.

Frage 40. Wie muss der Versicherungsvermittler die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Versicherungsanlageprodukten im Rahmen der Eignungsbeurteilung durchführen?

Antwort:Versicherungsvermittler, die die Beratung über Versicherungsanlageprodukte erbringen,[48] müssen, nachdem die Kriterien Kenntnisse und Erfahrungen, finanzielle Situation und sonstige Anlageziele gemäß Art. 9 der delegierten Verordnung 2017/2359[49] erhoben wurden, ab 2. August 2022[50] im Zuge der Eignungsbeurteilung zusätzlich noch die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer (potenziellen) Kunden abfragen und diese zwingend in der Eignungsbeurteilung berücksichtigen.[51] Bei Bestandskunden muss die bestehende Eignungsbeurteilung bei der nächsten regelmäßigen Aktualisierung an die Nachhaltigkeitspräferenzen angepasst werden, soweit eine solche stattfindet.

Für diese Abfrage der Nachhaltigkeit stehen drei Ansätze zur Wahl (siehe Frage 41). Der Kunde kann aus diesen drei Gruppen frei wählen, ist aber auf diese Gruppen begrenzt. Quantitativ kann der Kunde jedoch frei entscheiden, welcher Anteil seiner Investition "nachhaltig" sein soll.

[48] Die Verpflichtung zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen betrifft Versicherungsvermittler, die die Beratung über Versicherungsanlageprodukte erbringen.

[49] Art. 9 Abs. 2 und Abs. 4 Buchstabe a neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359.

[50] Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 vom 21. April 2021 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen an Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber sowie in die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln.

[51] Art. 9 Abs. 4 Buchstabe a neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 iVm EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 3. Grundsätzlich müssen Versicherungsvermittler sich an die vorgegebene zeitliche Reihenfolge halten und zuerst die allgemeinen Anlageziele abfragen, bevor in einem zweiten Schritt die Nachhaltigkeitspräferenzen abgefragt werden. Allerdings betont die EIOPA, dass der Kunde trotzdem zu jeder Zeit des Beratungsgesprächs – also auch zu einem früheren Zeitpunkt als vorgegeben - Nachhaltigkeitspräferenzen anführen und Fragen dazu stellen kann. Siehe dazu EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 10 f.

Frage 41. Wie muss die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden ablaufen? (Schritt 1: Der Kunde wählt aus drei Kategorien an Finanzinstrumenten aus)

Antwort: Die Verpflichtung zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen besteht unmittelbar ab dem Erstkontakt mit dem Kunden. Hier reicht es in Zukunft nicht mehr aus, den Kunden zu fragen, ob er ein Versicherungsanlageprodukt wünscht, das "nachhaltig" ist. Vielmehr muss der Versicherungsvermittler die achhaltigkeitspräferenzen des Kunden (den "Grad" der Nachhaltigkeit) genau ermitteln. Versicherungsvermittler müssen explizit abfragen, ob und in welchem Ausmaß die folgenden Versicherungsanlageprodukte in seine Anlage einbezogen werden soll. Der Kunde kann eine oder mehrere Kategorien wählen.

  1. Möchte der Kunde in ökologisch nachhaltige Finanzinstrumente investieren (Kategorie a)?[52]
    Diese Investitionsmöglichkeit umfasst Finanzinstrumente bzw. im Rahmen der Portfolioverwaltung Investitionen in Finanzinstrumente, die gemäß der Taxonomie-Verordnung[53] als ökologisch nachhaltig[54] gelten, d.h. eines oder mehrere der folgenden Umweltziele[55] verfolgen: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
    oder
  2. Möchte der Kunde in (ökologisch, sozial und unternehmerisch) nachhaltige Finanzinstrumente investieren (Kategorie b).

    Diese Investitionsmöglichkeit umfasst Finanzinstrumente bzw. im Rahmen der Portfolioverwaltung Investitionen in Finanzinstrumente, die gemäß Art 2 Z 17 Offenlegungs-Verordnung[56] als "nachhaltig" gelten, d.h. "nachhaltige Investitionen" anstreben (damit sind die ESG-Kriterien[57] - Umwelt, Soziales, gute Unternehmensführung - gemeint).
    oder

  3. Möchte der Kunde in Finanzinstrumente investieren, die zwar nicht als "nachhaltig" im Sinne der Offenlegungs-Verordnung und Taxonomie-Verordnung eingestuft werden, bei denen aber die für ihn wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden (Kategorie c).
    Als Nachhaltigkeitsfaktoren gelten[58]: Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Die qualitativen[59] und quantitativen[60] Parameter, die für die Bestimmung der nachteiligen Auswirkungen auf diese Nachhaltigkeitsfaktoren herangezogen werden, müssen Sie in einem nächsten Schritt selbst bestimmen.[61]

Bei der Auswahl aus diesen drei Kategorien muss folgendes beachtet werden: 

  • Der Kunde kann eine Kategorie wählen, aber auch eine Mehrfachauswahl muss dem Kunden ermöglicht werden. Wählt der Kunde mehrere Kategorien aus, so können Produkte einbezogen und empfohlen werden, die zumindest einer Kategorie entsprechen.[62]  
  • Will der Kunde, dass ein Finanzinstrument mehrere Kategorien kumuliert erfüllt (z.B. ein Instrument, dass sowohl ökologisch nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Verordnung als auch sozial nachhaltig im Sinne der Offenlegungs-Verordnung ist), so muss er dies dem Berater mitteilen und der Berater darf ihm nur Produkte empfehlen, die die gewählten Kategorien kumulativ erfüllen.[63]
  • In einem nächsten Schritt ist nach Mindestanteilen zu fragen (siehe Frage 42).

[52] Art. 2 Nr. 4 Buchstabe a neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 iVm Erwägungsgrund 12 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

[53] Verordnung (EU) 2020/852 vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung EU (2019/2088).

[54] Art. 2 Nr. 1 Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088.

[55] Art. 9 (EU) 2020/852.

[56] Art. 2 Nr. 17 Verordnung (EU) 2019/2088 iVm Art. 2 Nr. 4 Buchstabe b neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 iVm Erwägungsgrund 12 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

[57] Die Bezeichnung "ESG" steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

[58] Art. 2 Nr. 24 (EU) 2019/2088.

[59] Zur qualitativen Bestimmung können Ausschlussstrategien sowie Faktoren wie z.B. Kontroverse Unternehmenspolitik oder die Wahrnehmung von Vertretungsstimmrechten auf Hauptversammlungen herangezogen werden. Siehe EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 15, Footnote 14.

[60] Zur quantitativen Bestimmung können diverse PAI Faktoren (Principal Adverse Impact Faktoren) oder Kennzahlen gem. der RTS (Regulatory Technical Standards) herangezogen werden. Siehe dazu "Leitfaden zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden für die Eignungsbeurteilung bei der Beratung über Versicherungsanlageprodukte" auf www.wko.at/finanzdienstleister.

[61] Art. 2 Nr. 4 Buchstabe c neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 iVm Erwägungsgrund 12 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

[62] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 11.

[63] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 11.

Frage 42. Wie muss die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden ablaufen? (Schritt 2: Bestimmung eines Mindestanteils)

Antwort: Durch die Auswahl von Kategorie a) oder b) gibt der Kunde als Nachhaltigkeitspräferenz an, dass bei der Versicherungsvermittlung Versicherungsanlageprodukte berücksichtigt werden sollen, die als „ökologisch nachhaltig“ (Kategorie a) oder als nachhaltig (Kategorie b) gelten.

Anschließend ist nach Mindestanteilen zu fragen.[64] Dabei können vom Versicherungsvermittler Mindestanteile bereits im Vorhinein definiert werden. Der Kunde muss aber jedenfalls die Möglichkeit haben, einen individuellen Mindestanteil selbst festzulegen.[65] Die EIPOA schlägt vor, diese Mindestanteile in Bandbreiten (z.B. mindestens 10 %, mindestens 20 % usw.) anzugeben.[66]

Außerdem sollten diese Werte dem Kunden auf neutrale Weise präsentiert werden und ausreichend granular sein. Die Auswahl sollte daher nachvollziehbar sein und es muss dem Kunden dargelegt werden können, worin die Vor- und Nachteile der Werte liegen. Sinnvollerweise sollten vom Versicherungsvermittler nur Mindestanteile vorgeschlagen werden, die auch zu ihren Versicherungsanlageprodukten passen.[67]

Diese Mindestanteile knüpfen laut der Delegierten Verordnung zur IDD[68] an den einzelnen Versicherungsanlageprodukten an. Es wird daher von den Versicherungsvermittlern verlangt, zu fragen, wie groß der Mindestanteil nachhaltiger Investitionen je Versicherungsanlageprodukt sein soll. Diese Abfrage "pro Versicherungsanlageprodukt" kann als eine mögliche Variante gesehen werden und muss jedenfalls durchgeführt werden, sofern der Kunde angibt, dass er "ökologisch nachhaltig" bzw. "nachhaltig" investieren möchte.

Alternativ könnte man diese Mindestanteile auch auf den zu veranlagenden Geldbetrag beziehen. In diesem Fall ist der Kunde zu fragen, ob und welcher Betrag seiner Investition in Nachhaltigkeit gehen soll. Will der Kunde zum Beispiel EUR 100.000,- investieren und sollen 30 % hiervon in Nachhaltigkeit gehen, so müssen EUR 30.000,- in nachhaltige Versicherungsanlageprodukte investiert werden.

[64] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 11.

[65] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 15.

[66] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 15.

[67] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 11.

[68] Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

Frage 43. In welcher Reihenfolge muss der Versicherungsvermittler die Abfrage der Kundenpräferenzen während des Beratungsgesprächs vornehmen?

Antwort: Zunächst soll der Versicherungsvermittler den Kunden über generelle Anlageziele befragen. Er soll den Zeitraum, den Risikograd, das Risikoprofil, den Zweck der Anlage und die individuellen Umstände des (potenziellen) Kunden bewerten.[69] Erst als letzten Punkt soll der Kunde nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden.[70]

Damit soll verhindert werden, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen die Anlagestrategie vorab in eine andere Richtung lenken und die ursprünglichen Anlageziele des Kunden dadurch in den Hintergrund gelangen.[71]

[69] Art. 9 Abs. 4 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 iZm Erwägungsgrund 11 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

[70] Erwägungsgrund 11 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

[71] Erwägungsgrund 11 Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257.

Frage 44. Wie muss der Versicherungsvermittler vorgehen, wenn er den Kunden nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragt, dieser aber keine Antwort gibt?

Antwort: Der Versicherungsvermittler muss den Kunden im Rahmen der Eignungsbeurteilung nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Wenn der Kunde die Frage nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen unbeantwortet lässt, wird er als "nachhaltigkeitsneutral" eingestuft. Das bedeutet, dass ihm sowohl nachhaltige als auch nicht nachhaltige Versicherungsanlageprodukte empfohlen werden dürfen, solange sie für den Kunden geeignet sind. Auf Basis dessen wählt der Versicherungsvermittler bestimmte Produkte für den Kunden aus. Er muss dem Kunden dies erklären und alles schriftlich dokumentieren.[72]

[72] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 16.

Frage 45. Wie muss der Versicherungsvermittler vorgehen, wenn er den Kunden zu seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragt und dieser mit "nein" antwortet?

Antwort: Der Versicherungsvermittler muss den Kunden im Rahmen der Eignungsbeurteilung nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Wenn der Kunde die Frage nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen mit "nein" beantwortet, wird er ebenfalls als "nachhaltigkeitsneutral" eingestuft. Das bedeutet, dass ihm sowohl nachhaltige als auch nicht nachhaltige Versicherungsanlageprodukte empfohlen werden dürfen, solange sie für den Kunden geeignet sind. Auf Basis dessen wählt der Versicherungsvermittler bestimmte Versicherungsanlageprodukte für den Kunden aus. Er muss dem Kunden dies erklären und alles schriftlich dokumentieren.[73]

[73] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 16.

Frage 46. Wie muss der Versicherungsvermittler vorgehen, wenn der Kunde im Zuge seines Beratungsgesprächs eine Investition in "nachhaltige Versicherungsanlageprodukte" ablehnt (mehr als ein bloßes "Nein, ich habe keine Präferenz" – der Kunde bringt zum Ausdruck, dass seine Gelder nicht in nachhaltige Versicherungsanlageprodukte investiert werden dürfen)?

Antwort: Hier ist besondere Vorsicht geboten. Nachhaltige Versicherungsanlageprodukte sind in diesem Fall für den Kunden nicht geeignet. Wird dem Kunden trotzdem ein nachhaltiges Versicherungsanlageprodukt vorgestellt, weil dieses sonst jede Eignungsvoraussetzung (abgesehen von der Nachhaltigkeit) erfüllt, so ist der Kunde explizit darauf hinzuweisen und er hat seine Angaben im Zusammenhang mit seinen Nachhaltigkeitspräferenzen (nachweislich) anzupassen, indem er seine Präferenzen zumindest als "nachhaltigkeitsneutral" einstuft.

Frage 47. Wie muss der Versicherungsvermittler vorgehen, wenn sich die empfohlenen Versicherungsanlageprodukte nicht in vollem Ausmaß mit den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden decken?

Antwort: Versicherungsanlageprodukte, die die generellen Anlageziele des Kunden erfüllen, aber sich nicht mit seinen individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen decken, dürfen dem Kunden nur dann empfohlen werden, wenn darauf hingewiesen wird, dass das Versicherungsanlageprodukt die Nachhaltigkeitspräferenzen nicht im vollen Ausmaß erfüllt. Der Versicherungsvermittler soll weiterhin Empfehlungen abgeben dürfen, auch wenn sie sich nicht gänzlich mit den vordefinierten Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden decken. Dies muss dem Kunden genau erklärt werden, damit er die Möglichkeit hat, seine Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechend anzupassen. Der Versicherungsvermittler muss dies schriftlich dokumentieren und die Aufzeichnungen aufbewahren.[74]

[74] Art. 9 Abs. 6 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 iVm Erwägungsgrund 14 (EU) Delegierte Verordnung 2021/1257.

Frage 48. Wie muss der Versicherungsvermittler vorgehen, wenn keines der vorhandenen Versicherungsanlageprodukte den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entspricht?

Antwort: Der Versicherungsvermittler darf keine Empfehlung für Versicherungsanlageprodukte aussprechen, wenn diese nicht den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entsprechen. Der Versicherungsvermittler muss dem Kunden erklären, warum er kein passendes Versicherungsanlageprodukt empfehlen kann, und muss dies auch aufzeichnen und dokumentieren. Entscheidet sich der Kunde, seine Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen, so muss diese Kundenentscheidung und die entsprechende Begründung ebenfalls vom Versicherungsvermittler dokumentiert werden.[75]

[75] Art. 9 Abs. 6 neu Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359.

Frage 49. Wie muss der Versicherungsvermittler vorgehen, wenn der Kunde zwar grundsätzlich Nachhaltigkeitspräferenzen hat, aber keine Präferenzen in Bezug auf eine der unter a) bis c) genannten Kategorien hat und/oder keinen Mindestanteil angeben will?

Antwort: Versicherungsvermittler sollen ihren Mitarbeitern mit Kundenkontakt interne Richtlinien vorgeben und genaue Anweisungen erteilen, was in diesem Fall zu tun ist. Es könnte z.B. eine Art "Handbuch" für Mitarbeiter geben, an dem sich der Mitarbeiter genau orientieren kann und welches ein standardisiertes Vorgehen ermöglicht.

Die EIOPA Richtlinien stellen dazu klar, dass der Versicherungsvermittler in Fällen, in denen der Kunde keine genauen Angaben zu seinen Nachhaltigkeitspräferenzen macht, dem Kunden eine Empfehlung gegeben werden kann. Diese Empfehlung soll sich möglichst nah an den allgemeinen Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden orientieren. Dies gilt sowohl für die Kategorisierung gemäß Taxonomie-Verordnung als auch für die Kategorisierung gemäß Offenlegungsverordnung. Auch in Bezug auf den Mindestanteil dürfen dem Kunden Vorschläge (z.B. "mindestens 10 %", "mindestens 20 %" usw.) unterbreitet werden. Wichtig ist, alles schriftlich zu dokumentieren und die Aufzeichnungen aufzubewahren.[76]

[76] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 27.

Frage 50. Welche Voraussetzungen müssen Mitarbeiter erfüllen, um Kunden in Bezug auf Nachhaltigkeitspräferenzen beraten zu dürfen?

Antwort: Im Allgemeinen sollten Versicherungsvermittler über grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen in Bezug auf die Kriterien der Nachhaltigkeitspräferenzen verfügen, während Mitarbeiter von Versicherungsvermittlern, die Versicherungsanlageprodukte anbieten, die ökologische oder soziale Merkmale fördern oder ein nachhaltiges Anlageziel verfolgen, über detailliertere Kenntnisse und Kompetenzen verfügen sollten, je nach Art der Produkte, zu denen sie beraten. Zu diesem Zweck sollten Versicherungsvermittler sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter entsprechend geschult sind.[77]

[77] EIOPA, Guidance on the integration of sustainability preferences in the suitability assessment under the Insurance Distribution Directive (IDD), EIOPA-BOS-22-391, 20 July 2022, Seite 29.


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