Sparte Industrie

Ende von „3G am Arbeitsplatz“?

Seit November 2021 galt am Arbeitsplatz die 3G-Regel. Mit 5. März 2022 wurden die meisten Corona-Regelungen aufgehoben. Endet damit „3G am Arbeitsplatz“?

Lesedauer: 3 Minuten

Die allgemeine bundesweite „3G-Regel am Arbeitsplatz“ wurde mit 5. März 2022 aufgehoben. Gleichzeitig sind auf Grund hoher Infektions- und Todeszahlen in Zusammenhang mit COVID-19 Arbeitgeber weiterhin verpflichtet, die Gesundheit ihrer Beschäftigten im Betrieb bestmöglich zu schützen. Folglich stellt sich die Frage, ob „3G am Arbeitsplatz“ auch freiwillig beibehalten werden kann. 

Im Verordnungstext der COVID-19-Basismaßnahmenverordnung, BGBl II 2022/86, ausgegeben am 3. März 2021, finden sich keine Regelungen mehr zum „Ort der beruflichen Tätigkeit“. Die 3G-Nachweispflicht bleibt nur in sensiblen Bereichen – beispielsweise Krankenanstalten, Pflegeheimstätten und vergleichbare Einrichtungen - bestehen und gilt dort für Besucher, Mitarbeiter und Dienstleister. Eine Maskenpflicht ist nur noch für Betriebsstätten vorgesehen, die unausweichlich auch von vulnerablen Personengruppen besucht werden müssen.  

Auf Seite 5 der Erläuterungen zur Verordnung findet sich jedoch folgende Aussage: „Soweit für Arbeitsorte im Hinblick auf das Tragen einer Maske und die Vorlage eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr keine Regelungen mehr vorgesehen sind, können – wie auch bisher – in begründeten Fällen über diese Verordnung hinausgehende, strengere Regelungen vorgesehen werden.“ Daraus lässt sich nach Ansicht der Bundessparte Industrie eindeutig schließen, dass Betriebe auch weiterhin „3G am Arbeitsplatz“ einseitig anordnen können. Die Gewerkschaften vertreten dazu jedoch die Rechtsmeinung, dass eine über den allgemeinen Verordnungstext hinausgehende, strengere Maßnahme nur mit Zustimmung des Betriebsrates oder - bei Fehlen eines Betriebsrates - mit Zustimmung des jeweiligen Mitarbeiters vereinbart werden kann. Sie stützt sich dabei auf eine Entscheidung des OGH, der in einem ganz anderen Zusammenhang („Alkoholkontrollen“) ausjudizierte, dass die Menschenwürde bei einer "über das für die Erreichung des Kontrollzwecks erforderliche Ausmaß hinausgehenden Kontrolldichte" tangiert werden kann (vgl. OGH 20.12.2006, 9 ObA 109/06d). Diese Entscheidung ist nach Ansicht der Bundessparte Industrie jedoch nicht einschlägig und betraf keinen Sachverhalt in Zusammenhang mit einem Pandemiegeschehen, bei der auch der Arbeitnehmerschutz ganz eindeutig zum Tragen kommt. 

Was sind nun „begründete Fälle“ im Sinne der Erläuterungen der COVID-19-Basismaßnahmenverordnung? Solche liegen beispielsweise vor, wenn am Arbeitsplatz Kontakt zu Personen besteht, die einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind oder bei denen im Falle einer Erkrankung mit schweren Verläufen zu rechnen ist (z.B. vulnerable Gruppen, alte, kranke oder sehr junge Menschen, Risikogruppen oder ungeimpfte Personen bzw. auch Mitarbeitern in der kritischen Infrastruktur). 

Mögliche andere Rechtsgrundlagen für die Anordnung von „3G“ am Arbeitsplatz: 

  • „3G“ auf Grundlage des Hausrechts: Das Hausrecht des Arbeitgebers ergibt sich aus § 354 ABGB bzw. aus Art. 9 StGG. Univ.-Prof. Dr. Franz Marhold meinte im Zusammenhang mit „3G am Arbeitsplatz“, jeder Betriebseigentümer und jede Betriebseigentümerin könne im Rahmen des Hausrechts Vorschriften erlassen, unter welchen Bedingungen er jemanden eintreten lässt. (https://noe.orf.at/stories/3127974/) 
  • „3G“ auf Grundlage der Fürsorgepflicht: Auch nach dem Wegfall der verpflichtenden 3G-Regelung haben Arbeitgeber Leben und Gesundheit ihrer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu schützen. Die Vermeidung der Ansteckung mit dem – nach wie vor als Pandemie eingestuften – Coronavirus am Arbeitsplatz fällt jedenfalls unter die Fürsorgepflicht. Arbeitgeber haben daher weiterhin geeignete und angemessene Maßnahmen zur Vermeidung der Ansteckung mit dem Coronavirus zu treffen. 
  • 3G“ als Maßnahme aufgrund einer Arbeitsplatzevaluierung:    Arbeitgeber sind verpflichtet, die für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bestehenden Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen (vgl.: § 4 Abs.1 ANSchG). Bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sind auch besonders gefährdete oder schutzbedürftige Arbeitnehmer … zu berücksichtigen (vgl.: § 4 Abs.2 ANSchG). Zu den besonders gefährdeten Personen gehören nach Ansicht der Bundessparte Industrie auch jene Personen, die über (noch) keinen ausreichenden Impfschutz gegen Corona verfügen, also nicht 3-fach geimpft sind, weil sie bei einer Infektion mit einem schweren Krankheitsverlauf zu rechnen haben. 
  • 3G“ auf Grundlage des General-Kollektivvertrages: Rechtlich unstrittig ist, dass bis 30. April 2022 weiterhin der Corona-General-KV gilt. Ordnet der Arbeitgeber eine generelle Maskenpflicht an (als Konkretisierung der Fürsorgepflicht), dann kann sich der einzelne Arbeitnehmer bei Vorlage eines „3G-Nachweises“ daraus heraus reklamieren. 

Kostenersatz für Tests? Lässt der Arbeitgeber den ungeimpften Arbeitnehmer wegen Testverweigerung nicht ins Büro, verliert dieser nach § 1155 ABGB seinen Entgeltanspruch. Sollten in Zukunft Tests nicht mehr zur Gänze kostenlos sein, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Kostenersatz nach § 1014 ABGB, wenn er diese Kosten durch eine Impfung hätte vermeiden können. Auch diese Rechtsansicht ist jedoch strittig. Aufgrund der sogenannten Sphärentheorie ist unter Umständen auch vertretbar, dass bei Anordnung von „3G am Arbeitsplatz“ der Arbeitgeber für die Kosten aufkommen muss. Dies gilt umso mehr für Zeiträume, in denen die Impfpflicht aufgesetzt wird.  Für Arbeitnehmer, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können oder keine Antikörper bilden, muss der Arbeitgeber aber jedenfalls für die Testkosten aufkommen.  

Tests während der Arbeitszeit unter Fortzahlung des Entgelts? Hier besteht weitgehend Konsens, dass die Grundsätze des allgemeinen Dienstverhinderungsrechts zur Anwendung kommen. Der Arbeitnehmer muss daher tunlichst so disponieren, dass es zu keiner Dienstverhinderung kommt (Stichwort: Arztbesuche).  

Autor: 
Mag. Thomas Stegmüller
E-Mail:
Thomas.stegmueller@wko.at

Stand: 21.03.2022

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