Sparte Industrie

Neue EU-Verordnung zur Begrenzung der Gaspreise und erhöhter Versorgungssicherheit

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 4 Minuten

11.03.2023

Die Kommission hat Mitte Oktober eine neue Dringlichkeitsverordnung zur Bekämpfung hoher Gaspreise und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit veröffentlicht.

Mit ihrem Vorschlag für eine EU-Ratsverordnung zielt die EU-Kommission auf eine gemeinsame Gasbeschaffung, Preisbegrenzungsmechanismen an der TTF-Gasbörse (die Title Transfer Facility ist ein virtueller Handelspunkt im niederländischen Gasnetz, über den der Erdgas-Handel für die Niederlande abgewickelt wird, und der für viele Lieferverträge in der EU der Leitindex ist), neue Maßnahmen zur transparenten Infrastrukturnutzung und zur Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten sowie weiteren Anstrengungen zur Verringerung der Gasnachfrage ab. Die Verordnung legt außerordentliche, gezielte und zeitlich begrenzte Maßnahmen fest, um die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten durch eine bessere Koordinierung der Gaseinkäufe, den grenzüberschreitenden Austausch von Gas und zuverlässiger Preisbenchmarks zu stärken. Im Wesentlichen umfasst der Vorschlag drei Schwerpunkte, nämlich die Regelung der Möglichkeit des gemeinsamen Gaseinkaufs, Mechanismen zur Beschränkung extrem hoher Gaspreise, sowie Regelungen zur Sicherung von Gasverteilung zwischen Mitgliedstaaten im Fall eines regionalen oder unionsweiten Engpasses und für notwendige Solidaritätslieferungen.

Der vorliegende VO-Entwurf enthält aus BSI-Sicht einige begrüßenswerte Aspekte, wie z.B. die Regeln für einen gemeinsamen Gas-Einkauf, als auch Solidaritätsmechanismen. Bei den vorgeschlagenen Eingriffen in den Gasmarkt könnte allerdings die Versorgungssicherheit gefährdet werden. Dies darf auf keinen Fall geschehen.

Die Verordnung enthält folgende Hauptelemente:

  • Bündelung der EU-Nachfrage und gemeinsamer Gaseinkauf, um bessere Preise auszuhandeln und das Risiko zu verringern, dass sich die Mitgliedstaaten auf dem Weltmarkt gegenseitig überbieten, und gleichzeitig die Versorgungssicherheit in der gesamten EU zu gewährleisten. Durch Bündelung der Nachfrage soll nach passenden Angeboten zu Gasimporten gesucht werden. Konkret sollen Erdgasunternehmen, aber auch gasverbrauchende Unternehmen, ihren Gasbedarf hinterlegen. Liegt der aggregierte Bedarf vor, wird nach konkreten Angeboten gesucht. Unternehmen können sich dabei zu einem oder mehreren Gasbeschaffungskonsortien zusammenfügen, um bedarfsgerechte Mengen akquirieren zu können. Kriterien sind dabei beispielsweise Volumen, Lieferzeitraum oder Ort. Die Plattform soll freiwillig von den Unternehmen genutzt werden können. Jedoch werden die Mitgliedstaaten verpflichtet sicherzustellen, dass 15 Prozent ihrer Speicherfüllstände über den gemeinsamen Gaseinkauf erreicht werden. Zudem soll die Kommission aus Transparenzgründen über Gaseinkäufe von mehr als fünf TWh informiert werden. Die Kommission kann Empfehlungen hinsichtlich des Einflusses auf die gemeinsame Beschaffung, den Binnenmarkt, die Versorgungssicherheit oder die Energiesolidarität aussprechen.
  • Schaffung einer neuen LNG-Preisbenchmark bis März 2023, und kurzfristig eines Preiskorrekturmechanismus, um eine dynamische Preisobergrenze für Geschäfte an der TTF-Gasbörse festzulegen, sowie eine vorübergehende Beschränkung oder Bandbreite, um extreme Preisspitzen auf den Derivatemärkten zu verhindern. Die meisten Gasverträge in der EU sind an die wichtigste europäische Gasbörse, die TTF (Title Transfer Facility), gekoppelt. Da kritisiert wird, dass dort LNG-Transaktionen unzureichend abgebildet werden, plant die Kommission zusammen mit ACER, der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, einen ergänzenden Index zu entwickeln, der auch LNG-Transaktionen genauer abbildet. Als Übergang möchte die Kommission bei Bedarf einen auf drei Monate begrenzten Preiskorrekturmechanismus an der TTF einführen, um Preisspitzen zu verhindern und Preisvolatilität entgegenzuwirken. Transaktionen zu einem Preis über einer dynamischen Obergrenze wären an der TTF dann nicht zulässig. Weiters soll auch für Energiederivate, also für das Termingeschäft, ein befristeter Preiskorridor innerhalb eines Tages gelten. Somit sollen Energieunternehmen vor erheblichen Preisschwankungen geschützt werden.
  • Standard-Solidaritätsregeln zwischen den Mitgliedstaaten im Falle von Versorgungsengpässen, sowie Ausweitung der Solidaritätsverpflichtung auf Mitgliedstaaten ohne direkten Pipelineanschluss, um auch solche in die Versorgung mit LNG-Anlagen einzubeziehen. Um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten und im Falle einer Gasmangellage handlungsfähig zu bleiben, sind die Mitgliedstaaten dazu angehalten, sogenannte Solidaritätsabkommen abzuschließen. Die Kommission schlägt vor, diesen Mechanismus verpflichtend einzuführen. Damit soll jeder Mitgliedstaat im Notfall gegen einen fairen Ausgleich Gas von anderen Mitgliedstaaten erhalten können. Die Solidaritätspflicht wird auch auf nicht direkt an Pipelines von LNG-Anlagen angeschlossene Mitgliedstaaten ausgeweitet werden, sofern das Gas in den Mitgliedstaat transportiert werden kann, in dem es benötigt wird. Bei regionalen oder EU-weiten Versorgungsengpässen soll zudem der Rat befähigt werden, Gaskapazitäten im Notfall zuweisen zu können.
  • Vorschlag zur Schaffung eines Mechanismus für die Gaszuteilung für Mitgliedstaaten, die von einem regionalen oder EU-Gasversorgungsnotstand betroffen sind. Instrumente sollen eingeführt werden, die eine effiziente Nutzung der LNG- und Pipeline-Infrastruktur ermöglichen. Die Mitgliedstaaten sollen dafür Informationen über die verfügbare Kapazität bereitstellen und Mechanismen sollen eingeführt werden, um zu verhindern, dass Marktteilnehmer Kapazitäten reservieren, aber nicht nutzen.

Neben der Verordnung möchte die Kommission die Vorschriften für Marktteilnehmer in Hinblick auf Sicherheiten lockern. Damit sollen Liquiditätsengpässe an den Börsen vermieden werden und der Handel aufrechterhalten bleiben. Zudem sollen als Unterstützungsmaßnahme bis zu 10 Prozent der gesamten nationalen Mittelzuweisungen für den Zeitraum 2014 bis 2020 in Höhe von fast 40 Milliarden Euro an Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen verteilt werden, um die Härten der Energiekrise abzufedern.

In Kombination mit bereits vereinbarten Maßnahmen zur Reduzierung der Gas- und Stromnachfrage, zur Gasspeicherung und zur Umverteilung überschüssiger Gewinne im Energiesektor sollen diese neuen Schritte die Stabilität auf den europäischen Gasmärkten in diesem Winter und darüber hinaus verbessern. Die Maßnahmen sollen auch dazu beitragen, den Preisdruck auf die europäischen Bürger und die Industrie zu verringern und gleichzeitig die Versorgungssicherheit in einem funktionierenden Binnenmarkt zu gewährleisten. Die Kommission wird auch kurzfristig den EU-Krisenrahmen für staatliche Beihilfen (Temporary Crisis Framework, TCF) überarbeiten und die Möglichkeiten zur Begrenzung der Auswirkungen hoher Gaspreise auf die Strompreise weiterentwickeln.

Autor:
DI Oliver Dworak
E-Mail: oliver.dworak@wko.at

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