Halbporträt einer Person in dunkelblauem Shirt und Kappe, die mit beiden Händen ein Paket hält. Hinter der Person steht ein weißer Van, dessen Kofferraumtüren geöffnet sind. Im Van sind gestapelte Pakete
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Sparte Handel

Glücksspielrechtliche Aspekte beim Vertrieb von Mystery Boxen

Unterschiedliche Ausgestaltung von Mystery Boxen und die rechtlichen Rahmenbedingungen

Lesedauer: 4 Minuten

21.03.2025

Der Verkauf von Mystery Boxen – also Überraschungspaketen – wirft Fragen im Zusammenhang mit dem österreichischen Glücksspielgesetz (GSpG) auf. Wann handelt es sich um ein Glücksspiel, und welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten?

In Kooperation mit der Kanzlei DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH hat die Bundessparte Handel eine ausführliche Darstellung sowie einen Leitfaden erstellt, die die glücksspielrechtlichen Aspekte des Mystery-Box-Vertriebs erläutern.

Inhaltsverzeichnis

    Beschreibung des Geschäftsmodells und glückspielrechtliche Beurteilung:

      Geschäftsmodelle I. Geschäftsmodelle II.
    Modell Mystery Boxen (Waren),
    stationärer Handel
    Mystery Boxen (Retoursendungen),
    Warenautomaten
    Paketinhalt (Rest-)Waren aus dem Warensortiment des Händlersvom Händler angekaufte Retoursendungen von (Online-)Großhändlern; der Einkaufspreis des Händlers richtet sich oftmals nach Gewicht oder Volumen
    Vertrieb  Vertrieb über stationären HandelVertrieb über Warenautomaten
    Preis Preis pro "Mystery Box" variiert je nach Größe, Volumen oder Gewicht und orientiert sich am regulären Verkaufspreis der WarePreis pro Box (Retoursendung) variiert je nach Größe, Volumen bzw. Gewicht
    Ungewissheit Der Händler (bzw. dessen Mitarbeiter) weiß, welche Wareninhalte sich in der Box befinden.
    Der Endkunde weiß vor Kaufabschluss nicht, welche Ware und in welcher Stückzahl in der Box enthalten ist.

    Die Händler öffnen die Retoursendungen nicht und wissen daher nicht, welche Ware in er Box enthalten ist. Die Händler anonymisieren lediglich die personenbezogenen Daten (z.B. Name, Anschrift) des Bestellers am Paket.
    VerpackungDie Pakete werden von Mitarbeitern des Händlers vor Ort mit Wareninhalten befüllt.Es ist weder dem Händler noch dem Endkunden (möglicherweise aber dem Großhändler) vor Kaufabschluss bekannt, welche Ware und in welcher Stückzahl gekauft wird.
    Anreiz/Intention Der "Anreiz" des Endkunden besteht sohin unter anderem darin, nicht zu wissen, welche
    "Überraschung" ihn erwartet.
    Der "Anreiz" des Endkunden besteht sohin unter anderem darin, nicht zu wissen, welche "Überraschung" ihn erwartet.
    Glückspielrechtliche Beurteilung Höchstgerichtliche Judikatur fehlt.   

    Überwiegende Gründe für schlichten Kaufvertrag und nicht "Glücksvertrag" i.S.d. ABGB:

    1. Wagnis ≠ unmittelbarer Vertragsgegenstand
    2. Kaufmotiv =   vorwiegend "Schnäppchen" zu machen
    3. Dass Händler dem Endkunden eine Leistung erbringen muss, hängt nicht vom Zufall ab (kein "Spiel")
    4. Kaufvertrag erfordert Einigung über Ware und Kaufpreis. Weil Kunde bestimmte "Box" kauft, u.E. Vertragsgegenstand hinreichend bestimmt.

    Ergebnis: Gute Argumente gegen Vorliegen eines konzessionspflichtigen Glücksspiels.

    Höchstgerichtliche Judikatur fehlt.  

    Gewichtige Gründe für schlichten Kaufvertrag und nicht "Glücksvertrag" i.S.d. ABGB:

    1. Wagnis ≠ unmittelbarer Vertragsgegenstand
    2. Kaufmotiv = vorwiegend "Schnäppchen" zu machen
    3. Dass Händler dem Endkunden eine Leistung er- bringen muss, hängt nicht vom Zufall ab (kein "Spiel")
    4. Ein Kaufvertrag liegt vor, wenn Einigung über Ware und Kaufpreis besteht. Da der Kunde eine bestimmte "Box" kauft, ist u.E. der Vertragsgegenstand hinreichend bestimmt (obwohl die konkrete Eigenschaft / Qualität / Quantität der Ware bei der Kaufentscheidung noch nicht feststeht). 

    Ergebnis: Gute Argumente gegen Vorliegen eines konzessionspflichtigen Glücksspiels.

    Aber Achtung:

    1. (Kauf-) Entscheidung (ob und welches Paket der Warenautomat ausgibt), muss vom Kunden getroffen werden und darf nicht vom Zufall abhängig sein!
    2. Keine zufällige Freigabe einer Box durch den Automaten!
    3. Ansonsten ggf. konzessionspflichtige "Ausspielung" i.S.d. § 2 GSpG.
      Geschäftsmodelle III. Geschäftsmodelle IV.
    Modell Mystery Boxen bzw.
    "Überraschungssackerl" (Lebensmittelrettung), Online-Shop / App
    Mystery Boxen (Waren / Retoursendungen), Warenautomaten
    bzw. Online-Shop mit
    "Leerboxen"
    Paketinhalt Boxen bzw. Überraschungssackerl zur Lebensmittelrettung Sowohl (Rest-)Waren aus dem Warensortiment des Händlers als auch vom Händler angekaufte Retoursendungen von (Online-)Großhändlern.
    Abweichend zu den bisherigen Modellen: Es gibt auch "Leerboxen" (ohne Wareninhalt) 
    Vertrieb Vertrieb über Online-Shops bzw. digitale Apps Vertrieb über Warenautomaten bzw. über Online-Shops
    Preis Preis variiert je nach Geschäft / Partnerunternehmen (z.B. Bäckerei, Restaurant), ggf. auch nach Größe bzw. Gewicht Preis pro Box (Retoursendung) variiert je nach Größe, Volumen bzw. Gewicht
    Ungewissheit Weder dem Händler noch dem Endkunden ist vor Kaufabschluss bekannt, welche Ware und in welcher Stückzahl er kauft. Weder dem Händler noch dem Endkunden ist vor Kaufabschluss bekannt, welche Ware und in welcher Stückzahl er kauft. Auch ist es möglich, dass der Automat bzw. ein Algorithmus im Online- Shop dem Endkunden eine "Leerbox" zuweist.
    Verpackung Die "Boxen" bzw. "Überraschungssackerl" werden von Partnerunternehmen bereitgestellt. Die Pakete werden von Mitarbeitern des Händlers mit Wareninhalten befüllt. Auch "Leerboxen" (ohne Wareninhalt) sind vorgesehen.
    Anreiz / Intention Der "Anreiz" des Endkunden besteht vorwiegend darin, Waren, insbesondere Lebensmittel, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen, zu niedrigen Preisen zu kaufen. Wenngleich rechtlich nicht entscheidend ist für die Kaufentscheidung der Umweltschutzgedanke bzw. Vermeidung von Lebensmittelverschwendung   ("food waste") relevant. Der "Anreiz" des Endkunden besteht sohin unter anderem darin, nicht zu wissen, ob überhaupt und wenn ja, welche "Überraschung" ihn erwartet.
    Glückspielrechtliche Beurteilung Höchstgerichtliche Judikatur fehlt.

    Unseres Erachtens kein Glücksvertrag (und in der Folge kein Glücksspiel). Die Motive des Kunden, ein "Schnäppchen" zu machen sowie (auch) zu einem wesentlichen Teil der Umwelt(schutz)aspekt stehen hier im Vordergrund.

    Ergebnis: Gute Argumente gegen Vorliegen eines konzessionspflichtigen Glücksspiels

    Wenn Ausgabe einer Mystery Box vom Zufall abhängt, liegt unseres Erachtens

    "Glücksvertrag" i.S.d. ABGB vor und damit auch ein Glücksspiel i.S.d. § 1 GSpG. Weil in der Regel Unternehmereigenschaft (Händler) vorliegt und die übrigen Merkmale (Erbringung eines Einsatzes, In-Aussichtstellung eines Gewinnes) vorliegen, liegt "Ausspielung" i.S.d. § 2 GSpG vor.

    Ergebnis: Bei Verwendung von Waren(spiel)automaten, (Entscheidung über das Spielergebnis erfolgt durch mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten), liegt ein Glücksspiel, nämlich eine (konzessionspflichtige) Warenausspielung (§ 2 Abs 3 GSpG) vor.

    Entscheidet Algorithmus im Online-Shop, ob Gewinn oder Verlust eintritt, ebenfalls Glücksspiel i.S.d. GSpG.


    Haftungsausschluss:
    Die obige Rechtsauskunft wurde nach bestem Wissen und Gewissen erteilt. Angesichts des Fehlens gefestigter Rechtsprechung kann ausdrücklich keine Haftung übernommen werden.

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