Zwei Personen auf Strandliegen in Rückenansicht, die Arme angewinkelt an den Köpfen, liegen vor Swimmingpool im Sonnenuntergang, im Hintergrund weitere Personen, Sonnenliegen und Sonnenschirme unter Palmen am Strand vor Meer
© Song_about_summer | stock.adobe.com

Sommerzeit – Urlaubszeit – Italien zwischen Overtourism und Fachkräftemangel

Toptourismusdestination auf der Suche nach innovativen Lösungen für Verkehr, Unterkünften und nachhaltigen Konzepten 

Lesedauer: 4 Minuten

Italien Tourismus Know-How & Infrastruktur

Die Tourismuswirtschaft trägt nach Erhebungen des World Travel & Tourism Council (WTTC) in Italien mit EUR 215 Mrd zur ital. Wirtschaft bei, d.h. 10,5 % der Wirtschaftsleistung. 2023 wurden 185.000 neue Jobs in der Branche generiert, und die Branche hat insgesamt 2,97 Mio Arbeitsplätze geschaffen. Einer von acht Arbeitsplätzen kann dem Tourismussektor zugeordnet werden. Für 2024 sieht der WTTC einen Beitrag von EUR 223,1 Mrd. Nach einem Bericht der Südtiroler Wirtschaftszeitung bleibt die Region mit dem größten Aufkommen Venetien, wo neben dem Badeurlaub auch der Berg-, Ski- und Städtetourismus von Bedeutung sind. Im Vorjahr wurden dort 71,9 Mio. Nächtigungen registriert, ein Anteil von 15,9 %. Gleich dahinter folgt mit 55,9 Mio Nächtigungen und einem Anteil von 12,4 % Trentino-Südtirol. Italiener:innen nehmen derzeit gar Schulden auf, um in den Urlaub zu fahren

Die Branche kämpft jedoch mit den europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Rahmenbedingungen, sowohl juristischer als auch faktischer Natur.  

Ausgetrocknete Seen und Wasserknappheit in Sizilien, Bären, Wölfe, Feuerwürmer und Blaukrabben bis hin zum Noravirus sorgen für Schlagzeilen, so dass sich selbst ein Bürgermeister einer Gardaseegemeinde wegen Stornierungen genötigt sieht, öffentlichkeitswirksam ein Glas Gardaseewasser zu trinken.  

Auf der anderen Seite versuchen die Verantwortlichen der lokalen Gebietskörperschaften die Besitzstände und Interessen von lokalen Wirtschaftstreibenden (z.B. Hotelbetreiber, Taxi- und Strandkonzessionsinhaber) und Anwohner:innen - es herrschen mancherorts massive Wohnungsnot, Müll- und Verkehrsnotstand - mühsam in Einklang zu bringen.    

Städte wie Florenz wollten bspw. Kurzeitvermietungen im Stadtkern verbieten, was dann zeitnah von einem ital. Verwaltungsgericht für unzulässig bewertet wurde - siehe Short-term rentals: stop and go in Florence, the ban no longer applies (for now)). Florenz plant nun Bürgermeister-Treffen gegen Massentourismus

Die bereits regional reglementierte Kurzzeitvermietung soll nun landesweit geregelt werden. Die Regierung plant dazu einen obligatorischen nationalweiten Kode, den sog. CIN – codice identificativo nazionale. Dieser muss auf allen Buchungsplattformen, Kanälen und beim Mietobjekt selbst aufscheinen. Anbieter wie Airbnb und Booking haben sich nach Pressemeldungen verpflichtet, keine Objekte ohne CIN Code zu veröffentlichen. Die Strafen sollen zwischen EUR 5.000,00 und EUR 8.000,00 liegen. Wie auch österr. Portale und Reiseveranstalter betroffen sein werden, bleibt abzuwarten. 

Darüber hinaus soll dem Vernehmen nach in Kürze auch eine Kurtaxe in allen ital. Gemeinden kommen. Es steht auch eine entsprechende Staffelung je nach Hotelkategorie im Raum von EUR 5 bis zu EUR 25 für Luxushotels. 

Während bestimmte Gemeinden wie Venedig die kürzlich eingeführte Eintrittsgebühr für Tagestouristen auf EUR 10 erhöht oder die ligurischen Küstenstädte dem Beispiel folgen, wird im Süden des Landes ein eigener Flughafen für die Amalfiküste feierlich eröffnet, um noch mehr Touristen anzulocken. Ferner gibt es bspw. neue Zugverbindungen zwischen der frz. Côte d'Azur und der ital. Riviera – siehe auch Land Südtirol zahlt indirekt für den Museumsbesuch von Touristen

Die sehr einflussreichen ital. Taxifahrer wehren sich zumeist mit Erfolg gegen jegliche Liberalisierungsmaßnahmen und die Erhöhung der Anzahl der Taxilizenzen. Der Widerstand hat bisher den Markteintritt von Uber und Co. in Italien erfolgreich verhindert, wobei bspw. der Bahnbetreiber Italo Gegenakzente durch ein Abkommen mit Uber setzt. Im Hinblick auf die grenzüberschreitende Personenbeförderung gab es jüngst bei der Handelskammer Bozen ein Fachtreffen.  Hintergrund ist die Gesetzeslücke, wonach Taxis und Mietwagen mit Fahrer:innen, die zwischen Italien, Deutschland und Österreich unterwegs sind, keine Personen grenzüberschreitend befördern dürfen.  

Auch die sonstigen im Tourismus derzeit schwer zu findenden qualifizierten Personen sorgen regelmäßig mit Streiks für Schlagzeilen „Mangel an Personal und unzureichende Gehälter gefährden die Zukunft“, so die Forderungen der ital. Gewerkschaften. 

Italian beachgoers face threat of sunbed rental strike titelte jüngst die Financial Times, basierend auf dem ewigen Streit zwischen Italien und der EU zur Umsetzung der „Bolkesteinrichtlinie“, was durch die neueste EuGH Entscheidung zum entschädigungslosen Übergang von auf öffentlichem Grund und Boden errichteten nicht entfernbaren Bauten noch einmal forciert wurde. Die EU pocht bei der Vergabe der Lizenzen seit Jahren auf eine Liberalisierung; die Strandbadbetreiber sehen das jedoch anders und sind empört. Die Strandbadbetreiber wehren sich schon seit zwei Jahrzehnten gegen eine EU-Direktive, die seit 2006 eine europaweite Ausschreibung der Lizenzen vorschreibt. Oft sind die Strandbäder in Italien seit Jahren in der Hand der gleichen Betreiber. 

Österreich kann hier mit innovativen Lösungen und Konzepten punkten. Der Tourismus ist im ital. Wiederaufbauplan eine der sechs Pfeiler, in die massiv investiert werden soll – siehe Digitalisation, innovation, competitiveness, culture and tourism – EUR 41,34 Mrd. Gefragt sind digitale Lösungen und Mobilitäts-, Sicherheits- und Hygienekonzepte, die Tourismusströme leiten und den Gebietskörperschaften praktikable Lösungen an die Hand geben, Partner in Österreich, die zielgerichtet und maßvoll bestimmte Touristengruppen ins Land holen, bspw. zeitlich und geografisch gestaffelt sowie HR Spezialisten, die in der Lage sind, qualifiziertes Personal zu finden, fortzubilden und zu halten. 

Die AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA in Italien hat übrigens für österreichische Unternehmen ein strategisches Veranstaltungsprogramm unter dem Leitmotiv Road to Olympia 2026 entwickelt. Es zielt darauf ab, die Potenziale, die sich bei solchen Sportgroßereignissen im Vorfeld für die österreichische Wirtschaft ergeben, zu fördern. In unserer Veranstaltungsvorschau finden Sie - über Olympia hinaus – auch interessante Events in den unterschiedlichsten Branchen. 

Stand: 07.08.2024

Weitere interessante Artikel
  • Sehr viele Menschen gehen und stehen auf einer Straße. Links und rechts sind Gebäude

    11.07.2024

    Arbeitskräftemangel in Japan: Unterstützung im Ausland angestrebt
    Weiterlesen
  • Eine weiße Gondel an Seil hängend, in der Personen in Schikleidung sitzen, an der Gondel außen Schi befestigt, im Hintergrund verschneite Bergkette

    31.07.2024

    Aktuelle Geschäftschanche: Olympische Winterspiele Milano Cortina 2026
    Weiterlesen
  • Person in Rückansicht fährt mit Rollband aufwärts und blickt zum Fenster hinaus, im Hintergrund verschwommen Flugzeug, vor Person auf Rollband weitere Person mit Rollkoffer

    05.09.2024

    Neues Investitionsgesetz in Saudi-Arabien
    Weiterlesen