Illustrierte Weltkarte in Blau mit unterschiedlich hohen Statistiksäulen
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Guyana: Der Shooting-Star Lateinamerikas erobert die Spitze

Global Situation Report 28.5.2024

Lesedauer: 2 Minuten

14.09.2024

Einschätzung des WKÖ-Wirtschaftsdelegierten


Wirtschaftslage und politische Situation

Der Fund enormer Öl- und Gasvorkommen katapultiert dieses früher arme Land seit 2019 in Punkto Wirtschaftswachstum an die Spitze in Lateinamerika und der Welt. Mit zweieinhalbmal der Fläche Österreichs und gerade einmal 800.000 Einwohnern wächst die Wirtschaft des Landes mit enormer Geschwindigkeit. Guyana hat 2022 das weltweit höchste BIP-Wachstum mit 62,3 % erzielt, gefolgt von über 30 % im vergangenen Jahr. Damit hat sich das Bruttoinlandsprodukt von 2019 bis 2023 von USD 5,2 Mrd. auf rund USD 21 Mrd. vervierfacht. Guyanas Ölreserven sind – pro Kopf gerechnet – die größten weltweit. Bis 2025 rechnet der IWF mit dem Aufstieg Guyanas zum viertreichsten Land der Welt, gemessen am kaufkraftbereinigten BIP pro Kopf. Eine stabile Regierung unter Präsident Irfaan Ali mit einer offenen Volkswirtschaft nutzt die finanziellen Vorteile für die rasante Entwicklung des Landes.

Fazit: Das „schwarze Gold“ katapultiert eines der ärmsten Länder am Rande der Karibik an die (Wachstums-)Weltspitze.  

Vier unterschiedliche Statistiken zu den Themen BIP-Wachstum, Inflationsrate, Guyanas Außenhandel, Außenhandel Österreichs mit Guyana
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Auf der Überholspur bzw. wirtschaftspolitische Erfolgsgeschichte?

Präsident Irfaan Ali regiert zwar mit einer knappen Mehrheit, sitzt aber aufgrund einer weitsichtigen Wirtschafts- und Entwicklungspolitik fest im Sattel. Demnach sind die Chancen auf eine Wiederwahl im November 2025 hoch. Guyana war darüber hinaus trotz des enormen Wachstums einer der wenigen Karibikstaaten mit einer moderaten Inflation.

Große Investitionen gibt es nicht nur im Energiesektor – darunter speziell bei Erneuerbaren Energien –, sondern auch bei Verkehrsinfrastruktur, Gesundheit, Umwelttechnologien, Landwirtschaft, Hochbau, Bergbau und Industrialisierung. „Local-Content“-Regeln zielen zwar darauf ab, die Wirtschaft abseits des Öl- und Gassektors auf dem Wachstumszug mitzunehmen, allerdings sind die knappen und teils auch qualitativ unzureichenden Ressourcen der lokalen Sublieferanten eine enorme Herausforderung für Generalunternehmer großer Infrastrukturprojekte. Daher erscheint der Zeitpunkt ideal für den Markteinstieg, sei es als Generalunternehmer oder als dringend benötigter Zulieferant.

Fazit: Bisher ist der Regierung die Gratwanderung zwischen ölgetriebener Entwicklung des Landes und (drohender) Überhitzung der Konjunktur überraschend gut gelungen.

Geschäftschancen und Situation für österreichische Unternehmen

Auch Österreich hat mit Guyana einen neuen Lieferanten für das knapp gewordene Rohöl gefunden und 2023 Öl für EUR 382 Mio. importiert, Tendenz stark steigend (+64 %). Im Gegenzug konnte Gesundheitsinfrastruktur eines heimischen Anbieters im Auftragswert von bisher rund EUR 300 Mio. platziert werden. Chancen bieten sich für heimische Anbieter von Wasserkraftanlagen, Verkehrsinfrastruktur, Bau und Bauzulieferungen, Bergbau, Öl- und Gasindustrie, Land- und Forstwirtschaft, Umwelttechnologien, Hotellerie und Industrieanlagen.

Im Projektgeschäft ist die Finanzierung ein gewichtiges Argument. Die OECD hat zwar bei der Risikoeinstufung von Guyana auf die aktuelle Lage mit einer Verbesserung auf Kategorie 5 reagiert, droht aber das Rennen gegenüber Ländern, wie Indien und China zu verlieren. Der kürzlich aufgeflammte Streit mit den venezolanischen Nachbarn um den rohstoffreichen Fluss „Essequibo“ ist zwar latent vorhanden, eine militärische Auseinandersetzung ist aber aufgrund der amerikanischen und britischen Schutzmächte unwahrscheinlich.

Fazit: Österreich ist als Partner Guyanas positioniert und könnte diesen Vorsprung nutzen.

Vier unterschiedliche Statistiken zu den Themen Top 5-Exportpotenzial, Investitionen in % des BIP, Exportquote und Wechselkurs
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