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Fotos und Hintergrundinformation
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Im März 2017 wurde das "Vergolden und Staffieren" in Österreich in das Österreichische Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Vergolden & Staffieren in Österreich - eine Kurzbeschreibung
Gold faszinierte immer schon die Menschen. Seit der Antike wird das Göttliche durch Gold symbolisiert – in den Pharaonengräbern genauso wie in Tempeln und Kirchen aller Epochen.
Die Vergoldung wurde entwickelt, weil pures Gold in der Regel zu kostspielig oder nicht praktikabel ist, die vergoldeten Objekte (Blattgold ist zehntausendstel Millimeter dick) sollen aber die Anmutung massiven Goldes haben.
Grundsätzlich sind die Poliment-, (auch Branntwein-,) Vergoldung, die glänzend oder matt ausgeführt werden kann und die Ölvergoldung, zu unterscheiden. Die aufwändigere Polimentvergoldung wird mit Blattgold, Blattsilber, Palladium und Platin (und deren verschiedenen Legierungen) ausschließlich im Innenbereich angewendet. Die technisch einfachere Ölvergoldung kann mit den Edelmetallen auch im Außenbereich verwendet werden.
Zum Lehrberuf eines Vergolders gehört auch das Staffieren, das Bemalen und Fassen von nicht vergoldeten Oberflächen (vor allem Holz, Stuck, Stein und Metall). Dazu zählen das Marmorieren, die Holzimitation, das Lüstern, die Polierfassung (Porzellanimitation) und die Herstellung von Metallpigmentfassungen.
Das Herstellungsverfahren der Polimentvergoldung (Leimtränke, Kreidegrund, Poliment und Goldüberzug) wurde in den Grundzügen seit jeher kaum verändert und mündlich tradiert. Allerdings fand man immer neue Methoden, der Strukturierung des Kreidegrunds und der Patinierung. Den Vorlieben des jeweiligen Kunstgeschmacks folgend wurden immer wieder neue Methoden des „Vergoldens“ – auch mit unedlen Metallen entwickelt. Vor allem verschiedene Arten der Patina bzw. Schlussbehandlung der Oberfläche sind jeweils Orts- und Zeittypisch.
Die bisher letzte große Ära des Vergolderhandwerks ist Jugendstil und Art Deco. Vor allem in der 2. Hälfte des 20. Jh. hat das Interesse an Vergoldungen stark abgenommen und die Zahl der Handwerksbetriebe ist so sehr zurück gegangen, dass heute nur mehr wenige Meister das vielfältige und reiche, tradierte Wissen über dieses „goldene Handwerk bewahren und weiter geben können.
Berufsbild & Aufgabenfeld
Das Berufsbild des Vergolders umfasst heute die Restaurierung historischer Objekte, genauso wie die Arbeit an zeitgenössischer Kunst und Architektur.
In der Pflege, Restaurierung, Konservierung und Ergänzung von historischen Ausstattungen von Kirchen und Profanbauten legt der Vergolder größten Wert darauf, die ihm anvertrauten historischen Oberflächen zu erhalten. Sein historisches Wissen über den Aufbau des Werkstückes befähigt ihn, diese von allen Ablagerungen wie etwa Staub oder Kerzenruß zu befreien – so reinigte man jahrhundertelang vergoldete Oberflächen mit altem Brot und speziellen Tinkturen, um das Gold in neuem, alten Glanz erstrahlen zu lassen, ohne die hauchdünne Goldschicht zu verletzen. Die wissenschaftliche Forschung konnte bisher kein gleichwertiges Verfahren vorschlagen.
Bekannte Projekte der jüngeren Vergangenheit sind die Restaurierungen der Stiftskirche Melk und das Stadtpalais Lichtenstein.
Beispiele für neue Vergoldungen an moderner Architektur sind der Gläserne Saal im Wiener Musikverein, und zahlreiche Bauwerke Friedensreich Hundertwassers. Auch im Bereich der Repräsentation ist die Vergoldung nicht wegzudenken, z.B. in Hotels und Luxusimmobilien.
Die Polimentvergoldung ist das Herzstück des Vergolderhandwerks. Ein Gemisch aus Haut- und Knochenleimen und verschiedenen Kreiden wird mehrmals auf das Werkstück aufgetragen. Nach dem Trocknen wird die Oberfläche jeweils geschliffen, eventuell graviert und gewuggelt (Tremolierstrich), geprägte Applikationen oder Pastiglia werden aufgetragen. Als Kleber für das Blattgold dient Poliment (Tonerde = Bolus und Eiklar), das nach individuellen, mündlich überlieferten Rezepturen des jeweiligen Vergoldermeisters hergestellt wird.
Dann wird mit einem Fehhaarpinsel (Ohrenhaare des Eichhörnchens) die sog. Netze ein Alkohol- (Branntwein-)Wasser-Gemisch aufgetragen. Auf die so klebend gemachten Bereiche wird mit dem „Anschießer“, dem sog. „Oachkatzelschwoaf“ (aus den Schweifhaaren des Eichhörnchens hergestellter, einem Pfauenrad gleichender Pinsel) das Blattgold „angeschossen“ (aufgebracht). Der Zuschnitt des Goldes wird auf einem Vergolderkissen (einem mit Rehleder bespannten Holzbrettchen) mit einem Vergoldermesser gemacht. Im letzten Arbeitsschritt wird das trockene Gold mit dem Polierstein (halbmondförmiger Achat auf einem Holzstiel) poliert, damit es in Hochglanz erstrahlt.
Entstehung und Wandel
Die in der Antike wurzelnde Vergoldung ist aus der religiösen Kunst des Mittelalters nicht wegzudenken. In der Gotik wurden erstmals Skulpturen prächtig in Gold- und Farbfassungen und polierten Inkarnaten hergestellt. Der Barock und das Rokoko waren die Blütezeit des Vergolderhandwerks. Als Auftraggeber dieser Epochen ist nun neben der Kirche (Theatrum sacrum) auch verstärkt der höfische Bereich zu nennen. Neue Techniken wie Majolika, Porzellanimitationen, Polierweiß, verschiedene Lüstertechniken, Waschgold, Drachenblutlack, Marmorieren und Holzimitationen wurden verstärkt in Anspruch genommen.
Die Ringstraßenbauten bedeuteten vor allem in Wien neue Aufgaben für Vergolder: Schlagmetall (Blattmessing) wurde verstärkt verarbeitet und mit der Entwicklung der Polierbronze wurde der sog. „Wiener Glanz“ berühmt.
Nach dem 2. Weltkrieg führten Vergolder an Bauwerken vor allem Rekonstruktionen (Kriegsschäden) und Restaurierungen aus. Neue Großprojekte gab es kaum.
Nicht wegzudenken sind die Fähigkeiten und Erfahrungen der Vergolder in der Konservierung und Restaurierung von Möbeln, Bilder- und Spiegelrahmen, Skulpturen und Raumausstattungen. Der Vergoldermeister kann heute auf das gesamte tradierte Wissen seiner Zunft zurückgreifen und so die gesamte Bandbreite aller Oberflächenfassungen mit Metall- oder Pigmentauflagen anbieten – buchstäblich mit Rat und Tat. Die im Vergolderhandwerk vorhandene Expertise ist eine wertvolle Ergänzung der Arbeit akademischer Restauratoren, die handwerkliche Fertigkeit des Vergoldermeisters, wo ein Lehrling in 3-jähriger dualen Ausbildung und Übung aufgebaut wird, ist für den Erhalt unseres kulturellen Erbes unverzichtbar.
Und dennoch ist in den letzten Jahren eine deutliche Abnahme der Zahl der Vergolderbetriebe bzw. Mitarbeiter und Lehrlinge zu verzeichnen. Die Vergoldung hat ihren hohen Stellenwert im Bewusstsein der Bevölkerung verloren.
Doch gerade in jüngster Zeit ist in der Gesellschaft (wohl als Gegenbewegung zur fortschreitenden Digitalisierung) die verstärkte Hinwendung zum Handwerk generell wahrzunehmen.
Die heute noch tätigen Vergolderinnen und Vergolder üben ihren Beruf mit Hingabe und im vollen Bewusstsein ihrer Verantwortung aus. Sie bewahren Jahrhunderte Jahre altes Wissen und versuchen, es für die moderne Zeit nutzbar zu machen.
Stand: 15.01.2018