
„Ich hoffe, dass meine Worte Mut geben“
Der angehende Gastronom Moritz Huth fällt durch seine positive Lebenseinstellung auf, die er trotz fortscheitender Sehbehinderung an den Tag legt.
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Dieter Steup, WK Wien-Bezirksobmann der Inneren Stadt ist zu Besuch im DaMoritz. Er folgt dem 22-jährigen Moritz Huth schon seit längerem begeistert auf Instagram und ist überzeugt, dass der junge Mann einiges in Sachen Optimismus zu sagen hat. „Die Familie Huth ist ein großartiger Familienbetrieb und ich bin glücklich, dass wir sie in der Inneren Stadt haben. Sie verkörpern Stabilität und Nachhaltigkeit. Moritz zeigt einen Unternehmergeist, wie man ihn gerade jetzt braucht. Daher freue ich mich, dass wir ihn im Rahmen unseres heurigen Optimismus-Schwerpunkts vorstellen dürfen.“
WKOimBezirk hat Moritz Huth zum Interview gebeten. Er spricht er über seinen Alltag, seine Karrierepläne, darüber, wie er mit seiner Sehbehinderung umgeht und wie Künstliche Intelligenz dabei hilft.
Wie möchtest du, dass man die Situation mit deiner Sehbehinderung benennt?
Ich bezeichne mich als beeinträchtigt. „Behindert" gefällt mir nicht, das ist schon so oft vor allem bei Jugendlichen missbräuchlich in der Umgangssprache verwendet worden.
Du sprichst auf deinem Instagram-Kanal offen über deine Beeinträchtigung. Wie hat sich deine Erkrankung bei dir bemerkbar gemacht hat. Wann wurde die Diagnose gestellt?
Retinitis pigmentosa ist eine genetisch bedingte Krankheit, die den schleichenden Verlust von Sehzellen auf der Netzhaut bewirkt. Bei mir hat sich die Krankheit Zeit gelassen. Mit sieben Jahren habe ich sie das erste Mal bemerkt, als ich beim Radfahren im Wald öfter die Wurzeln übersehen habe beim Wechsel von Licht und Schatten. Dann wurde die Diagnose gestellt, seither schränkt sich mein Sichtfeld ein. Das passiert in Schüben, oft über Nacht. Seit einem Jahr wird es rapid schlechter. Jetzt sehe ich nur noch auf einem Auge wie durch einen Strohhalm.
Gibt es Behandlungsmöglichkeiten für deine Erkrankung?
Ein Transplantat kommt leider nicht infrage, weil die Netzhaut viel zu kompliziert aufgebaut ist, als dass man sie transplantieren könnte. Ich stelle mich darauf ein, dass mein Augenlicht nicht besser wird, sondern eher schlechter.
Wie gehst du emotional mit dieser Diagnose um?
Erstaunlich gut. Früher hätte mich das aus der Bahn geworfen. Doch heute nicht mehr. Mein Vater sagt: "Fang an, das, was du nicht ändern kannst, für dich zu nutzen." Ich verarbeite das also durch meine öffentlichen Auftritte, durch mein Instagram-Profil. Da versuche ich einen guten Mix aus Gastro-Talk und wie ich mit meiner Beeinträchtigung lebe.
Du studierst Tourismusmanagement an der FH der WK Wien und bereitest dich auf eine Karriere in der Gastronomie vor.
Unternehmer zu sein, das ist mein Ziel. Dafür brenne ich und das treibt mich an. Gastronomie ist zwar ein Knochenjob, aber ich spüre das Feuer dafür in mir. Ich habe das Talent und verfolge dieses Ziel konsequent.
Erzähl uns mehr über dein Studium.
Ich studiere Tourismusmanagement an der FH der WKW. Ich finde es toll, wie dort die duale Ausbildung angelegt ist. Im ersten Jahr studiert man Vollzeit, ab dem zweiten Jahr sammelt man Arbeitserfahrung – also Uni plus Praktikumsplatz, ähnlich wie bei einer Lehre. Mein erstes Jahr dieser Praxisphase habe ich im Hotel Sacher verbracht, wo ich sehr viel lernen durfte und einige neue Erfahrungen gesammelt habe. Mein zweites Praxisjahr werde ich mich nun schon voll auf die Huth Gastronomie konzentrieren. Hierfür ist mit Planung unseres neuen Projekts, dem Bermuda Bräu, der perfekte Zeitpunkt gekommen.
Wie gestaltest du deinen Alltag mit eingeschränktem Sehvermögen?
Meine Wege lege ich per Taxi zurück. Wege, die ich gut kenne, auch mit U-Bahn oder zu Fuß. Durch das immer eingeschränktere Gesichtsfeld ist das Vergrößern von Bildern, Text, oder Kalendereinträgen sehr anstrengend. Im Sommer werde ich mich daher wieder mit Braille auseinandersetzen und mich auf den nächsten Schub vorbereiten. Ich bin dankbar, dass ich die Chance und Zeit habe, mich vorzubereiten.
Ich gehe gerne in Restaurants. Dort ist das Schwierigste als blinder Gast die Toilette zu finden. Ich möchte die Kellner nicht gerne stören, vor allem nicht in der Stoßzeit. Das ist mir unangenehm, doch sie helfen immer gerne.
Inwiefern hat Technologie deinen Alltag verändert?
Die Künstliche Intelligenz hat mein Leben maßgeblich geprägt und vereinfacht. Ich lerne damit und brauche beispielsweise gar keine blindengerechten Texte mehr, denn ich spiele alles in die KI ein. Ich habe Chatbots zu vielen Dingen angelegt. Sie trainieren mich wie ein digitaler Lehrer und prüfen den Lernstoff ab. Sie hilft mir auch im Alltag – ich fotografiere zum Beispiel meine Jeans und frage sie, ob sie noch sauber sind (lacht). Auch im Arbeitsalltag ist die KI inzwischen ein nicht wegdenkbarer Begleiter geworden.
Gibt es in deinem Leben einen Schlüsselmoment?
Das war wohl, als ich das Diplom zum Sommelier, als erste Person mit einer Sehbeeinträchtigung und sogar mit Auszeichnung als Jahrgangsbester bekommen habe. Als ich mit dieser Auszeichnung dastand, war das ein großartiges Gefühl. Das hat mir gezeigt, wie viel möglich ist.
Wie kam es dazu, dass du diese Ausbildung gemacht hast?
Mit 18, nach der Matura, hat mir mein Vater empfohlen, die Sommelier-Ausbildung zu machen. Dort konnte ich meine Sinne schärfen. Ich habe das also am WiFi gemacht und mich hat sofort die Leidenschaft dafür gepackt. Da wusste ich, ich bin im richtigen Job. Jetzt ist der Sommelier ein schönes Hobby und eine Lieblingsbeschäftigung, das läuft nebenbei mit.
Welche Eigenschaften zeichnen dich aus?
Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen und Innovation. Und Dankbarkeit – ich bin sehr dankbar, dass ich schon in jungen Jahren weiß, was ich will, mit der großen Motivation zur Selbstverwirklichung. Ich kann aufgrund der Sehbehinderung den Beruf Gastronom nicht so ausüben wie mein Vater, doch ich kann es auf meine Art machen.
Welche Erfahrungen machst du in den sozialen Medien, wo du ja auch über deine Erkrankung sprichst?
Ich habe schon Vorwürfe bekommen, ich würde meine Krankheit vortäuschen. Viele unterscheiden auch nicht zwischen blind und sehbehindert. Es gibt so verschiedene Augenkrankheiten, aber die Leute denken nur in Schwarz und Weiß, sind zu wenig reflektiert. Wenn ich Missverständnisse erlebe, dann meistens im Internet.
Aber ich bekomme auch ganz viel Zuspruch. Viele bedanken sich bei mir. Andere Menschen mit Beeinträchtigungen sagen, dass es ihnen Kraft gibt, wie ich mit der meinen umgehe. Das will ich erreichen. Ich hoffe, dass meine Worte Mut geben.
Wie blickst du angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage in die Zukunft?
Natürlich haben jetzt viele Unternehmen Sorgen. Man muss dabei immer auf die individuelle Situation abstellen. Ich kann für die Gastronomie im Tourismus sagen: Diese Dienstleistung wird überleben, denn das wollen die Leute. Wir werden die Rezession überwinden und nicht zuletzt dank der Hilfe der KI gut leben. Wir haben schon wieder Nächtigungszahlen wie 2019, und das war ein magisches Jahr, ein Meilenstein im Tourismus. Natürlich gibt es den finanziellen Aspekt. Doch wer in der Lage ist, noch ein wenig durchzuhalten, der taucht auch durch, denn es kommen ganz bestimmt bessere Zeiten.
Zum Abschluss: Was möchtest du anderen jungen Menschen mit Herausforderungen mit auf den Weg geben?
Jeder hat seinen Rucksack zu tragen. Ich habe meinen Rucksack und kann trotzdem erreichen, was ich erreichen will. Von meinen Eltern habe ich alle Möglichkeiten bekommen. Vor allem haben sie mich gelehrt, Verantwortung zu übernehmen. Meine Eltern sind meine persönlichen und unternehmerischen Vorbilder.