Blum-Geschäftsführer Gerhard Humpeler äußert sich zur aktuellen Wirtschaftslage.
© Darko Todorovic

Unser aller Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel

Gastkommentar Gerhard Humpeler, Mitglied der Geschäftsleitung bei Blum.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 08.11.2024

Neue Regierungen starten oft mit dem Hemmnis, Wahlversprechen einlösen zu müssen, bekommen von allen Seiten gute Ratschläge mit auf den Weg und müssen die Wünsche ihrer Stakeholder erfüllen. Unternehmen haben in erster Linie die Aufgabe, ihre Geschäfte erfolgreich zu führen, manchmal kommen sie aber um eine Einmischung in die Politik nicht herum.

Derzeit ist ein lauter Ruf nötig, denn aus Sicht vieler Vorarlberger Unternehmen und auch von Blum, das bis heute den größten Teil seiner Wertschöpfung in diesem Land erbringt, besteht dringender Handlungsbedarf: Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich ist bedroht. Der selbsterklärte Exportweltmeister Österreich lebt nicht vom Heimatmarkt. Was Blum betrifft, liegt der Umsatzanteil gerade einmal bei 3 Prozent, bei anderen Vorarlberger Hidden Champions ist das ähnlich. Daher heißt es, international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wir sehen uns mit deutlich höheren Kostensteigerungen konfrontiert als unsere internationalen Wettbewerber. Wir rufen nicht nach Förderungen, aber wir brauchen Rahmenbedingungen, mit denen wir am Standort Österreich erfolgreich bleiben und so Arbeitsplätze und die regionale Kaufkraft sichern können. Die Bedeutung von internationalen Leitbetrieben für regionale Zulieferer, Gewerbebetriebe und den Einzelhandel darf nicht unterschätzt werden.

Die Gründe für den Rückfall in den Wettbewerbsrankings sind zu einem guten Teil hausgemacht – sie liegen in der Inflation, überbordender Bürokratie in Verbindung mit hohen Abgaben auf Löhnen und Gehältern. Die Inflation ist in Österreich massiv höher als in anderen EU-Staaten. Unter anderem deshalb sind beispielsweise die Lohnstückkosten in Österreich seit 2019 um 35 Prozent gestiegen, während der Anstieg in den restlichen westeuropäischen Ländern “nur” um 20 Prozent lag.

Viele unserer Mitarbeitenden sind auf die Erhöhungen der vergangenen Jahre angewiesen, weil das Leben in unserem Land tatsächlich teurer geworden ist. In der Gastronomie und bei den Mieten sind wir fast schon bei einem Schweizer Preisniveau angekommen – bei einem deutlich niedrigerem Median-Einkommen.

Uns sind die Menschen wichtig und wir legen Wert auf ein gutes Einvernehmen mit unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Leider kommt bei ihnen netto zu wenig aus den Lohn- und Gehaltserhöhungen an.

Darum bedarf es aus unserer Sicht dringender Reformen. In den Lohnnebenkosten verstecken sich Bestandteile, die da nicht (mehr) hineingehören. Wir stellen die Beiträge zur Kranken-, Pensions- oder Unfallversicherung keinesfalls infrage. Warum ein Wohnbauförderungsbeitrag, Familienleistungen oder Freifahrten für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge ausschließlich von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden, stellen wir zur Diskussion. Vieles hat mit Lohnneben- und Versicherungskosten nichts zu tun, diese Wohltaten sollten wir alle nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und somit der Staat aus Steuermitteln bestreiten.

Zudem gibt es viele Bereiche, in denen unsere Beiträge versickern und die dringend reformiert gehören. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung beispielsweise ist mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Die Bildungskarenz kostet die Arbeitslosenversicherung Jahr für Jahr 500 Millionen Euro, schafft es aber nicht, treffsicher höher zu qualifizieren. Die Bezugsregelungen sind so gestaltet, dass sie Arbeitssuchende länger in der Arbeitslosenversicherung halten, dass sich Arbeit nicht lohnt. Warum sind wir in Österreich eines der wenigen Länder, das das Arbeitslosengeld nicht degressiv gestaltet? Wir sehen insgesamt ein Einsparungspotenzial von bis zu zehn Prozentpunkten, die Kammerbeiträge der gesetzlichen Interessenvertretungen eingeschlossen.

Zu einem attraktiven Standort gehört auch eine serviceorientierte und möglichst effiziente öffentliche Verwaltung. Leider hat der Verwaltungsaufwand stark zugenommen, Bau- und Gewerbeverfahren dauern von Jahr zu Jahr länger, und auch die Bescheide werden umfangreicher, komplizierter und sind mit Strafen für Formalfehler garniert.

Die Herausforderungen der Industriebetriebe am Standort Österreich sind vielfältig. Dennoch ist es uns das größte Anliegen, die Arbeitsplätze hier zu halten. Im nun dritten Rezessionsjahr infolge muss sich dringend einiges ändern, damit österreichische Betriebe ihrer Heimat nicht den Rücken kehren und die Produktion zunehmend ins attraktivere Ausland und näher zu den Kunden verlagern. Wir wollen den Standort Österreich mit weiteren Investitionen stärken – damit das so bleibt, erwarten wir von der Politik, dass sie Rahmenbedingungen schafft, die die Wettbewerbsfähigkeit fördern. Und zwar jetzt!