Dr. Michael Spalek
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Niederlande: Logistik-Hub und Innovationsmotor Europas

Dr. Michael Spalek, Wirtschaftsdelegierter, AußenwirtschaftsCenter Den Haag: "Die Wahl in den Niederlanden hat gezeigt, dass die politische Landschaft in Europa immer stärker polarisiert ist. Die etablierten Parteien haben an Vertrauen verloren, während die populistischen und extremistischen Kräfte an Zulauf gewonnen haben."

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Aktualisiert am 15.02.2024

Auch die Niederlande befinden sich in einer politischen Umbruchphase, nachdem die Parlamentswahl am 22. November 2023 einen historischen Rechtsruck gebracht hat. Die Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders wurde mit 37 von 150 Sitzen die stärkste Kraft im Parlament und will nun die Regierung bilden. Wilders fordert unter anderem den Austritt aus der EU, ein Verbot von Moscheen und dem Koran sowie die Schließung der Grenzen für Flüchtlinge und Arbeitsmigranten. Die Regierungsbildung dürfte sich als schwierig erweisen, da die meisten Parteien eine Zusammenarbeit mit der PVV ausschließen.

Chancen und Herausforderungen 2024
Der wirtschaftliche Ausblick in den Niederlanden für 2024 ist von mehreren Faktoren abhängig, insbesondere von der neuen politischen Situation nach den Neuwahlen im November 2023. Laut den Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Niederlande im Jahr 2024 um 1,15 Prozent wachsen, nach einem erwarteten Wachstum von 0,55 Prozent im Jahr 2023. Die wichtigsten Herausforderungen für die niederländische Wirtschaft im Jahr 2024 sind: Die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Energiepreise und die Handelsbeziehungen mit Russland und anderen Ländern. Die Regierung hat zwar Maßnahmen ergriffen, um die Preislage zu entspannen, aber die Situation bleibt unsicher und volatil. Die wichtigsten Chancen für die niederländische Wirtschaft im Jahr 2024 sind die Fortsetzung des starken Wachstums des Außenhandels, der von der hohen Nachfrage nach niederländischen Waren und Dienstleistungen profitiert. Die Niederlande sind der viertgrößte weltweite Exporteur von Waren und haben 2022 einen neuen Exportrekord von 700 Milliarden Euro erreicht. Die Förderung der Innovation und Digitalisierung in verschiedenen Sektoren, insbesondere in der Landwirtschaft, der Industrie und den Dienstleistungen sind zentral. Die Niederlande sind eines der führenden Länder in Europa in Bezug auf die Investitionen in Forschung und Entwicklung und die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien.

Österreich und die Niederlande
Für Österreich sind die Niederlande ein wichtiger Handelspartner. Die Niederlande rangierten in der ersten Hälfte von 2023 mit einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro als der 15. wichtigste Exportmarkt Österreichs, im Vergleich zum Vorjahr rutschten sie jedoch um drei Plätze zurück. Die Hauptexportgüter in die Niederlande waren und sind Kernreaktoren, Kessel und Maschinen, elektrische Maschinen sowie Zugmaschinen, Kraftfahrzeuge und Traktoren. Treiber der niederländischen Wirtschaft sind insbesondere der Logistiksektor, die Halbleiterindustrie, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie sowie Innovation im Allgemeinen.

Die Niederlande als Innovation-Hub von Europa
Die Niederlande sind heute einer der innovationsfreundlichsten Staaten der Welt und belegen laut dem Global Innovation Index 2023 den siebten Platz von 132 untersuchten Staaten. Niederländer sind offen für disziplinübergreifende Ideen und pflegen eine zukunftsorientierte Kultur, die es Innovatoren ermöglicht, immer wieder neue Wege zu beschreiten.  Hinzu kommt, dass die niederländische Regierung die Zusammenarbeit zwischen Privat- und Forschungssektor stark fördert und Mittel für öffentlich-private Partnerschaften, Feldlabore und Unternehmensdienstleistungen zur Verfügung stellt. Zudem investiert die Regierung zwischen 2021 und 2025 über ihren Nationalen Wachstumsfonds 20 Milliarden Euro für zukunftsweisende Innovationen.
Die Niederlande verfügen auch über eine starke Forschungs- und Bildungslandschaft, die das neueste Wissen und die neueste Technologie bereitstellt. Forschungs- und Bildungscluster wie die Wageningen University and Research, die Technische Universität Delft und die Technische Universität Eindhoven sind weltweit führend in Bereichen wie Agrar- und Lebensmittelinnovation, Cybersicherheit, künstliche Intelligenz, Photonik und Batterietechnologie.

Ebenfalls hat das Land Ambitionen, regionaler Hub für grünen Wasserstoff zu werden. Beschleunigende Faktoren dabei sind der anstehende Ausstieg aus Erdgas, u.a. durch die geplante Schließung des Groningen-Gasfeldes wegen Erdbeben, klimapolitischen Notwendigkeiten und dem Importstopp von russischem Gas. Eine Schlüsselposition bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff kommt der Produktion von Windkraft in der Nordsee zu. Die Regierung kündigte kürzlich an, bis 2050 70 Gigawatt (GW) an Windkraft produzieren zu wollen, mehr als ein Viertel des Gesamtvolumens (260 GW), das die neun Unterzeichnerstaaten der Nordsee Energiekooperation (NSEC) in der Nordsee bis dahin anvisieren. Der Logistiksektor in den Niederlanden ist von großer Bedeutung für die Wirtschaft und die internationale Position des Landes. Er umfasst den Transport und die Lagerung von Gütern, die logistischen Dienstleistungen und die hafengebundene Industrie. Der Hafen Rotterdam ist dabei das Herzstück des Logistiksektors, da er der größte europäische Hafen und ein wichtiger Knotenpunkt für den Überseehandel ist. Er versorgt rund 350 Millionen Konsumenten in Europa mit Waren aus aller Welt. Der Hafen Rotterdam ist zudem ein wichtiger Umschlagplatz für Erdöl, Erdgas, Kohle und Biokraftstoffe. Der Logistiksektor trägt somit zur Versorgungssicherheit und zur Energiewende in den Niederlanden und in Europa bei.

Chancen für österreichische Unternehmen, in die Niederlande zu exportieren und in den Markt einzusteigen, gibt es insbesondere in den Sektoren, Transport und Logistik, Gesundheitswesen, Medizintechnik, Biotechnologie, Umwelttechnik, ICT, Industriezulieferungen, Urban Technology und gehobene Konsumgüter.

Die wirtschaftlichen Verflechtungen Vorarlbergs mit den Niederlanden sind vielfältig und umfassen sowohl den Handel als auch die Direktinvestitionen. So sind Vorarlberger Top-Unternehmen wie der Leuchtenhersteller Zumtobel, der Verpackungsproduzent Alpla und das Textilschwergewicht Wolford mit eigener Niederlassung in den Niederlanden aktiv.
Die Exporte von Vorarlberger Waren hatten in 2022 ein Volumen von 177 Millionen Euro, was 17 Prozent aller Exporte aus dem Bundesland ausmachten. Gleichzeitig wurden Waren im Wert von 325 Millionen Euro aus den Niederlanden importiert. Die Niederlande sind damit der 14.wichtigste Export- und 8. wichtigste Importmarkt für das Ländle. Die Niederlande sind ein attraktiver Markt für österreichische Exporteure, die von der hohen Kaufkraft, der innovativen Wirtschaft und der geografischen Nähe profitieren können. Allerdings müssen sie auch die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen berücksichtigen, die das Land derzeit bewältigen muss.


Hafen von Rotterdam
© iStock Hafen Rotterdam