WKV Direktor Jenny und WKV Präsident Hopfner.
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Landesgrünzone an die Bedürfnisse anpassen

Um die Anforderungen der Zukunft bewältigen zu können, muss es erlaubt sein, die „Landesgrünzone“ als Entwicklungsszone neu zu denken. Die Wirtschaftskammer Vorarlberg stellt nochmals klar, worum es ihr in diesem Diskurs geht.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 21.11.2024

Zur Ausgangslage:
In Vorarlberg sind aufgrund des hohen alpinen Flächenanteils nur rund 21 Prozent der Landesfläche als Dauersiedlungsraum geeignet. Entsprechend hoch ist der Nutzungsdruck und auch die Nutzungskonkurrenz, welche durch stetigen Bevölkerungszuwachs und die wirtschaftliche Entwicklung weiter zunehmen. Wenngleich sich Ziel- und Nutzungskonflikte nie gänzlich vermeiden lassen werden, sollten in einer funktionierenden Raumordnung alle berechtigten Nutzungsansprüche ausgewogen nebeneinander Platz finden. Neben Flächen beispielsweise für Wohnen, Arbeiten, Naherholung, Landwirtschaft, Infrastruktur, Mobilität und Natur- sowie Hochwasserschutz braucht es insbesondere auch Flächen für die Wirtschaft.
In Vorarlberg weisen derzeit rund 60 Prozent der Landesfläche eine Freiflächenwidmung (davon 35 Prozent Freifläche Landwirtschaft), und rund 32 Prozent der Landesfläche die Widmung Wald auf. Demgegenüber sind nur 3,9 Prozent der Landesfläche als Wohnbaugrundstücke (das entspricht etwa 18,4 Prozent des Dauersiedlungsraums), und 0,6 Prozent der Landesfläche als Betriebsgrundstücke (das entspricht rund 2,6 Prozent des Dauersiedlungsraums) gewidmet. (Quelle: ISK Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung und Telesis Entwicklungs- und Management GmbH, Studie im Auftrag der AK Vorarlberg - Wem gehört das Land?, Juni 2023)

Zur Landesgrünzone:
Im Jahr 1977 wurde zur Vermeidung einer weiteren Zersiedelung und zur Steuerung der Siedlungsentwicklung im Rheintal und Walgau durch Verordnungen eine überörtliche Freifläche von rund 136 Quadratkilometern in den Talsohlen als sogenannte Landesgrünzone gesichert. Ziel war die Sicherung einer leistungsfähigen Landwirtschaft, die Erhaltung von Naherholungsgebieten sowie die Erhaltung eines funktionsfähigen Naturhaushalts und des Landschaftsbildes. Seither gab es - trotz der immensen Entwicklung, die Vorarlberg in diesen Jahrzehnten gemacht hat - einen sehr restriktiven Umgang mit der Landesgrünzone.

„Die Wirtschaftskammer Vorarlberg bekennt sich zur Landesgrünzone bzw. zur Bedeutung und Wichtigkeit der von ihr verfolgten Ziele. Durch ihre Überschneidung mit der Blauzone ist die Landesgrünzone auch für den Hochwasserschutz bedeutend. Nichtsdestotrotz werden die gegenwärtigen, vor allem aber auch die kommenden Generationen in einem gewissen Maße auf diese im Dauersiedlungsraum gelegenen Freiflächen zurückgreifen müssen, wenn sie weitere Entwicklungsmöglichkeiten für Wirtschaft und Gesellschaft in Vorarlberg vorfinden wollen. Dies war auch schon den Gründervätern der Landesgrünzone bewusst“, betont Wilfried Hopfner. Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg.

Bereits im damaligen Regierungsantrag zur Landesgrünzone wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Festlegung der Landesgrünzone auf die noch nicht erkennbaren zukünftigen Bedürfnisse nach Widmung von Bauflächen im Bereich der vorgesehenen überörtlichen Freiflächen nicht Bedacht genommen wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt ergebenden Bedürfnissen sollten durch eine entsprechende Änderung des Landesraumplanes Rechnung getragen werden können. „Die Landesgrünzone war von ihren Schöpfern demnach zu keinem Zeitpunkt als ,Tabu-Zone‘ gedacht, in die unter keinen Umständen eingegriffen werden darf. Vielmehr war die Landesgrünzone schon damals explizit gerade auch zur Verwendung bei künftigem Bedarf an Bauflächen für größere Industrieanlagen oder sonstige größere Anlagen vorgesehen, für die innerhalb der Siedlungsbereiche keine geeigneten Flächen vorhanden sind“, sagt WKV-Direktor Christoph Jenny. Um den seit ihrer Erlassung im Jahr 1977 geänderten Bedarfsverhältnissen, vor allem aber auch den künftigen Bedürfnissen gerecht werden zu können, „muss es daher erlaubt sein, die Landesgrünzone neu zu denken bzw. diese visionär weiterzuentwickeln“, erklärt Jenny. Im Sinne einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung in Vorarlberg regt die Wirtschaftskammer Vorarlberg daher eine längst überfällige strategische Auseinandersetzung mit der Landesgrünzone sowie eine Neuausrichtung derselben hin zu einer „Landesentwicklungszone“ an.

Evaluierung der Nutzungsmöglichkeiten

In diesem Zusammenhang sollte im Rahmen eines Funktionsflächen-Konzepts die optimale Nutzung der unbebauten Flächen innerhalb der Landesgrünzone sorgfältig bewertet und einer strategischen Diskussion zugeführt werden. Dies beinhaltet die Evaluierung verschiedener Nutzungsmöglichkeiten und eine Clusterung dieser unbebauten Flächen im Sinne ihrer jeweiligen funktionellen Eignung und Potenziale. So könnten beispielsweise auf zur Bebauung prädestinierten Grundstücken in verkehrstechnisch günstiger Lage Betriebsgebiete entstehen, die niemandem schaden, sondern vielmehr den innerorts vermehrt zum Problem werdenden Verkehr eindämmen. Wir sollten nicht nur weg von der projektbezogenen Diskussion hin zu einer strategischen Ausrichtung, sondern vor allem auch weg von der Diskussion über die Grenzen der Landesgrünzone hin zur Definition von Funktionsflächen. Im Ergebnis ist es erforderlich, die Landesgrünzone an die aktuellen sowie künftigen Realitäten und raumplanerischen Bedürfnisse eines modernen, urbanisierten Vorarlbergs anzupassen. Die angedachte „Landesentwicklungszone“ sollte die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen der Gesellschaft an den gemeinsamen Lebensraum nachhaltig und ausgewogen abdecken und gleichzeitig sicherstellen, dass die noch vorhandenen unbebauten Flächen innerhalb der Landesgrünzone einer bestmöglichen Nutzung zugeführt werden. Nur durch eine gesamthaft-strategische und ehrliche integrative Raumplanung können wir die Weichen für eine zukunftsfähige Entwicklung in Vorarlberg stellen. Die Wirtschaftskammer Vorarlberg ist bereit, sich an einem derartigen partizipativen Prozess konstruktiv zu beteiligen und wird sich dafür einsetzen, dass die Wirtschaft auch in Zukunft räumliche Möglichkeiten vorfindet, sich am Wirtschaftsstandort Vorarlberg entwickeln zu können.

Effiziente Nutzung  von Bauflächen

Unabhängig von der geforderten Neuausrichtung der Landesgrünzone müssen vorhandene Bauflächen künftig selbstverständlich effizient genutzt werden, um unnötige Bodenversiegelung zu vermeiden. Kompakte Siedlungsstrukturen und Innenverdichtung sind zu forcieren. Hierzu braucht es zunächst jedoch eine Anpassung der (gesetzlichen) Rahmenbedingungen, welche ein höheres und dichteres Bauen überhaupt erst ermöglichen.