WIFO Geschäftsführer Gabriel Felbermayr
© Alexander Müller

Kein Rückenwind für die Industrie

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr über die stockende Konjunktur, die EZB-Zinspolitik und die Notwendigkeit „mutiger Schritte zur Senkung der Lohnnebenkosten“.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 11.04.2024

Ist ein Ende der konjunkturellen Talfahrt in Sicht?
Ich fürchte, noch sind wir nicht wirklich über den Berg. Wir werden unsere ursprüngliche Prognose von 0,9 Prozent Wirtschaftswachstum nach unten revidieren müssen.

Warum?
Das Konsumentenvertrauen war im Zuge der Teuerungskrise auf Niveaus abgestürzt, die wir auch während der letzten tiefen Rezessionen nicht gesehen haben. Es verbessert sich nun deutlich, aber gleichzeitig steigt die Sorge um den Arbeitsplatz, weil vor allem die Industrie und die Bauwirtschaft in Rezession verharren. Nur wenn das Vertrauen zurückkehrt, werden die hohen Lohnabschlüsse gemeinsam mit sinkender Inflation auch wirklich den erhofften, vom Konsum getragenen Aufschwung bewerkstelligen.

Was bedeutet das für unsere exportorientierte Industrie?
Beide sind gerade nicht durch Rückenwind gesegnet. Daher helfen der Steiermark ihr vergleichsweise höherer Industrieanteil und die spezielle Zusammensetzung der Industrie selbst aktuell nicht. Nicht zuletzt auch, weil der gesamte Welthandel stagniert. Die Aussichten sind da nicht besser geworden. Im Gegenteil: Die geopolitischen Risiken werden mehr. So fährt fast kein Containerschiff mehr durch den Suezkanal, was für die globalen Wertschöpfungsnetzwerke nicht optimal ist. Auch die Wahlkämpfe in den USA und in Indien sowie die Positionierung Chinas, wo das Militärbudget erhöht wird, tragen nicht zu einer Deeskalation und Stabilisierung bei. Zur konjunkturellen Gesamtlage, zu hohen Zinsen und geostrategischen Spannungen kommt dazu, dass in Deutschland die Ampel dysfunktional ist, was Unsicherheit schürt.

Die EZB hat angekündigt, dass sich beim Leitzinssatz bis Sommer nichts ändern wird. Was bedeutet das für die österreichische Wirtschaft?
Für die Konjunktur ist das giftig. Aber wir haben nach wie vor eine hohe Inflation, sodass man die Eintrübung der Nachfrage immer aus zwei Perspektiven betrachten muss: Mit dem einen Auge kommt man zum Weinen, weil es Rezessionsgefahr bedeutet. Aber mit dem anderen Auge sieht man, dass es ein probates Mittel ist, um die Inflation wieder zu senken. Auf diese Dämpfungen sind wir in Österreich mehr angewiesen als beispielsweise die Spanier oder Franzosen. Eigentlich ist für Österreich die Zinspolitik der EZB noch zu locker, während sie für andere Eurozonen-Länder zu hart ist.

Die Inflation soll nach Ihren Prognosen heuer zumindest auf vier und im kommenden Jahr auf drei Prozent sinken.
Ja, die Inflation sinkt, aber die Angst weicht nur langsam. Wir wissen aus der Forschung, dass nicht Inflation per se das Problem ist, sondern es ist die überraschend hohe Inflation, die den größten Schaden anrichtet. Sie war für viele Verbraucher ein sehr harter Schock, der noch nicht ganz verdaut ist.

Welche Anreize beziehungsweise Rahmenbedingungen bräuchte es, um die Lücken bei heimischen Arbeits- und Fachkräften zu schließen?
Es muss uns gelingen, die Beschäftigungsrate weiter zu erhöhen, vor allem in den sozioökonomischen Gruppen, wo sie im OECD-Vergleich niedrig ist: in der Gruppe von Frauen, Ausländern, Menschen über 60. Dazu wird es zusätzliche Anreize brauchen, daher muss die nächste Regierung mutige Schritte zur Senkung der Lohnnebenkosten unternehmen, etwa indem der Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds oder zur Wohnbauförderung gesenkt oder besser abgeschafft und aus dem allgemeinen Budget bestritten wird.

Was halten Sie von der großzügigen Bauoffensive der Regierung?
Es ist wichtig, dass die Bauwirtschaft ihre Kapazitäten behalten kann. Wir brauchen sie beispielsweise, um Gebäude klimafit zu machen. Andererseits wurden durch die Mietpreisbremse die gemeinnützigen Bauvereinigungen ausgebremst. Und wir wissen, dass am Ende die Inflation stark von Miet- und Wohnungspreisen getrieben ist. Wenn die Gemeinnützigen und andere aufgrund der hohen Zinsen nicht mehr bauen, treibt das die Inflation der nächsten Jahre in die Höhe. Daher macht es Sinn, dass die Regierung die Bauwirtschaft jetzt unterstützt.

Viele Unternehmen haben in der Hoffnung auf einen Aufschwung Arbeitskräfte „gehortet“. Droht da angesichts steigender Kosten aufgrund hoher Kollektivvertragsabschlüsse ein Rückschlageffekt, wenn die Konjunktur doch nicht oder nur langsam anzieht?
Das ist schwierig abzuschätzen.  Ein Arbeitgeber orientiert sich diesbezüglich an den Arbeitslosen und freien Stellen. Die sich daraus errechnende Stellenandrangsziffer hängt also vom Verhalten der Unternehmen ab. Wenn ein großer Arbeitgeber beginnt, Stellen abzubauen, kann das einen Vorbildeffekt bei kleinen Betrieben haben, mit dem Hintergedanken, dass man bei Bedarf ohnehin gleich neue Arbeitskräfte findet. Es ist ein erwartungsgetriebenes Modell und daher ist das Timing schwer vorherzusagen.

Vielen Dank für das Gespräch!