Wilfried Hopfner
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41 oder 32 - ist das wirklich die Frage?

Kommentar von Wilfried Hopfner

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 22.05.2024

Wahrscheinlich mögen viele das Thema der Arbeitszeitverkürzung oder -verlängerung gar nicht mehr hören. Und doch emotionalisiert und polarisiert es gleichermaßen. Vielleicht auch deshalb, weil sich bekannter-maßen über Zahlen vortrefflich streiten lässt. Dabei geht es aus meiner Sicht gar nicht darum, ob wir künftig 41 oder 32 Stunden arbeiten müssen. Denn diese Zahlen stehen am Ende einer Analyse der Situation, welche damit total verkürzt in eine öffentliche Diskussion fließen. Ich möchte versuchen, ein paar Fakten darzuzustellen und wünsche
mir, dass wir zu diesem für unseren Lebens- und Wirtschaftsraum eminent wichtigen Thema einen konstruktiv
kritischen Dialog führen können. Faktum ist, dass in Österreich seit der Pandemie bereits eine deutliche Arbeitszeitverkürzung stattgefunden hat. Übrigens in einem weit höheren Ausmaß, als in anderen Euro-Ländern. Arbeitnehmer:innen in Österreich arbeiteten nämlich 2023 im Schnitt 29,9 Stunden pro Woche. Das ist eine Stunde weniger als vor Corona! Und leider ist der Rückgang der Wochenarbeitszeit kein europäisches Phänomen, sondern ein österreichisches Problem. Allein aus diesem Umstand resultiert die Tatsache, dass zusätzlich 140.000 Vollzeitstellen „verloren“ gegangen sind. Neben den sich aus der demografischen Entwicklung (immer weniger im Arbeitsprozess stehende Menschen müssen die Zeit des „Jungsein-“ und des „Altwerdendürfens“ finanzieren!) ergebenden Herausforderungen hat sich die Arbeitskräftesituation also dadurch deutlich verschärft.
Was sind die Gründe für den Rückgang der Wochenarbeitszeit? Weniger Überstunden und - das ist der Hauptgrund - eben mehr Teilzeit. Leisteten vor der Pandemie 20-22 Prozent der Arbeitenden regelmäßig Überstunden, so sind es 2023 noch 15,7 Prozent! Gleichzeitig ist die Teilzeitquote die zweithöchste in Europa, denn fast jeder dritte Arbeitsplatz (2023: 30,9 Prozent) ist ein Teilzeitarbeitsplatz. Oder anders ausgedrückt: Der gesamte Beschäftigungszuwachs fand in Österreich seit Corona im Teilzeitbereich statt, während die Zahl der Vollzeitstellen sogar zurückgegangen ist – in der Eurozone war es genau umgekehrt! Für die hohe Teilzeitquote spielen Betreuungspflichten eine bedeutende Rolle, für fast ein Drittel (32 Prozent) ist das der Hauptgrund für Teilzeitarbeit. 25 Prozent der Arbeitnehmer:innen möchten gar keine Vollzeitanstellung – deutlich mehr als in der Eurozo-ne, wie eine aktuelle Studie aufzeigt. Schon jetzt gilt als für ein Viertel der erwerbstätigen Österreicher:innen „weniger ist mehr“.
Aus meiner Sicht gilt es, diesem Trend entschieden gegenzusteuern, wenn wir nicht als Wirtschaftsstandort international weiter an Attraktivität verlieren wollen. Denn genau diese Attraktivität schafft Arbeitsplätze, sichert die individuelle Entwicklung der Menschen und den Erhalt und Ausbau der sozialen Standards. Natürlich gibt es ein Bündel von Schritten und Maßnahmen, die uns helfen könn(t)en, die Situation (wieder) in den Griff zu bekommen. Lassen Sie mich nur einige - ohne Anspruch auch Vollständigkeit - aufzählen: Das Sozialversicherungs- und Steuersystem muss der neuen Zeit angepasst werden. Dieses muss Rahmenbedingungen schaffen, dass mehr- (Vollzeit statt Teilzeit oder erhöhte Teilzeit) und länger arbeiten (Bonifizierung für späteren Pensionsantritt) interessant sind. Frauen und Männer sollen sich die Familien- und Pflegearbeit sinnvoll teilen können und die Kinderbetreuung muss aus qualitativer und quantitativer Sicht weiter konsequent ausgebaut werden. Auch die Sicherstellung eines qualifizierten Zuzugs für Arbeitswillige und -fähige kann uns dabei genauso helfen. Und wir müssen in den Unternehmen gewährleisten, dass die weitere Digitalisierung und konsequente Nutzung der KI die Arbeitsprozesse weiter verschlanken. Für mich steht fest, dass wir künftig mehr arbeiten müssen, wenn wir uns den erarbeiteten Wohlstand und geschaffenen Sozialstaat aufrechterhalten wollen. Menschen sollen auswählen können, wie sie ihre Ausgewogenheit zwischen Arbeiten und Erholen finden. Und arbeiten muss sich lohnen! Sie sollen persönliche Situationen und Bedürfnisse dabei berücksichtigen dürfen, sie sollen aber „die persönliche Rechnung“ nicht nur auf den Moment, sondern über die gesamte Lebenszeit ausrichten. Dass die Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffen muss, ist allerdings auch eine unabdingbare Rahmenbedingung.
Lassen sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Menschen wieder
(mehr) Sinn im Arbeiten sehen. Wenn wir nicht Arbeit und Wohlfühlen als Gegenpole sehen, sondern erkennen, dass das eine das andere bedingt - vielleicht gelingt es uns dann, richtige Maßnahmen zu setzen.