„Zeit für radikale Investitionen in neue Technologie“
Wirtschaftsphilosoph Anders Indset spricht im „DiWi“-Interview darüber, wie sich Mobilität verändern wird und was das für ein Tourismusland wie Vorarlberg bedeuten kann.
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Herr Indset, wie wird sich Mobilität in den kommenden Jahren entwickeln?
Ressourceneffizienz und Automatisierung werden an Bedeutung gewinnen. Wir sehen es gerade bei VW, hier wurden technologische Innovationen verschlafen und das hat den Konzern in eine schwierige Situation gebracht. Ich denke, dass sich der Markt der Elektromobilität rasant weiterentwickeln wird – mit leistungsstärkeren Batterien, neuen technischen und optischen Innovationen – so dass der Wettbewerb zunehmen wird. Das führt nicht nur zu einem verstärkten Ausbau bei Ladestationen, sondern auch zu einer Zunahme des bidirektionalen Ladens sowie der Automatisierung und Robotisierung. Dadurch erhöht sich der Druck auf die bisherige Infrastruktur wie Bahnfahren oder Fliegen.
Das heißt für den Tourismus?
Mobilität sollte viel stärker in den Tourismus integriert werden. Wir leben in einer digitalisierten Welt, doch die Menschen sehnen sich nach realen Erlebnissen. Wer ein authentisches Urlaubserlebnis schafft, kombiniert mit einem nahtlosen Mobilitätskonzept, wird zu den Gewinnern zählen. Durch die starke Zunahme von Künstlicher Intelligenz, Algorithmen und Technologie ist die Optimierung kein Wettbewerbsvorteil mehr. Klassische Erlebnisse und Marketing sind zurück. Heute zählen wieder Mundpropaganda, Regionalität, alte Kernwerte, Natur und Mensch verbunden – das ist ein großer Markt der Zukunft.
Das hat auch mit einer Veränderung des Konsumentenverhaltens zu tun ...
Vor allem soziale Medien animieren zu sensationsgetriebenen Reisen etwa nach Kappadokien in die Türkei, um ein Bild von den bunten Heißluftballonfahrten zu posten. Doch wenn alle dasselbe machen, wird es uninteressant, sie kannibalisieren sich selbst.
Wie kann man da als Region erfolgreich sein?
Kleinere Regionen können von einem Gegentrend profitieren und einen Ausbruch aus dem Alltag ermöglichen. Das können kleine Hotels mit direktem Kontakt zu den Gästen sein, ein besonderes Service, ehrliches Interesse am Gast, ein Schärfen der Wahrnehmung mit sensorischen Erlebnissen – die Ruhe hören, die frische Luft am Berg atmen – scheinbar kleine Dinge, die aber einen großen Eindruck hinterlassen. Drei Dinge sind relevant: Selbstvertrauen, um aus sich herauszugehen und sich zu präsentieren. Ein Mindset, bei dem klar wird, dass man nur gemeinsam als Region funktionieren und besser werden kann und sich dabei gegenseitig unterstützt. Und offen sein für Neues sowie das notwendige Interesse an neuen Technologien.
Und für die Nachhaltigkeit.
Ja, doch man wird sie nicht alleine durch Verbote umsetzen können. Das Verbrenner-Verbot in der EU ab 2035 wird nicht ausschlaggebend sein, denn bereits ab 2025 sind Verbrenner nicht mehr wettbewerbsfähig. In Zukunft wird Nachhaltigkeit zur Effizienz. Gehst du mit Ressourcen nicht „hypereffizient“ um, bist du nicht mehr wettbewerbsfähig. Diese Verhaltensveränderung erreicht man nur über Anreize. Der größte Hebel ist der Fortschritt. Fliegen an sich muss nicht umweltschädlich sein, die Technologie ist veraltet. Hier fehlen radikale Investitionen in neue Technologien.
Sind das die größten Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit?
Menschen halten gerne an alten, bekannten Strukturen fest – das ist wohl die größte Hürde, sich für eine neue Welt zu öffnen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Claudia Blasi.