Interview mit Wilfried Hopfner
© WKV/Mauche

„Leistung muss sich (wieder) lohnen“

Vorarlberg. Kommerzialrat Wilfried Hopfner, Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, spricht im „Die Wirtschaft“-Interview über  globale und nationale Herausforderungen und deren Auswirkungen auf den Wirtschaftststandort Vorarlberg.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 23.11.2023

Die Globalisierung schlägt derzeit mit voller Härte zurück. Was bedeutet das für uns?
Krieg im Osten – jetzt auch im Nahen Osten – Flüchtlingsansturm im Süden und Inflation im Inneren beschreiben diese bildhaft. Europa hat sehr von der Internationalisierung und Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte profitiert. Die hohe Leistungsbereitschaft –insbesondere in Deutschland und Österreich – gepaart mit exzellenter Ingenieursleistung hat mit billigen Rohstoffen aus aller Welt und billigem russischem Öl und Gas Exporte in alle Welt ermöglicht und den wirtschaftlichen Aufschwung massiv vorangetrieben. Wir haben die in Europa fehlenden Ressourcen importiert, veredelt, damit unsere inländische Kaufkraft verbessert und uns militärisch von den USA beschützen lassen.

Funktioniert das Geschäftsmodell Europa noch?

Aus meiner Wahrnehmung nein. Alle für unsere Wertschöpfung relevanten Rohstoffe haben sich massiv verteuert. Die international tätigen Konzerne verlagern zunehmend ihre Produktionsstandorte auf andere Kontinente, nicht zuletzt auch deshalb, weil neben den bereits genannten Gründen auch aufgrund der demografischen Entwicklungen die Arbeitskräfte nicht nur teuer, sondern auch nicht mehr vorhanden sind. Dazu kommt eine gewisse „Sattheit“ der Menschen – viele möchten weniger arbeiten, ihre Freizeit mehr genießen als ihre Arbeitszeit und die Rufe nach „gerechter Umverteilung“ aus dem Sozialstaat werden immer lauter. Dies alles –und mehr – führt in der Konsequenz dazu, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt deutlich verschlechtert hat.

Das heißt auch, unser Wohlstand ist in Gefahr?
Wir alle müssen wirklich gut darauf aufpassen, dass Europa nicht zu einem Industriemuseum wird und sich die wirtschaftlichen Erfolge in andere Teile der Erde verlagern. Wenn wir unseren hart erarbeiteten Wohlstand in die Zukunft bringen wollen, dann müssen wir wieder mehr und nicht weniger arbeiten. Leistung muss sich (wieder) lohnen, daher müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, in welchen Innovationen gerade auch in der Entwicklung und Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten der Digitalisierung (Stichwort Künstliche Intelligenz) möglich werden.

Was ist dabei die größte Herausforderung?
Die besteht meines Erachtens darin, wie es uns gelingen kann, den Menschen die Bedeutung von Arbeit zum Erhalt von Wohlstand wieder schmackhaft zu machen. Arbeit und Freizeit in Balance zu bringen und nicht eine weitere Verlagerung in Richtung Live-Balance muss das Motto dabei sein.

Sie plädieren auch dafür, das Sozialversicherungs- und Steuersystem an die aktuellen Herausforderungen anzupassen...
Arbeit muss entlastet werden, was bedeutet, dass die Abgabenquote gesenkt werden muss, damit die unabdingbare Symbiose zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wieder ins Lot kommen kann. Nur ein attraktiver Wirtschaftsraum schafft auch einen wertvollen Lebensraum! Die Menschen brauchen die Wirtschaft und die Wirtschaft braucht die Menschen!

..weil alle ihren Beitrag leisten müssen?
Lassen sie es mich noch deutlicher formulieren: Zum Wohlstandserhalt brauchen wir eine leistungsorientierte Gesellschaft die Hand anlegt und nicht aufhält. Es gibt nämlich keinen magischen Bankomaten, es fällt kein Manna vom Himmel und es kann nur das verteilt werden, was vorher erarbeitet wurde! Diese Leistungsbereitschaft muss sich aus meiner Sicht auch darin zeigen, dass unsere Wirtschaft sich in einem gesunden Wettbewerb entwickeln muss und wir nicht immer mehr versuchen sollten, über die Ausweitung der Regelungen und der bürokratischen Barrieren der Wirtschaft diese notwendigen Spielräume zu nehmen.

Damit ist ein wichtiges Stichwort gefallen: Bürokratisierung oder besser gesagt Entbürokratisierung...
Ich denke, dass hier wirklich große Schritte notwendig sind, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir in Österreich kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem haben. Wenn wir die vorher beschriebenen steuerlichen Anreize und damit Entlastungen finanzieren wollen, dann bitte keinesfalls durch neue Steuern. Mit den Anreizen zusätzlicher budgetärer Mittel sollte man die Bundesministerien ermuntern, die Verwaltung zu vereinfachen und damit Steuergelder zu sparen. Geld, das wir auch dort in unserem Sozialstaat einsetzen müssen, wo es am dringendsten benötigt wird - bei den sozial Schwachen und Ärmsten

Kann man das Pensionssystem dabei außer Acht lassen?
Ein liberaler Rechtsstaat allein bietet keine Garantie für Wohlstand, sondern basiert auch auf einem funktionierenden Generationenvertrag und einem unterstützenden Leistungsprinzip! Gerade das Pensionssystem basiert auf einem Generationenvertrag. Wenn wir diesen zukunftsfähig gestalten wollen, werden wir um eine Diskussion zur Erhöhung des wirklichen Pensionsantrittsalters nicht umhinkommen. Mir schwebt dabei ein Modell vor, in welchem der Pensionsantritt flexibel gewählt und an ein Bonus-/Malussystem gekoppelt ist.

Die Wirtschaftskammer hat in den vergangenen Jahren an der sehr guten Entwicklung der Wirtschaft im Land mitpartizipiert.
Ja, daher haben wir alles in die Wege geleitet, um die Kammerumlage 2 deutlich zu reduzieren. Gemeinsam mit der von der WKÖ vorgenommenen Umlagensenkung erfahren die Vorarlberger Unternehmen 2024 eine Entlastung ihrer Beiträge in der Höhe von zirka 14 Prozent. Ein wirkungsvolles Zeichen aus unserer Sicht.

Welche größeren Projekte sind dennoch für 2024 geplant?

Als Wirtschaftskammer haben wir auf der Kostenseite sehr genau hingeschaut, wofür wir unsere Mittel einsetzen. Wir konnten sicherstellen, dass das Service- und Dienstleistungsangebot weiter ausgebaut und über Projekte verschiedene Akzente zur Belebung des Wirtschaftsstandortes gesetzt wurden. Mit dem „Campus der Wirtschaft“ wollen wir einen Leuchtturm für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg schaffen. Er baut auf drei Säulen auf: der Bildungsstätte, dem Innovationsmotor und der Erlebniswelt. Ergänzend dazu wird gemeinsam mit der Bauinnung sowie der Sparte Freizeit und Tourismus der WIFI-Standort in Hohenems weiterentwickelt und zukunftstauglich gemacht.

Blicken wir in die Zukunft. Ist dabei Optimismus überhaupt erlaubt?
50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie wie Ludwig Erhart einmal gesagt hat und ich teile diese Meinung. Daher ist es wohl besser, die Wirtschaft gesund zu reden, als tot zu beten. Ein realistischer Optimismus ist aus meiner Sicht jedenfalls erlaubt. Es zeichnet sich ab, dass der Zinsgipfel erreicht ist, die Inflation sich wieder auf ein verträgliches Maß reduzieren wird und für 2024 wieder ein – wenn auch noch geringes – Wirtschaftswachstum, vor allem getragen vom Dienstleistungssektor möglich sein sollte. Das geringe Wachstum wird wohl der nach wie vor ungenügenden Perspektive der Bauwirtschaft und der Industrie-Stabilisierung auf deutlich niedrigem Niveau – geschuldet bleiben. Es gilt also, sich durch Innovationen und angepassten Geschäftsmodelle, auf den kommenden Aufschwung vorzubereiten.