„KI meets Tourismus“
Der Tourismusberater Alexander Fritsch erzählt im Interview was ihn persönlich an künstlicher Intelligenz fasziniert, was die Herausforderungen für den Tourismus und die Hotellerie sein werden und dass menschliche Interaktion immer im Zentrum aller Überlegungen stehen sollten.
Lesedauer: 4 Minuten
Herr Fritsch, könnten Sie uns einen Überblick über Ihren beruflichen Hintergrund und Ihre Erfahrungen im Bereich Tourismus und Hotellerie geben?
Ich bin seit 25 Jahren als Berater, Trainer und Projektmanager mit Schwerpunkt Online-Tourismus unternehmerisch tätig. Mit unserem Unternehmen „Tourismuspartner“ begleiten wir zahlreiche Destinationen und touristische Leistungsträger bei der digitalen Transformation. Seit 2008 lehre ich zudem als Dozent am Institut für Tourismus und Freizeitwirtschaft der FH Graubünden. Im vergangenen Jahr durfte ich zusätzlich die Projektleitung für Didaktik und Methodik am Blended Learning Center übernehmen. Das ist im Moment eine besonders spannende Aufgabe, da wir als Hochschule durch die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz extrem gefordert sind.
Welche Rolle spielt KI derzeit in der Tourismusbranche?
Künstliche Intelligenz kann Algorithmen und maschinelles Lernen nutzen, um Prozesse zu automatisieren, Daten zu analysieren und personalisierte Erlebnisse zu schaffen. Gegenwärtig spielt KI in der Tourismusbranche vor allem bei der Steigerung der Effizienz, der Verbesserung des Kundenservice und der Bereitstellung maßgeschneiderter Empfehlungen eine Rolle. Beispielsweise helfen Chatbots bei der Beantwortung von Kundenanfragen, während Buchungssysteme KI für vorausschauende Analysen nutzen, um Preise dynamisch anzupassen. Für touristische Kleinbetriebe sind insbesondere generative KI-Tools wie ChatGPT von Interesse. Damit lassen sich Gästekommunikation und Marketingaufgaben schnell, einfach und professionell bewerkstelligen.
Es gibt aber auch Herausforderungen...
Ja, eine der großen Herausforderungen bei der Nutzung generativer Künstlicher Intelligenz ist die Ausgabe von fehlerhaften oder voreingenommenen Informationen. Sprachmodelle wie ChatGPT arbeiten auf Basis von Wahrscheinlichkeiten, wobei die wahrscheinlichste Antwort auf eine Frage unter Umständen frei erfunden sein kann. So empfahl Google Gemini seinen Nutzern den Verzehr von mindestens einem kleinen Stein pro Tag, zur „Balance des Mineralhaushalts“.
Unternehmen rate ich dringend, ihre Mitarbeitenden im kompetenten Umgang mit Künstlicher Intelligenz, insbesondere den aktuell verfügbaren Sprachmodellen, zu schulen. Dies sollte auch die Sensibilisierung für die Grenzen dieser Systeme und die damit verbundenen Datenschutzprobleme umfassen. Künstliche Intelligenz ist nur so gut wie die menschliche Intelligenz, die sie steuert und kontrolliert.
Gibt es technologische Entwicklungen die Sie besonders spannend für die Zukunft finden?
Ein großes Potenzial von KI liegt in der Personalisierung der Gästekommunikation, wodurch Zeit und Personalressourcen eingespart werden können. Ein Beispiel dafür sind die CitizenM Hotels, die KI für personalisierte Gästebetreuung und Zimmersteuerung einsetzen.
Auf Destinationsebene bietet KI in Form von „Predictive Analytics“ erhebliche Chancen, indem sie Gästeströme auf Basis von Auslastung, Wetter und historischen Daten vorhersagt und Gäste besser auf verschiedene POI (Points of Interest) verteilt. Dies verbessert die Aufenthaltsqualität für jeden einzelnen Gast. Zudem kann uns KI dabei unterstützen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, indem Betriebsabläufe optimiert und Maßnahmen zur Ressourceneinsparung entwickelt werden.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von KI im Tourismus und in der Hotellerie?
Die Zukunft lässt sich generell nicht vorhersagen, denn wir alle gemeinsam gestalten sie. In den nächsten fünf bis zehn Jahren erwarte ich jedoch eine verstärkte Nutzung von KI für vollständig personalisierte Reiseerlebnisse sowie zur Optimierung von Hotelbetrieb und Gästekomfort. Zudem wird in der Branche intensiv an virtuellen Reiseassistenten gearbeitet. Momentan geht es für Betriebe jedoch vor allem darum, die vorhandenen Systeme und ihr Potenzial zu erkennen und effektiv für die Optimierung von betrieblichen Prozessen zu nutzen.
Was passiert dabei mit der menschlichen Interaktion in der Hotellerie? Kann da ein Gleichgewicht zwischen Automatisierung und persönlichem Service gefunden werden?
KI verändert die menschliche Interaktion, indem sie repetitive Aufgaben automatisiert und Mitarbeitenden mehr Zeit für personalisierte Gästebetreuung gibt. Ein Gleichgewicht kann durch eine klare Rollenverteilung und gezielte Schulungen erreicht werden. Der menschliche Aspekt sollte jedoch immer im Zentrum aller Überlegungen stehen.
Noch kurz zum Thema Datenschutz und Datensicherheit: Wie wichtig sind sie im Zusammenhang mit KI-Anwendungen im Tourismus?
Datenschutz und Datensicherheit sind essenziell für das Vertrauen der Gäste. Leider sind hinsichtlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz viele juristische Fragen noch ungeklärt. Kürzlich habe ich eine Gesprächsrunde mit einem auf dieses Thema spezialisierten Rechtsanwalt moderiert. Nach zwei Stunden intensiver Diskussion waren eher mehr Fragen offen als geklärt. Generell besteht die Empfehlung, keinerlei persönliche Daten an Systeme wie ChatGPT zu übermitteln. Dies kann je nach Anwendungsfall schwierig sein. Besonders bei der Eingabe von Daten durch die Gäste selbst, etwa bei der Nutzung eines Chatbots auf der Website eines Hotels, muss die Datenverwendung und -sicherheit klar definiert sein, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden.
Gibt es Fallstudien oder Erfolgsgeschichten bei denen KI einen signifikant positiven Einfluss auf ein Tourismusunternehmen hatte?
Ein Beispiel ist die Marriott Hotelgruppe, die KI nutzt, um Vorhersagen über die Nachfrage zu treffen, was zu einer optimierten Preisgestaltung und Auslastungsplanung führt. Ein weiteres Beispiel ist die Fluggesellschaft KLM, die KI-gestützte Chatbots verwendet, um Kundenanfragen schnell und effizient zu bearbeiten. Allerdings wissen wir als Konsumenten selbst, dass Chatbots derzeit nicht immer befriedigende Ergebnisse liefern. So kann es bei einem annullierten Flug nach Mallorca passieren, dass dem Kunden plötzlich eine Flugverbindung mit zwei Umstiegen als Alternative vorgeschlagen wird.
Abschließend: Was fasziniert Sie persönlich an der Anwendung von KI im Tourismus und in der Hotellerie?
Mich fasziniert besonders die Möglichkeit, durch KI personalisierte und unvergessliche Reiseerlebnisse zu schaffen. Ich erwarte, dass wir in einigen Jahren persönliche KI-Assistenten haben werden, die uns basierend auf unseren Präferenzen und finanziellen Möglichkeiten Reisen vorschlagen und buchen. Mein Rat an Unternehmen ist, klein anzufangen und jene konkreten Anwendungsfälle zu identifizieren, die derzeit den größten Mehrwert bieten. Es ist wichtig, kontinuierlich zu lernen und sich an die rapide Entwicklung anzupassen, während man gleichzeitig den menschlichen Faktor im Auge behält.
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Alexander Fritsch ist aufgewachsen und wohnhaft in Bregenz, wo auch sein Beratungsunternehmen „Tourismuspartner“ situiert ist. 2000 hat Fritsch sein Studium „InterMedia“ an der FHV abgeschlossen und sich direkt als Berater selbstständig gemacht. tourismuspartner.co.at