„Entscheidend ist, dass wir in das Zielnetz 2024 des Bundes kommen“
DI Jörg Zimmermann verantwortet die neue Koordinationsstelle des Landes für Güterverkehr und Logistik. Im Interview mit „Die Wirtschaft“ spricht er über seine Aufgabe und den Güterverkehr in Vorarlberg.
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Herr Zimmermann, Sie verantworten die neue Koordinationsstelle Güterverkehr im Land. Was steckt hinter dieser neuen Aufgabe?
Das Güterverkehrskonzept wurde vom Land gemeinsam mit der Wirtschaftskammer, der IV und der Transportwirtschaft breit aufgestellt. Im Zuge dessen wurde schnell erkannt, dass dem Bereich Güterverkehr von Seiten der Landesverwaltung zu wenig Augenmerk geschenkt wird. Mit dem Güterverkehrskonzept ging dann die Ausarbeitung dieser Koordinations- und Anlaufstelle einher.
Sie sprechen von Koordination, fehlte die bislang?
Sie war zumindest nicht genug ausgeprägt. Für all die Aufgaben, nämlich Ansprechperson für Unternehmen im Land zu sein, beim Thema Förderungen, rund um den Schienenverkehr, um die Ansiedelung von Betrieben oder in Bezug auf raumplanerische Fragen, braucht es eine Schnittstelle zur Landesverwaltung, jemanden, der auch Kontakte knüpfen kann zu den Fachabteilungen, um eine Basis für weitere Gespräche zu schaffen.
Kommen wir zum Güterverkehr. Das große Ziel ist wohl die Verlagerung von der Straße auf die Schiene?
Das Ziel ist die Versorgung und Entsorgung für Haushalte und Unternehmen nachhaltig sicher zu stellen. Das soll sozial verträglich, umwelt- und ressourcenschonend passieren. Ein Aspekt, um das zu erreichen, ist, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Für nicht zeitkritische Güter macht das absolut Sinn. Förderungen können die derzeit noch hohen Kosten für eine Verlagerung etwas abfedern, das prüfen wir. Der Bund hat das auch in seinem Mobilitätsmasterplan 2030 und Masterplan Güterverkehr 2030 festgelegt. Die stellen sich das aber wohl etwas leichter vor als es ist, vor allem aufgrund der Verkehrsentwicklung im Allgemeinen.
Das heißt, in Sachen Infrastruktur und Kapazitäten sind wir noch nicht so weit?
Ja, die Kapazität ist das eine, wo man aber genauer hinschauen sollte, ist das Potenzial, das wir in Vorarlberg haben; mithilfe einer Potenzialanalyse, was an diesem Wirtschaftsstandort auf die Schiene verlagerbar ist. Das ist ja nicht nur ein reines Kapazitätsproblem, sondern hat auch einen betriebswirtschaftlichen Aspekt. In weiterer Folge gilt es sich anzuschauen, wie sich der Bestand bzw. die Situation im Schienensystem, in puncto Anschlussbahnen, freie Ladegleise oder der Terminals darstellt.
Also steht die Analyse jetzt im Vordergrund?
Durchaus, auch der Zustand der Anlagen muss geprüft werden. Wo haben wir noch Möglichkeiten, zusätzliche Anlagen zu schaffen? Ist es sinnvoll jede Anschlussbahn zu reaktivieren oder nur gewisse, mit dem Hinweis auf die Nutzung von Kooperationen? Und dann geht es um die Kapazität auf der freien Strecke. Wo und wann ist auf der Strecke Platz für den Güterverkehr bei einem dichten Personenverkehrstakt? Kann der untertags stattfinden, gibt es freie Systemtrassen oder ist es nur in den Nachtstunden möglich? Wenn wir das so betrachten, ist eine Infrastrukturertüchtigung bzw. eine Neuerrichtung von Infrastruktur in Vorarlberg absolut notwendig.
Heißt, wir brauchen mehr Gleis?
Laut SMA-Studie braucht es zusätzliche Gleiskapazitäten im Rheintal und grenzüberschreitend vor allem aufgrund des langfristig weiter auszubauenden Personenregionalverkehrs. Gleichzeitig sollen aber auch tagsüber Systemtrassen für den Güterverkehr berücksichtigt werden, damit Personen- und Güterverkehr „gleichberechtigt“ betrachtet werden.
Und doch stoßen wir etwa Richtung Deutschland an Grenzen, die wir nicht beeinflussen können?
Hinter Lindau geht es eingeleisig Richtung Ulm, erst ab Friedrichshafen wird es zweigleisig, Richtung München bestehen bis zu 100 km lange eingleisige Abschnitte. Das heißt, der Güterverkehr muss in einem Bahnhof warten, bis der Personenzug vorbei ist, da Ausweichmöglichkeiten fehlen. Die Bahnhöfe haben aber nur eine bestimmte Länge, das heißt, nur eine bestimmte Länge an Güterzügen können dort fahren. Das sind unsere Probleme mit der Kapazität in Deutschland, denn trotz Elektrifizierung können dort nicht mehr Züge fahren. Zudem haben sie einen sehr dichten Personenverkehr, da muss man mit dem Güterzug erst einmal bis zu einer gewissen Zeit durchkommen. Gemäß der Prognosen der ÖBB werden die Güterverkehrszahlen Richtung Süddeutschland vergleichsweise niedrig bleiben. Der Schienen-Güterverkehr Richtung Norden wird vor allem weiter über den Arlberg fahren.
Wir haben es somit in allen Richtungen mit unterschiedlichen Problemlagen, Herausforderungen und Playern zu tun. Und es ist nun die Kunst für das Land, mit allen auf einen grünen Zweig zu kommen?
Genau. Aber als Land hast du nicht diesen Einfluss. Die Schieneninfrastruktur wird in Wien, in Bern und Berlin entschieden.
Was sind die nächsten entscheidenden Schritte für den Schienenverkehr?
Wichtig ist es jetzt, dass wir als Land Voraralberg mit einem Ausbau-Modul in das Zielnetz 2040 des Bundes hineinkommen. Bis Ende des Jahres steht dies fest.
Wenn wir das erreichen, dann kann der Planungsprozess starten, etwa wie zum Beispiel im Raum Bregenz die Schieneninfrastruktur aussehen soll.
Und wenn nicht?
Das wäre schlimm, aber die Chancen stehen ganz gut.
Mehr Gleis, heißt mehr Flächen, die Herausforderungen diesbezüglich sind mannigfaltig. Wie sehen Sie diese Thematik?
Im Güterverkehrs- und Mobilitätskonzept ist festgehalten, dass die Flächensicherung ein ganz wichtiges Thema ist, obwohl wir uns bewusst sind, dass das alles andere als einfach sein wird und ist. Denn sobald über die Nutzung von Flächen im Land gesprochen wird, startet sofort eine Spekulation rund um diese Flächen, was den Preis betrifft und andererseits sind die Gemeinden in der örtlichen Raumplanung darauf aus, dass diese Flächen im Sinne der Gemeinden genutzt werden. Aber es gibt auch gute Beispiele aus Nachbarregionen, wie man das zukunftsorientiert angehen kann. Daher ist es so wichtig, gewidmete Betriebsgebiete nach ihren Möglichkeiten genauer zu betrachten.
Beim Zoll ist die Digitalisierung ein aktuell zentrales Thema...
Unser Nachbar Schweiz ist bilateral dabei, die Zollagenden mit ihren Nachbarn zu lösen. Sie verändert derzeit ihr Zollwesen und fährt einen sehr steilen Kurs Richtung Digitalisierung. Die Nachbarn sind jetzt dazu angehalten, sich da entsprechend anzupassen. Die Schweiz setzt auf Geofencing, dem automatischen Aktivieren einer Zollanmeldung mit dem Smartphone. Allerdings funktioniert das in der Praxis noch nicht wie gewünscht. Grundsätzlich sind die Systeme und Datenbanken ähnlich mit unseren, nur die Identifikation der Fahrzeuge wird dort anders gehandhabt.
Bedeutet aber auch Umbaumaßnahmen?
Infrastrukturmaßnahmen wird es auf beiden Seiten brauchen. Wir sind mit dem Zoll in intensiver Abstimmung und planen die Digitalisierungsmaßnahmen weiter. Da wird es zeitnah Informationen vom Zoll an die Unternehmen geben, wie die neuen Abläufe sein werden.
Sie sind quasi zwei Ressorts zugeteilt. Kein einfaches Unterfangen?
Ich sehe meine Aufgabe auch darin, verschiedene Vertreter der Behörden an einen Tisch zu bringen, um Lösungen aufzubereiten und schneller voranzubringen. Dass dies zwischen zwei Ressort geschieht, ist eine Herausforderung, aber Koordination das Stichwort.
Alles Gute und vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Herbert Motter