„Der Mensch möchte besser arbeiten, nicht weniger“
Sinn der Arbeit. „Wenn die Frage nach dem ,Purpose‘ beantwortet ist, kennen die Leute keinen Feierabend mehr“, sagt Arbeitsforscher Sebastian Wörwag. Was es braucht, damit Arbeit als sinnvoll empfunden wird, erklärt er im DIWI-Interview.
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Herr Prof. Wörwag, Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung unter anderem mit Arbeitskultur und der Flexibilisierung von Arbeitsmodellen. Aus Sicht der Forschung: Warum gibt Arbeit den Menschen Sinn?
Menschen haben den Drang, ihre Lebensumstände zu gestalten, positiv zu entdecken und einen Beitrag zu leis-ten, der weit über die eigene Existenzsicherung hinaus-geht. Allein durch die viele Lebenszeit, die wir mit Arbeit verbringen, aber auch durch die Möglichkeiten, wie wir wirksam werden und einen Beitrag leisten und gestalten können, ist die Arbeit ein ganz wichtiges Instrument, um dem Dasein eine Richtung und einen Sinn zu geben und etwas zu vollbringen. Um es vielleicht mit Hannah Ah-rendt zu sagen, wir sind weniger ein Animal Laborans als viel eher ein Homo Faber – wir wollen aktiv gestalten.
Trifft das auf alle Bereiche zu?
Das ist in einem ganz allgemeinen Sinn gemeint. In manchen Bereichen, zum Beispiel in sozialen Berufen, ist die Sinnfrage vielleicht schneller beantwortet als in anderen. Es gibt auch Unterschiede, die mit gewissen Branchentraditionen und -kulturen zusammenhängen, etwa bei der Schichtarbeit in der Industrie. Hier gibt es sicher geringere Möglichkeit für Selbstverwirklichung als in wissensorientierten Funktionen.
Wie können Arbeitsbedingungen beeinflussen, ob Menschen Ihre Arbeit als sinnvoll empfinden?
Dazu gibt es drei Ideen: Warum mache ich was? Mit wem mache ich es? Und für wen mache ich es? Beim ‚Wa-rum‘ geht es um die Arbeitsinhalte. Wenn ich in einem engen Korsett nur nach Guidelines arbeite und Arbeits-räume nicht selber gestalten kann, ist es schwerer, Sinn zu empfinden. Das ‚Mit wem‘ betrifft die Arbeitsbezie-hungen, sie sind besonders sinnstiftend für Mitarbei-ter:innen: Haben wir gleiche Ideen, gleiche Vorstellun-gen von unserer Arbeit? Und schließlich geht es auch um die Frage, für wen mache ich meine Arbeit. Das kön-nen auch interne Kunden sein. Wenn beispielsweise ein Hausmeister von Mitarbeiter:innen die Rückmeldung bekommt, dass sie froh sind, eine gute Infrastruktur zu haben, kann das für ihn viel Sinn stiften.
Sehen Sie Unterschiede bei den Generationen, was die Sinnfrage betrifft?
Ja, auf alle Fälle. Man sieht bei älteren Berufsperso-nen, dass die Sinnfrage immer wichtiger wird. Sie nimmt ab Mitte 40 zu. Die Frage, was habe ich mit meiner Arbeit bewirkt, ersetzt in gewisser Hinsicht das klassische Kar-rieredenken. In der späten Karriere sind Führungsfunk-tionen nicht mehr zwingend, die Leute wollen dann eher Wissen weitergeben und gehen Richtung Mentoring, Beratung, Supervision. Bei der jungen Generation zeigt sich ganz deutlich ein Shift von Commitment zu Invol-vement. Wir haben weniger typische Arbeitgeberloyali-tät, die Jungen wechseln schneller die Stelle, als es früher der Fall war. Gleichzeitig nimmt das Bedürfnis nach In-volvement zu. Das ist ein Paradoxon der Gen Z: Sie will mitreden, sich aber nicht binden.
Was kann man tun, damit Arbeit nicht nur als Notwendigkeit gesehen wird, sondern als Quelle von Erfüllung und persönlichem Wachstum?
Da braucht es zuerst mal einen gesellschaftlichen Dis-kurs. Ich glaube nicht, dass der Mensch weniger arbeiten will, ich glaube, er möchte besser arbeiten. Es braucht eigentlich keine großen Studien, um zu sehen: Wenn die Frage nach dem Purpose beantwortet ist, kennen die Leute keinen Feierabend mehr. Wir sollten zur Werks-orientierung kommen, wie wir sie vom Handwerk oder aus dem Kreativbereich kennen: Die Arbeit ist getan, wenn das Werk fertig ist. Egal, ob das acht Stunden dau-ert oder nicht. Ich glaube, eine solche Werkorientierung brauchen wir auch wieder in den Betrieben.
Vielen Dank für das Gespräch!