Sparte Industrie

EU Zero Pollution Strategy – ein gesunder Planet für alle?

Der Green Deal ist um eine Facette reicher: Am 12. Mai 2021 hat die EU-Kommission die lang erwartete Mitteilung zu ihrem EU-Aktionsplan „Towards Zero Pollution for Air, Water and Soil“ veröffentlicht.

Lesedauer: 2 Minuten

11.03.2023

Eine oberflächliche Durchsicht dieses Aktionsplans vermittelt vorerst folgenden Eindruck: Hier wurden alle bekannten und laufenden Inhalte der EU-Umweltpolitik neu verpackt, die nicht schon in der EU-Klimapolitik Platz gefunden haben. Vom Kreislaufwirtschaftspaket über den Review der Luftqualitäts-Richtlinie oder der Industrieemissions-Gesetzgebung bis hin zu Produktpolitik, Förderpolitik etc. zitiert die Kommission alles was Rang und Namen hat mit einem Ziel: Die Vermeidung von Verschmutzung soll mittelfristig der Schlüssel zur Erreichung der Green Deal Ziele in Europa sein.

Nullemission möglich und wenn ja, wo und wann?

Die tatsächliche Nullemission wird als längerfristiges, vielleicht auch symbolisches Ziel bis 2050 gesehen und weckt hoffentlich keine falschen Erwartungen. Nahezu jede menschliche Tätigkeit hat direkte und indirekte negative Auswirkungen auf die Umwelt, Minimierungsgebote sind bereits in allen umweltrelevanten Gesetzgebungen verankert. Vermeidung und Prävention stehen im Plan an erster Stelle, ebenso wie das Verursacherprinzip, das in der Wirtschaftswelt ohnehin seit Jahrzehnten akzeptiert und etabliert ist.

Was in Europa künftig maßnahmenseitig neu oder anders gemacht werden soll, verraten am ehesten die „List of Actions“ und die „Flagships“ des Plans: Die gesundheitlichen Ungleichheiten in Europa sollen entschieden in Angriff genommen werden, man möchte die Verschmutzung in Ballungsräumen vermindern und den Konsumenten die umweltschonendere Produktwahl erleichtern. Wissensaufbau, Kompetenzzentren, grüne digitale Lösungen etc. kommen auch nicht zu kurz.

Was heißt das für die produzierende Wirtschaft?

Der ganzheitlichere Ansatz von Zero Pollution hat Potenzial, Herausforderungen der Zukunft etwas gesamtheitlicher als bisher zu bewältigen und Widersprüche in der Umweltpolitik aufzulösen. Damit wurde eine alte Forderung der Industrie nach „Umweltschutz aus einem Guss“ zumindest aufgegriffen. Dass die bloße Verschiebung von Belastungen in andere Umweltkompartimente unter einer integrierten Zero Pollution Politik nicht mehr so einfach möglich wird, wäre ebenfalls zu begrüßen. Ob aber die schon heute verfügbaren Lösungen unserer Unternehmen für Less oder Zero Pollution für alle Bereiche des Lebens freundlich unterstützt und angenommen werden, wird sich zeigen. Denn naturgemäß sieht sich die Industrie als Teil von künftigen Lösungen, wie immer wieder betont wird.

Externer Fußabdruck der EU

Risikoreich könnte der Aktionsplan vor allem dann werden, wenn EU und Mitgliedstaaten der Bevölkerung Zero Pollution Lösungen vorgaukeln, die – wissentlich oder unwissentlich - die Verschmutzungen aus der Herstellung von Waren und aus Dienstleistungen einfach außerhalb der EU verlagern, heimischen Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit nehmen und nicht EU-Unternehmen bevorteilen. Wer hier analoge Muster wie in der CO2-Politik zu erkennen vermutet, liegt richtig. 

Auf die globalen Wechselwirkungen geht der Aktionsplan vorerst nur sehr kurz ein und betont eher den Export von problematischen Produkten ins Ausland als Problem. Man darf die Kommission daher ruhig künftig öfter auf den Titel ihres Werkes erinnern: „Pathway to a Healthy Planet for All“.

Ansätze für Diskussion

Zusammenfassend bietet der Aktionsplan die Möglichkeit, wieder einmal mit Politik und Öffentlichkeit das gemeinsame Verständnis für „Verschmutzung“ zu schärfen: Umweltkriminalität und Vollzugsschwachstellen werden immer öfter mit jener kalkulierten, genehmigten Verschmutzung in einen Topf geworfen, die als Preis für hohe Niveaus in Gesundheit (z.B. Pharmazeutika in Gewässern), Sicherheit, der Deckung von Grundbedürfnissen (Nahrung, Mobilität, Kultur) oder der (öffentlichen) Infrastruktur gilt. Viele Umwelt-Akteure haben das bereits vergessen oder spielen mit diesem Wissensmangel.

Und auch die Finanzierung ist – wie immer – ein Thema: Klar, dass für die Kommission die Kosten für Zero Pollution Maßnahmen weit geringer sind als die „costs of inaction“. Leider findet sich dennoch kaum jemand, der diese Kosten letztlich freiwillig übernimmt. Umso attraktiver scheint es, rasch Win-Win-Maßnahmen zu finden und „Low-Hanging-Fruits“ zu ernten, von denen auch die Industrie einige feilbieten kann.


Autor: Mag. Richard Guhsl
E-Mail: richard.guhsl@wko.at

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