Lohnstückkosten: dramatischer Verlust an Wettbewerbsfähigkeit
Informationen der Bundessparte Industrie
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Die Lohnstückkosten steigen in Österreich deutlich stärker als im EU-Schnitt. Dies verschlechtert zusehends die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten heimischen Industrie. Weiter steigende Arbeitskosten in Österreich könnten die Wettbewerbsposition der österreichischen Unternehmen dauerhaft schädigen. Als Gegenmaßnahme ist eine Senkung der Lohnnebenkosten dringend erforderlich.
Die Löhne sind in Österreich zuletzt im EU-Vergleich am stärksten gestiegen. Dementsprechend wächst der Abstand zu Ländern mit geringeren Lohnabschlüssen, insbesondere zum Haupthandelspartner Deutschland. Die Lohnnebenkosten verdoppeln dabei in etwa die Kosten der Lohnabschlüsse: Steigt beispielsweise der Bruttolohn von 3.000 auf 3.300 Euro, so erhöht sich der Nettolohn nur um 172 Euro, die Kosten für den Arbeitgeber steigen aber um 388 Euro pro Monat.
Schlüsselgröße „Lohnstückkosten“
Die Lohnstückkosten sind die Arbeitskosten pro Stunde, geteilt durch die Produktivität. Die Arbeitskosten setzen sich dabei aus dem Lohn / Gehalt (brutto) und den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber:innen zusammen. Die Entwicklung der Lohnstückkosten hängt neben der Entwicklung der Arbeitskosten somit auch von der Entwicklung der Produktivität ab. Braucht man für die gleiche Leistung weniger Arbeitsstunden als ein anderes Land, so sinken die Lohnstückkosten, selbst wenn die Arbeitskosten etwas stärker steigen als im Vergleichsland.
Aufgrund hoher KV-Abschlüsse und der Tatsache, dass sich die Produktivität in Österreich weniger positiv – zuletzt sogar rückläufig – entwickelt, galoppieren Österreichs Lohnstückkosten davon.
Die KV-Abschlüsse der letztjährigen Frühjahreslohnrunde sowie der vergangenen Herbstlohnrunde haben laut der letzten WIFO-Prognose (März 2024) zu einem massiven Anstieg bei den Lohnstückkosten geführt, im Bereich der Herstellung von Waren sogar um mehr als 20 Prozent (2023: + 11,8 % und 2024: + 9,6 %). Auch die Zahlen der Europäischen Kommission sprechen eine klare Sprache: Mit einer Steigerung der Lohnstückkosten um 30,4 Prozent seit 2015 lag die Erhöhung bis zum Vorjahr um rund 10 Prozentpunkte über dem EU-27- und dem Euroraum-Schnitt. Verglichen mit den benachbarten Haupthandelspartnern lag der Anstieg um 5,4 Prozentpunkte über der Erhöhung in Deutschland und 17,1 Prozentpunkte über jener in Italien. Bis 2025 werden die Lohnstückkosten nach den Prognosen der Europäischen Kommission sogar um 43,5 Prozent gestiegen sein – und damit um rund 15 Prozentpunkte mehr als in den Ländern der EU-27 oder des Euroraums.
Die Arbeitskosten bei der Herstellung von Waren, relativ zur Produktivitätsentwicklung, steigen somit in Österreich viel stärker an als in anderen, vergleichbaren Ländern. Diese Entwicklung führt bei Österreichs Industrie, angesichts eines Exportanteils von mehr als 80 Prozent in einzelnen Branchen, zu einem massiven Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Je höher der Zuwachs bei den Lohnstückkosten, desto schwächer fällt das Wachstum der Exporte aus. Das ergibt sich aus dem berechneten Korrelationskoeffizienten zwischen den beiden Größen: Dieser beträgt 0,98 - es gibt also eine annähernde 1:1 Korrelation zwischen der Entwicklung der Lohnstückkosten und der Wettbewerbsfähigkeit.
Schnelle und spürbare Senkung der Lohnnebenkosten
Um diesem negativen Trend gegensteuern zu können, braucht es unverzüglich eine deutliche und spürbare Senkung der Lohnnebenkosten. Österreich hat schon jetzt die vierthöchste Belastung des Faktors Arbeit in der OECD. Die DG-Lohnnebenkosten betragen derzeit 29,3 Prozent vom Bruttolohn. Gemessen am Bruttolohn sind diese in Österreich um 5 Prozentpunkte höher als in Deutschland. Ziel muss es sein, die AG-Lohnnebenkosten auf das deutsche Niveau zu senken. Erreicht werden könnte eine deutliche Lohnnebenkostensenkung vor allem durch eine Umstellung der Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds. Der FLAF-Beitrag hat kein „Pendant“ in Deutschland. Die Unterstützung von Familien ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft, eine Finanzierung aus AG-Beiträgen daher zu hinterfragen. Damit würden schon einmal 3,7 Prozentpunkte an Lohnnebenkosten wegfallen. Mit geringen Senkungen in anderen Bereichen (zB beim Wohnbauförderungsbeitrag, Unfallversicherung) wäre eine Absenkung auf deutsches Niveau durchaus realistisch und erreichbar.
Dass neben der Entlastung der Unternehmen und der verbesserten internationalen Wettbewerbsfähigkeit eine Senkung der Lohnnebenkosten auch beachtliche volkswirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, hat jüngste eine von WKÖ beauftragte Studie des Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria gezeigt. Diese Studie, die eine Fülle interessanter Daten und konkrete Vorschläge zur Gegenfinanzierung enthält, ist auf der Homepage von EcoAustria zu finden: https://ecoaustria.ac.at/lohnnebenkostensenkung/.
Damit der Industriestandort Österreich wettbewerbsfähig bleibt und Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze nicht verloren gehen, braucht es einen sofort wirksamen Mix aus Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen. Die Politik muss entsprechende Maßnahmen rasch ergreifen. Laut einer Deloitte-Umfrage sehen drei von vier österreichischen Unternehmen die Gefahr einer Deindustrialisierung in Österreich. 41 Prozent der heimischen Industriebetriebe haben in der jüngeren Vergangenheit schon Teile ihrer Wertschöpfungskette aus Österreich abgezogen – Tendenz steigend. Hauptgrund für die Unternehmen, Teile ihrer Wertschöpfung aus Österreich abzuziehen, sind (neben den hohen Energiekosten) die zu hohen Arbeitskosten. Auf die Frage, welche Maßnahmen die Befragten für den Standort als besonders wichtig erachten, gibt es eine klare Antwort: 88 % wünschen sich eine Senkung der Lohnnebenkosten in Österreich.
Autor:
Mag. Thomas Stegmüller
E-Mail: Thomas.stegmueller@wko.at