Sanduhr mit Geldmünzen vor einer blauen Wand auf einem Holzuntergrund
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Sparte Industrie

BSI-Obmann Menz: Industrie in der Kostenfalle

Kommentar des Obmannes Mag. Sigi Menz

Lesedauer: 3 Minuten

25.06.2024

Produktionskosten sind ein entscheidendes Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen, aber auch ganzer Wirtschaftsstandorte.  In Österreich sind bedeutende Kostenpositionen für Unternehmen – wie der Aufwand für Personal, Energie oder auch Bürokratie – in den letzten Jahren massiv angestiegen, oft deutlich stärker als an anderen Standorten.  Dies führt zur Schwächung des heimischen Industriestandortes.

Über weite Strecken der letzten Jahrzehnte ist es gelungen, die Kostenentwicklung in Österreich in einem vernünftigen Verhältnis zur Produktivitätsentwicklung zu halten. In Verbindung mit dem hohen Innovationsgrad der österreichischen Industrie konnte die internationale Wettbewerbsfähigkeit bewahrt werden. Dies hat eine kräftige Entwicklung der Wertschöpfung der Industrie in Österreich ermöglicht, woraus entsprechend positive Effekte auf Beschäftigung und Einkommen, aber beispielsweise auch Steuerleistung, resultierten.

Verbesserungen der Terms of Trade oder auch der Lohnstückkostenposition einer Volkswirtschaft sind immer langsame, schrittweise Prozesse. Verschlechterungen können hingegen sehr rasch erfolgen. In der Vergangenheit waren solche Verschlechterungen regelmäßig in Ländern zu beobachten, die hinsichtlich der sozialpartnerschaftlichen Verhältnisse auf Konflikt- statt Konsenskultur setzen und die meist konfliktträchtige und instabile politische Verhältnisse aufweisen.  Der traditionelle „Ausweg“ aus solchen Verschlechterungen sind Währungsabwertungen, die aber in der Regel in einen Inflationsstrudel führen.  Im Euroraum, wo ein Abwertungswettlauf unmöglich geworden ist, mussten frühere Weichwährungsländer neue Methoden der Anpassung mühsam erlernen, vielfach verbunden mit einem Verlust an nationaler Wertschöpfung.

In den letzten Jahrzehnten waren Verschlechterungen der Kostenpositionen ganzer Standorte immer nur jenseits der Landesgrenzen zu beobachten. Nun aber ist Österreich von einer solchen Entwicklung betroffen. Zwei parallele Geschehnisse treffen dabei aufeinander: Der Standort Europa fällt im globalen Wettbewerb zurück, und der Standort Österreich verliert im innereuropäischen Umfeld an Boden.

Nach den jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament wird vor allem über Köpfe in der Führung der EU diskutiert. Die entscheidende Diskussion sollte aber sein, wie eine hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und internationale Konkurrenzfähigkeit der europäischen Unternehmen bewahrt werden kann, um die ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft auch finanzieren zu können.  Gegenwärtig verliert Europa in alle Richtungen an Standortattraktivität, gegenüber den Ländern des Südens ebenso wie gegenüber den USA. Durch ein immer dichteres Netz an bürokratischen Vorschriften und auf geduldigem Papier mit immer unrealistischeren Fristen festgelegten Plänen wird die Konkurrenzfähigkeit nicht gesichert werden können. Die hohen Kosten, mehr noch aber der Unwille der (europäischen) Politik faktenbasierte Zukunftsszenarien zu entwickeln, die Unternehmen eine Basis für Planbarkeit geben, führen derzeit zu einer massiven Abwanderung energieintensiver Produktionen aus Europa.

Mitte Juni 2024 ist der jüngste Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit der IMD Business School veröffentlicht worden („World Competitiveness Ranking“): Im Vergleich zum Jahr 2020 hat Österreich insgesamt zehn Ränge verloren, und zehn andere EU-Länder liegen mittlerweile vor Österreich. Österreich hat also die Herausforderungen der letzten Jahre besonders schlecht bewältigt.  Zur gesamteuropäischen Standortproblematik kommt somit eine „hausgemachte“ Tangente hinzu: Hier könnte man verschiedene Punkte anführen, aber zentral ist die politisch wenig gelungene Antwort auf die Inflationsentwicklung der Jahre 2022 und 2023, die sich in der Folge in untragbar hohen KV-Abschlüssen niedergeschlagen hat. Die Industrie hat frühzeitig andere Wege bei der Inflationsbekämpfung vorgeschlagen; sie hat sich für maßvollere Lohnabschlüsse, insbesondere in Form von Einmalzahlungen, ausgesprochen (was uns heute viele Probleme – und Abwanderungen von Unternehmen – ersparen würde); und sie appelliert seit Monaten an die Bundesregierung, rasch kompensatorische Maßnahmen zu setzen: Aus völlig unverständlichen Gründen wird die Regierung aber weder bei den Energiekosten aktiv (Stichwort: Strompreiskompensation), noch kommt Bewegung in die Frage der Entlastung der Lohnnebenkosten; dabei wäre letzteres ein nicht nur rascher und wirksamer, sondern zudem steuersystematisch ohnedies sinnvoller und überfälliger Schritt.

Das aktuelle Wirtschaftsbarometer der WKÖ zeigt, dass die weit überwiegende Zahl der österreichischen Industrieunternehmen in den letzten zwölf Monaten eine Verschlechterung ihrer preislichen Wettbewerbssituation hinnehmen mussten, und zwar auf den Auslandsmärkten ebenso wie im Wettbewerb mit ausländischen Mitbewerbern auf dem Inlandsmarkt.  Etwa die Hälfte der Unternehmen erwartet eine weitere Verschlechterung innerhalb der nächsten zwölf Monate. Dringend notwendige Gegenmaßnahmen sehen die Unternehmen in einer Senkung der Lohnnebenkosten – die hohen Arbeitskosten gelten als Hauptgrund für die Verschlechterung der Wettbewerbsposition – sowie in der Sicherung wettbewerbsfähiger Energiepreise und in einem Abbau an Bürokratie sowie steuerlicher Entlastung.

So wie die Europäische Union am Beginn einer neuen Funktionsperiode die Frage nach der Bewahrung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – und damit von Wohlstand und sozialem Frieden in Europa – stellen sollte, muss sich die im Herbst neu zu bildende österreichische Regierung ganz zentral mit der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich befassen. Hier geht es um weit mehr, als ein Kostenproblem. Hier geht es um die zentrale Quelle von Wertschöpfung in Österreich – und damit um die Zukunft des Landes.

Unterschrift
©

Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

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