Servicepaket Sicherung und Sanierung

Eine bedenkliche Zahl von Betrieben in Tirol steht derzeit vor der Entscheidung: zusperren oder weiterkämpfen. Die Wirtschaftskammer Tirol stellt daher ein Servicepaket für schwer getroffene Unternehmen zur Verfügung

Lesedauer: 7 Minuten

27.11.2023


Neben den unterschiedlichen Förder- und Unterstützungsmaßnahmen des Bundes und der Länder, welche für die von der Corona-Krise betroffenen Betriebe eingerichtet und teilweise verlängert wurden, sind auch Stundungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen seit Beginn der Krise eine Erleichterung. Diese wird von den Betrieben in Anspruch genommen.

Stundungen sind zurückzuzahlen. Die Wirtschaftshilfen werden auslaufen. So lange darf die konkrete Auseinandersetzung mit der entstandenen finanziellen Situation auf keinen Fall hinausgezögert werden, denn bis dahin kann es zu spät sein, wichtige Schritte zu setzen, um die Richtung im Betrieb neu zu denken und die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen. „Wenn Schulden nicht mehr bedienbar sind, ist ein Betrieb zahlungsunfähig und damit insolvent“, bringt es Wolfgang Teuchner vom Unternehmerservice der Tiroler Wirtschaftskammer auf den Punkt: „Wenn aber die prekäre Lage rechtzeitig erkannt und entsprechend eingeschätzt wird, kann ein Konkurs abgewendet und damit die Zerschlagung des Betriebes verhindert werden. Um den Betrieb erfolgreich zu sanieren, sind wichtige Maßnahmen notwendig, die meist erst dann in Angriff genommen werden, wenn es ‚brennt‘. Daher lege ich jeder betroffenen Unternehmerin und jedem betroffenen Unternehmer ans Herz, rechtzeitig die Beratungsangebote der Wirtschaftskammer in Anspruch zu nehmen“, appelliert Teuchner, den richtigen Zeitpunkt, sich beraten zu lassen, nicht zu übersehen.

Wann sollten Sie eine geförderte Beratung in Anspruch nehmen?

  • Wenn die Umsätze kontinuierlich sinken, oder
  • die Auftragsbücher voll sind und trotzdem nichts übrigbleibt, oder
  • die Schulden immer mehr werden und nur mehr gearbeitet wird, um das Unternehmen am Leben zu erhalten, oder
  • Sie ständig jonglieren müssen, um Ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, oder
  • Gläubiger mit Exekution oder Konkursantrag drohen, oder
  • Sie sich fragen, ob es überhaupt noch einen Sinn macht, weiter zu machen.

Welche Möglichkeiten gibt es?

  • Die außergerichtliche Sanierung (Vergleich) ist eine Einigung (eine Art privatrechtlicher Vertrag) zwischen Schuldner und Gläubigern, auch über einen eventuellen Schuldenerlass, ohne Einschaltung eines Gerichts.
  • Das Sanierungsverfahren: Wenn der Unternehmer im Stande ist, einen Teil seiner Schulden (Quote) zu bezahlen, und mehr als die Hälfte der Anzahl der Gläubiger, die mehr als die Hälfte der Schulden repräsentiert (mindestens 50,1 Prozent) dieses Zahlungsangebot genehmigt, wird der Rest der Schulden erlassen. Die Unternehmerin/der Unternehmer muss mit den Gläubigern sein Zahlungsangebot verhandeln, als Ergebnis wird die Zahlungsquote festgelegt. 
    Ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung gibt der Unternehmerin/dem Unternehmer die Möglichkeit, das Unternehmen selbst, ohne Vorgaben eines Sanierungsverwalters, zu führen.
    Voraussetzungen: Dem Gericht wird ein Sanierungsplan vorgelegt, das Verfahren ist qualifiziert vorbereitet, innerhalb von zwei Jahren müssen mindestens 30 Prozent der Schulden bezahlt werden und die Mehrheit der Gläubiger, welche auch die Mehrheit der Schulden repräsentieren, stimmt dem Sanierungsplan zu.
    Ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung hingegen wird unter der Kontrolle eines Sanierungsverwalters durchgeführt, welcher vom Gericht bestellt wird.
    Voraussetzungen: Dem Gericht wird ein Sanierungsplan vorgelegt. Innerhalb von zwei Jahren müssen mindestens 20 Prozent der Schulden bezahlt werden und die Mehrheit der Gläubiger, die auch die Mehrheit (50,1 Prozent) der Forderungen repräsentiert, stimmt dem Sanierungsplan zu. Wird der Sanierungsplan von den Gläubigern abgelehnt, kommt es zu einem Konkursverfahren, welches die Zerschlagung des Betriebes  vorsieht.
  • Konkursverfahren: Beim Konkurs geht nach Eröffnung des Verfahrens die Verfügungsgewalt über das Unternehmen an einen vom Gericht bestellten Masseverwalter über. Dieser kann den Betrieb weiterführen, aber auch aufgrund der Situation sofort schließen. Derzeit hat ein verschuldetes Unternehmen 120 statt vor Beginn der Corona-Krise 60 Tage Zeit, um bei Überschuldung Insolvenz anzumelden.
    Voraussetzung: Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Es muss außerdem ein kostendeckendes Vermögen vorhanden sein, das zumindest die Anlaufkosten des Konkursverfahrens deckt. Mangelt es an kostendeckendem Vermögen, muss von organschaftlichen Vertreterinnen/Vertretern einer juristischen Person oder von Gesellschaftern, deren Anteil an der Gesellschaft mehr als 50 Prozent beträgt, ein Kostenvorschuss geleistet werden. Der Konkurs hat den Zweck, Vermögen zu zerschlagen und die Gläubiger mit einer Quote zu befriedigen. Das Konkursverfahren wird nach Annahme der Quote zwar geschlossen, die Gläubiger können aber auch den über die Quote hinausreichenden Prozentsatz per Exekution einfordern, was im schlimmsten Fall zur Pfändung über 30 Jahre und zum Privatkonkurs führen kann. 
  • Bei der Privatinsolvenz wird den Gläubigern ein Zahlungsplan mit einer Quote angeboten. Wenn mehr als die Hälfte der Gläubiger, die mehr als die Hälfte der Schuldensumme repräsentiert, diese Quote annimmt, ist der Schuldner nach Beendigung der vereinbarten Zahlungen schuldenfrei. Wenn dies scheitert besteht die Möglichkeit zur Entschuldung durch ein Abschöpfungsverfahren. Bei diesem Verfahren muss der Schuldner fünf Jahre mit dem Existenzminimum auskommen, ist aber danach (mit wenigen Ausnahmen) meist schuldenfrei.


„Wenn die reale Aussicht auf Sanierung des Unternehmens besteht und eine glaubhafte Darstellung vor den Gläubigern – auch der Sozialversicherung und der Österreichische Gesundheitskasse – gelingt, sind diese in der Regel verhandlungsbereit und stimmen Zahlungsvereinbarungen in Form von Nachlässen, Stundungen oder Ratenzahlungen zu“, betont Wolfgang Teuchner aus seiner jahrelangen Erfahrung in der Sanierungsberatung. Der Fristenlauf beginnt, sobald die Unternehmerin/der Unternehmer trotz Exekutionstitel ihre/seine Zahlungen nicht tätigen kann. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird zum Beispiel die SVS oder die ÖGK einen Insolvenzantrag gegenüber dem Betrieb einbringen. Daraufhin wird der insolvent gemeldete Unternehmer aufgefordert, im Rahmen der gerichtlichen Ersteinvernahmen seine finanzielle Situation darzulegen und zur Behauptung der Zahlungsunfähigkeit qualifiziert Stellung zu beziehen.

In sehr prekären betriebswirtschaftlichen Situationen scheitert die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits daran, dass die Liquidität bzw. das Vermögen für die Deckung der Verfahrenskosten in Höhe von 4.000 Euro fehlt. In diesem Fall wird das Verfahren vom Gericht aus Mangel an Kostendeckung abgewiesen, das Gewerbe ist damit automatisch gelöscht, die Bankomatkarte wird eingezogen, Leasing- und Handyverträge werden umgehend gekündigt und der Unternehmer bleibt auf seinem Schuldenberg sitzen. Die einzige Möglichkeit, Schulden zu reduzieren, ist dann, der Privatkonkurs.

Sind die Möglichkeiten für ein Insolvenzverfahren gegeben und hat der Unternehmer im Vorfeld bereits Verhandlungen mit den Gläubigern geführt, dann wird dieser Sanierungsplan in der Regel angenommen und der Betrieb bleibt aufrecht. „Um für die Verhandlungen mit den Gläubigern gut gerüstet zu sein, bedarf es einiger Vorbereitungen durch den Unternehmer“, weiß Wolfgang Teuchner: „Gerade aufgrund der anhaltenden Corona-Krisensituation gestaltet sich die Erstellung eines seriösen Sanierungsplans samt glaubhaft dargelegtem Sanierungskonzept für Unternehmer noch schwieriger und die Einschätzung der betriebswirtschaftlichen Lage wird zu einer zusätzlichen Belastung, die sich nicht selten auch auf die Psyche niederschlägt.“

Speziell für diese außergewöhnliche Anhäufung von Belastungen für Unternehmer wurde von der Tiroler Wirtschaftskammer ein umfassendes Beratungsangebot zur Sicherung und Sanierung des Unternehmens zusammengestellt, das weitgehend gefördert wird. „Das Wichtigste ist, bei auftretenden Zahlungsschwierigkeiten schon frühzeitig zu reagieren und nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Je früher sich Unternehmer bei Zahlungsschwierigkeiten mit der Situation konkret auseinandersetzen, desto besser sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Sicherung des Betriebes“, betont Teuchner.

Wie setzt sich das WK-Servicepaket Sicherung und Sanierung zusammen?

  • Beratung/Begleitung zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes bei Insolvenzgefahr
  • Sofortberatung zur Sicherung und Sanierung mit Unterstützung von Unternehmensberatern bei wirtschaftlicher Schräglage. Dabei wird auch eine Strategie festgelegt, wie bei der gerichtlichen Ersteinvernahme vorgegangen werden kann. Dieses Pilotprojekt der WK Tirol ist für den Unternehmer kostenlos. Der Stundenaufwand der kostenfreien Beratung ist begrenzt. Diese Beratung kann von Betrieben jeder Größe in Anspruch genommen werden.
  • Rechtsberatung bei Insolvenzgefahr/im Insolvenzfall mit Unterstützung von Rechtsanwälten
  • Tiroler Beratungsförderung – Unternehmenssicherung mit Unterstützung von Unternehmensberatern
  • Beratung zum Insolvenzverfahren

Folgende Fragen muss sich der Unternehmer im Vorfeld stellen

  • Welche Kostenstruktur habe ich im Betrieb?
  • Welche Mittel stehen mir zur Kostendeckung zur Verfügung?
  • Was kommt pro Monat an Schulden dazu?
  • Was brauche ich für mich privat zum Leben?
  • Gibt es zu berücksichtigende Fristen?

Die Analyse derartiger Fragen ist ausschlaggebend für die weitere Beratungsleistung. Zur Vorbereitung auf eine effiziente Beratung erhält der Unternehmer bei einer Erstanfrage in der WK Tirol eine Checkliste, die dabei hilft, die notwendigen betrieblichen Unterlagen für die Beratung vorzubereiten.

Infografik Beratung zur Unternehmenssicherung und Sanierung
© Robert Wimmer/WK Tirol


Beratung bei Insolvenzgefahr
Ihr Unternehmen befindet sich in großen finanziellen Schwierigkeiten und es besteht die Gefahr einer Insolvenz? Unsere Experten beraten Sie, wie Sie die Situation positiv verändern können. Sie erhalten eine objektive Einschätzung der Sachlage und Empfehlungen für Lösungen zu Ihren Problemen.

Sofortberatung Sicherung/Sanierung
Tiroler Unternehmen haben die Möglichkeit, sich von einem spezialisierten externen Unternehmensberater zu Sicherungs- und Sanierungsmaßnamen beraten zu lassen (Erstanalyse, Maßnahmen festlegen, Möglichkeiten prüfen, …). Die Beratung kann online erfolgen und dauert max. drei Stunden. Nach Anfrage meldet sich der Berater innerhalb von 24 Stunden.

Rechtsanwaltspaket – Rechtsberatung im Insolvenzfall 
Die Tiroler Wirtschaftskammer hat ein Paket zur rechtlichen Unterstützung im Insolvenzfall mit ausgewählten Anwälten verhandelt. Das Paket kann nur nach einer „Beratung bei Insolvenzgefahr“ in Anspruch genommen werden. Das Paket beinhaltet maximal vier Beratungsstunden.

  • Erstgespräch 
  • Erstellung eines Grobkonzepts und einer Strategie für das Insolvenzverfahren
  • Optional: Teilnahme und Begleitung der ersten Tagsatzung
  • Kurzbericht an die WK

Tiroler Beratungsförderung – Unternehmenssicherung
Die Tiroler Beratungsförderung ermöglicht eine Begleitung von Mitgliedsbetrieben bei der Unternehmenssicherung. Das Angebot erfahrener Berater reicht von der strategischen Neuausrichtung über die Sanierung bis hin zur Erstellung eines Sanierungsplans. Bis zu 24 Stunden können bei einem maximalen Stundensatz von 90 Euro netto mit 50 Prozent gefördert werden. Informationen und die Richtlinie finden Sie hier.

Beratung zum Insolvenz-Verfahren
Die Rechtsexperten der Tiroler Wirtschaftskammer informieren Sie gerne über folgende Fragen zum Insolvenzverfahren: Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (Sanierungsplan), Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (Sanierungsplan), Konkursverfahren, außergerichtliche Einigung (früher: stiller Ausgleich) und Privatinsolvenzverfahren.