Übergang der Steuerschuld bei der Reinigung von Bauwerken ab 1. Jänner 2011
Detaillierte Informationen über die seit 1.1.2011 geltende Rechtslage
Lesedauer: 7 Minuten
§19 Abs.1a UStG sieht bei Bauleistungen die Umkehr der Umsatzsteuerschuld (Reverse Charge System) vor.
Die gegenständliche Bestimmung lautete vor dem 1.1.2011
§19 Abs.1a UStG (alte Bestimmung): "Bei Bauleistungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist. Der Leistungsempfänger hat auf den Umstand, dass er mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist, hinzuweisen. Erfolgt dies zu Unrecht, so schuldet auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer.
Werden Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt, so wird die Steuer für diese Bauleistungen stets vom Leistungsempfänger geschuldet. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen.
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 111/2010 vom 30.12.2010) ist mit 1.Jänner 2011 eine Änderung des §19 Abs.1a letzter Unterabsatz zweiter und dritter Satz UStG in Kraft getreten, die wie folgt lautet:
"Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen.“
Konkret wurde also die Definition der "Bauleistungen“ um den Begriff "Reinigung“ erweitert, sodass nunmehr auch die Reinigung von Bauwerken als Bauleistung qualifiziert wird.
Nunmehr stellt sich die Frage, was genau unter der Reinigung von Bauwerken zu verstehen ist. Aus der kürzlich veröffentlichten Information des Bundesministeriums für Finanzen (BMF – 010219/0321-VI/4/2010) geht hervor, dass nicht nur die Bauendreinigung, sondern jede Säuberung von Räumlichkeiten oder Flächen, die Teil des Bauwerks sind, vom Reinigungsbegriff erfasst ist. Daher zählt zum Beispiel auch die Reinigung von Kanälen (Behebung von Verstopfungen, Kanalspülung usw.) sowie die Reinigung von Straßen und Parkplätzen (Schneeräumung, Kehrleistungen, Straßenwaschung usw.) als Bauleistung.
Zusammenfassung
Daher kann gesagt werden, dass durch die Erweiterung des Bauleistungsbegriffes durch den Begriff "Reinigung“ nunmehr erstmals auch jene Abfallwirtschaftsbetriebe vom §19 Abs.1a UStG betroffen sind, die Straßenkehrungen, Straßenwaschungen, Winterdienste, Kanalräumungen und Kanalreinigungen anbieten.
In welchen Fällen kommt es nun zum Übergang der Umsatzsteuerschuld?
Voraussetzung für den Übergang der Steuerschuld bei Bauleistungen ist gemäß §19 Abs.1a UStG, dass der Leistungsempfänger
- seinerseits mit der Erbringung dieser Bauleistungen beauftragt ist (Gruppe 1) oder
- seinerseits üblicherweise Bauleistungen erbringt (Gruppe 2).
Daraus ergeben sich beispielsweise die folgenden Fälle für die Gruppe 1:
Die EDV – Firma A möchte im Winter die anfallenden Schneeräumungstätigkeiten für ihren Parkplatz bzw. für den von ihr zu betreuenden Gehsteig nicht selbst durchführen und beauftragt damit die Winterdienstfirma B. Die Winterdienstfirma B beauftragt wiederum ihrerseits die Winterdienstfirma C. Die Firma C erbringt an die Firma B eine Bauleistung, für die die Steuerschuld gemäß §19 Abs. 1a UStG auf die Firma B übergeht. Für die Leistung des B an A kommt es nicht zum Übergang der Steuerschuld, da A weder mit der Erbringung dieser Bauleistung beauftragt wurde noch üblicherweise Bauleistungen erbringt.
Die Gemeinde A möchte ihr Kanalnetz reinigen lassen und beauftragt damit die Kanalräumungsfirma B. Die Kanalräumungsfirma B beauftragt ihrerseits wiederum die Kanalräumungsfirma C. Die Firma C erbringt an die Firma B eine Bauleistung, für die die Steuerschuld gemäß §19 Abs. 1a UStG auf die Firma B übergeht. Für die Leistung des B an A kommt es nicht zum Übergang der Steuerschuld, da A weder mit der Erbringung dieser Bauleistung beauftragt wurde noch üblicherweise Bauleistungen erbringt.
Die Bank A beauftragt den Gebäudereiniger B mit der Reinigung der Innenräumlichkeiten des Bankgebäudes und mit der Reinigung des Parkplatzes vor dem Bankgebäude. Da der Gebäudereiniger B nicht über ein entsprechendes Straßenreinigungsfahrzeug verfügt, gibt er den Teil des Reinigungsauftrages, der den Parkplatz betrifft, an die Straßenreinigungsfirma C weiter. Die Firma C erbringt an die Firma B eine Bauleistung, für die die Steuerschuld gemäß §19 Abs. 1a UStG auf die Firma B übergeht. Für die Leistung des B an A kommt es nicht zum Übergang der Steuerschuld, da A weder mit der Erbringung dieser Bauleistung beauftragt wurde noch üblicherweise Bauleistungen erbringt.
Weiters ergeben sich beispielsweise für die Gruppe 2 die folgenden Fälle:
Der Baumeister A beauftragt die Winterdienstfirma B mit der Durchführung der Schneeräumungstätigkeiten für seinen Parkplatz. Die Steuerschuld geht gemäß §19 Abs. 1a UStG auf A über, da dieser üblicherweise Bauleistungen erbringt.
Achtung: Da nunmehr auch die Reinigungsleistungen an Gebäuden als Bauleistungen zählen, können auch die folgenden Fälle eintreten:
Die Winterdienstfirma A beauftragt die Gebäudereinigungsfirma B mit der Reinigung des Bürogebäudes der Winterdienstfirma A. Da die Winterdienstfirma A üblicherweise Bauleistungen erbringt, geht gemäß §19 Abs.1a UStG die Steuerschuld auf die Winterdienstfirma A über.
Die Kanalräumungsfirma A beauftragt die Winterdienstfirma B mit der Durchführung von Schneeräumungstätigkeiten auf dem Betriebsgelände der Kanalräumungsfirma A. Die Steuerschuld geht gemäß §19 Abs.1a UStG auf A über, da diese Firma üblicherweise Bauleistungen erbringt.
Inkrafttreten
§19 Abs.1a UStG 1994 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 gilt für Umsätze, die nach dem 31.12.2010 ausgeführt werden. Maßgebend ist daher der Leistungszeitpunkt. Liegt dieser vor dem 1.1.2011, kommt es auch dann nicht zum Übergang der Steuerschuld, wenn die Rechnungslegung erst nach dem 31.12.2010 erfolgt. Anzahlungen, die vor dem 1.1.2011 vereinnahmt werden, sind nach der im Zeitpunkt der Anzahlung geltenden Rechtslage zu behandeln, auch wenn die Leistungen erst nach dem 31.12.2010 ausgeführt werden.
Auftraggeberhaftung
Gibt ein mit einer Bauleistung beauftragtes Unternehmen (Auftraggeber) den Bauleistungsauftrag ganz oder teilweise an ein anderes Unternehmen (Subunternehmen) weiter, so trifft das weitergebende Unternehmen die Auftraggeberhaftung nach §67a ASVG und ab dem 1.7.2011 auch nach §82a EStG.
Die Auftraggeberhaftung kommt also nur bei den von uns aufgezählten Fällen der Gruppe 1 zur Anwendung (im ersten Beispiel trifft sie die Winterdienstfirma B, im zweiten Beispiel die Kanalräumungsfirma B und im dritten Beispiel den Gebäudereiniger B). Bei den Beispielen der Gruppe 2 kommt die Auftraggeberhaftung nicht zum Tragen, da es in diesen Fällen zu keiner Weitergabe des Auftrages (also zu keiner Subauftragsvergabe) gekommen ist.
Die Haftungsbestimmung des §67a ASVG im Detail
Bei der Weitergabe von Bauleistungsaufträgen nach §19 Abs.1a UStG haftet der Auftraggeber für alle Beiträge und Umlagen des beauftragten Unternehmens (Subunternehmen), die dieses an die Krankenversicherungsträger abzuführen hat, bis zu einem Höchstausmaß von 20% des geleisteten Werklohnes. Sie tritt mit dem Zeitpunkt der Leistung des Werklohns an den beauftragten Subunternehmer ein und umfasst alle Beiträge und Umlagen, die bis zum Ende jenes Kalendermonats fällig werden, in dem die Leistung des Werklohns erfolgt.
Der Auftraggeber wird immer dann zur Haftung herangezogen, wenn die zuständige Gebietskrankenkasse erfolglos Exekution gegen den Subunternehmer geführt hat oder der Subunternehmer bereits insolvent ist.
Die dargestellte Haftung entfällt, wenn
- das beauftragte Unternehmen zum Zeitpunkt der Leistung des Werklohnes in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU – Gesamtliste) nach §67b Abs.6 ASVG geführt wird, oder
- der Auftraggeber 20% des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des (restlichen) Werklohnes an das Dienstleistungszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse überweist.
Die HFU – Gesamtliste wird vom Dienstleistungszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse geführt.
Überweist der Auftraggeber 20% des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des Werklohnes an das Dienstleistungszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse, wirkt dies gegenüber dem beauftragten Unternehmen schuldbefreiend.
Die Haftungsbestimmung des §82a EStG im Detail
Im Rahmen des Betrugsbekämpfungsgesetzes (BGBl I Nr. 105/2010) wurde dem EStG der §82a EStG hinzugefügt, der ebenfalls eine Auftraggeberhaftung vorsieht. Ab dem 1.7.2011 tritt daher zu der Haftung nach §67a ASVG die Haftung nach §82a EStG hinzu.
Die Haftung nach §82a EStG stellt sich wie folgt dar:
Bei der Weitergabe von Bauleistungsaufträgen nach §19 Abs.1a UStG haftet der Auftraggeber für die lohnabhängigen Abgaben des Subunternehmens, bis zu einem Höchstausmaß von 5% des geleisteten Werklohnes.
Die Haftung tritt mit dem Zeitpunkt der Zahlung des Werklohnes ein und umfasst die vom beauftragten Unternehmen zu entrichtenden und vom Finanzamt einzuhebenden lohnabhängigen Abgaben, die bis zum 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats fällig werden, in dem die Leistung des Werklohnes erfolgt.
Der Auftraggeber wird immer dann zur Haftung herangezogen, wenn die zuständige Gebietskrankenkasse erfolglos Exekution gegen den Subunternehmer geführt hat oder der Subunternehmer bereits insolvent ist.
Die dargestellte Haftung entfällt, wenn
- das beauftragte Unternehmen zum Zeitpunkt der Leistung des Werklohnes in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU – Gesamtliste) nach §67b Abs.6 ASVG geführt wird, oder
- der Auftraggeber 5% des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des (restlichen) Werklohnes an das Dienstleistungszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse überweist.
Die HFU – Gesamtliste wird vom Dienstleistungszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse geführt.
Überweist der Auftraggeber 5% des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des Werklohnes an das Dienstleistungszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse, wirkt dies gegenüber dem beauftragten Unternehmen schuldbefreiend.
Die Haftungsbeträge aus §67a ASVG und §82a EStG (also insgesamt 25% des zu leistenden Werklohnes) können auch gemeinsam an das Dienstleistungszentrum der Wiener Gebietskrankenkasse überwiesen werden.
Weiterführende Informationen finden Sie unter nachstehenden Links bzw. im Downloadbereich.
Stand: 31.01.2012