[Schlichtungsstellen]

Leitsätze zu weiteren zivilrechtlichen Gesetzen (ABGB, KSchG,…)

Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten

Lesedauer: 8 Minuten

09.10.2024

RSL60022

§§ 871ff. ABGB

Irrtümer über Umstände, die den Inhalt des Geschäfts betreffen, werden unter dem Begriff "Geschäftsirrtum ieS" zusammengefasst. Darunter fallen Irrtümer über die Art des Rechtsgeschäfts, über den Vertragsgegenstand bzw. dessen (vertragswesentliche) Eigenschaften sowie Fehlvorstellungen über die Person oder Eigenschaften des Vertragspartners.

Nach dem Vorbringen der beiden Parteien sind die Vorgänge bei Vertragsabschluss offenbar dem Rechtsinstitut des "beiderseitiger Irrtums" zuzuordnen, zumal die Streitparteien offenbar darüber irrten, in welcher Eigenschaft bzw. für welche berufliche Tätigkeit die Antragstellerin in der Betriebshaftpflichtversicherung versichert sein soll. Jedoch ist die dreijährige Frist zur Irrtumsanfechtung des Versicherungsvertrages gemäß § 1487 ABGB abgelaufen, weshalb der Vertrag weiterhin Rechtsbestand hat und so gilt, wie er seinerzeit abgeschlossen wurde, d.h. unter Zugrundelegung des falschen, nämlich eines zu geringen Risikos eines "Elektronik- und Elektrogerätehandels inkl. Installation" (RSS-E 74/23).

RSL60021

§§ 1002ff. ABGB 

Eine Verpflichtung des Versicherers innerhalb einer Vollmacht des Versicherungsnehmers an den Versicherungsmakler, rechtsgeschäftliche Erklärungen wirksam ausschließlich an die Antragstellervertreterin abzugeben, bedarf daher der zumindest schlüssigen Zustimmung des Versicherers, zumal (anders als bei Rechtsanwälten) keine gesetzliche Vorschrift für eine ausschließliche Kommunikation mit dem Versicherungsmakler besteht. Eine derartige schlüssige Zustimmung der Antragsgegnerin wurde jedoch von der Antragstellervertreterin nicht behauptet (RSS-E 72/23).

RSL60020

§§ 1002ff. ABGB

Die Erteilung einer weiteren Vollmacht an eine Versicherungsagentur bringt weder den Maklervertrag zwischen den Streitparteien zum Erlöschen noch gilt die dem Makler erteilte Vollmacht damit als widerrufen. Es ist rechtlich möglich, mehrere Personen gleichzeitig für ein und dieselbe Angelegenheit zu bevollmächtigen (RSS-E 34/23).

RSL60019

§ 1002 ff. ABGB

Auch eine Innenvollmacht ist durch externen Widerruf beseitigbar, wobei gutgläubige Dritte, denen der Widerruf nicht zugeht, nach Maßgabe des § 1026 ABGB geschützt sind.

Die Argumentation, die "Marken" würden unterschiedliche Vertriebswege bedienen und es sei eine gegenseitige Einsichtnahme nicht möglich, hebt nicht die zivilrechtliche Verpflichtung der Versicherung auf, einen ihr zugegangenen Widerruf einer Vollmacht in ihrer gesamten Geschäftsgebarung zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten (RSS-E 44/22).

RSL60018

§§ 1293 ff. ABGB

Die Klausel, wonach der "gesamte Geschäftsverkehr" im Zusammenhang mit den gegenständlichen Verträgen mit der Antragstellerin abgewickelt werde, kann nichts daran ändern, dass die Versicherungsnehmerin mit der Antragsgegnerin wirksam rechtsgeschäftliche Vereinbarungen über den Versicherungsvertrag treffen kann. Selbst wenn man in der Nichteinbeziehung der Antragstellerin in die Korrespondenz zur Verkürzung der Kündigungsfrist bzw. die nachfolgend nicht erteilten Auskünfte einen Verstoß gegen die vertragliche Vereinbarung erkennen sollte, fehlt einem solchen Verstoß die Kausalität für einen Schadenersatzanspruch in Höhe der begehrten Folgeprovision. Die Versicherungsnehmerinnen hätten auch mit Einbeziehung der Antragstellerin in die Korrespondenz mit der Antragsgegnerin über die Neumaklerin in Kontakt treten können und die Vertragsänderungen vereinbaren und die Kündigung der Verträge aussprechen können, ohne dass dies an dem grundsätzlichen Erlöschen der Courtageansprüche per 1.1.2021 etwas ändern hätte können (RSS-E 32/22).

RSL60017

§§ 1002 ff. ABGB

Liegt nur eine Willensäußerung des Antragstellers auf Abschluss eines Versicherungsvertrages vor, ohne dass die anderen beiden im Antrag genannten Eltern eine Vollmacht auf Abschluss des Vertrages auch in ihrem Namen erteilt hätten, so kann der handschriftlichen Vermerk auf dem Antrag, dass die Versicherung auch für die Eltern des Versicherungsnehmers "gelte", nur derart aufgefasst werden, dass die Eltern des Antragstellers zum Kreis der mitversicherten Personen zählen sollen, auch wenn diese in einer getrennten Wohneinheit leben, nicht aber dass diese auch Versicherungsnehmer werden sollen (RSS-E 18/22).

RSL60016

§§ 1002 ff. ABGB

Hat der Versicherungsmakler auch eine Vollmacht, Erklärungen des Versicherers entgegenzunehmen, ist der Versicherungsvertrag in dem Moment zustandegekommen, in dem die Annahmeerklärung bzw. die Polizze dem Versicherungsmakler als Vertreter des Kunden zugeht. Mit diesem Zeitpunkt beginnen dann auch allfällige Rücktrittsfristen zu laufen.

Der Umstand, dass der Makler ohne Auftrag gehandelt hat und dem Kunden die erfolgte Konvertierung nicht mitgeteilt hat, ändert nichts an der Wirksamkeit des Vertrages gegenüber dem Versicherer, sondern löst allenfalls einen Schadenersatzanspruch des Kunden gegenüber dem Versicherungsmakler aus (RSS-E 15/22).

RSL60015

§ 1376 ABGB

Für neues Versicherungsverhältnis spricht es, wenn die für einen Versicherungsvertrag wesentlichen Punkte wie das versicherte Objekt, die Gesamtversicherungssumme, die Prämienzahlung und die Versicherungsdauer völlig neu vereinbart werden. Nicht jedoch ist die bloße Aushändigung eines neuen Versicherungsscheins ein entscheidendes Kriterium für die Begründung eines selbständigen neuen Vertrags, selbst wenn der alte Vertrag als erloschen bezeichnet wird. Maßgebend ist, ob die Identität des Versicherungsverhältnisses gewahrt oder aber das bestehende Versicherungsverhältnis aufgehoben und ein neues begründet wird. Werden beispielsweise lediglich die Versicherungssumme und die Laufzeit geändert, wird der alte Versicherungsvertrag fortgesetzt (RSS-E 3/22) (ähnlich RSS-E 19/24).

RSL60014

§§ 1293 ff. ABGB

Voraussetzung für das Bestehen eines Schadenersatzanspruches sind neben der Verursachung eines Schadens durch ein rechtswidriges Verhalten und einem schuldhaften Verhalten des Schädigers auch die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens für den eingetretenen Schaden (§ 1295 ABGB). Die Haftung entfällt, wenn bei rechtmäßigem Verhalten (rechtmäßiges Alternativverhalten) der Erfolg in gleicher Weise eingetreten wäre.

Wenn zum Zeitpunkt der Auskunft eine fristgerechte Kündigung gar nicht mehr möglich war, kann die Fehlauskunft über den Kündigungstermin keinen kausalen Schaden beim Versicherungsmakler mehr verursachen, weil auch ohne Falschauskunft die nächste fristgerechte Kündigung erst mit Ablauf der darauffolgenden Versicherungsperiode erfolgen hätte können (RSS-E 13/21).

RSL60013

§§ 1293 ff. ABGB

Auch bei einer vorliegenden Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Agenten besteht überhaupt nur dann einen Anspruch auf Ersatz für den Schaden durch Entgang des Versicherungsschutzes (also im Ergebnis auf Deckung trotz Vorliegens eines Risikoausschlusses), wenn der Schaden bei rechtzeitiger Aufklärung durch entsprechenden Abschluss einer den Versicherungsschutz gewährleistenden Versicherung gedeckt worden wäre. Schließt der Versicherer die Deckung von baufälligen Gebäuden ausschließt, hätte der Versicherer auch bei korrekter Beratung nicht die Deckung des Schadens übernehmen können, ohne dass der Antragsteller zuvor auf eigene Kosten für die Instandhaltung des Gebäudes gesorgt hätte (RSS-E 4/21).

RSL60012

§ 871 ABGB

Stimmt die Versicherungsnehmerin einer Änderung des Vertrages zu, weil der Versicherer davon ausgeht, dass er infolge einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht an sich zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt ist, kann sich die Versicherungsnehmerin bis zur Wirksamkeit einer Anfechtung nicht darauf berufen, dass der Versicherer aufgrund von Formfehlern deckungspflichtig ist. Sie kann sich jedoch auf den Inhalt einer vorläufigen Deckungszusage berufen (RSS-E 58/20).

RSL60011

§§ 1293 ff. ABGB

Die Deckungszusage und Zahlung durch den Haftpflichtversicherer erzeugt weder im Hinblick auf den Selbstbehalt noch im Hinblick auf den die Versicherungssumme übersteigenden Teil der Forderung einen eigenständigen Verpflichtungsgrund für den Versicherungsnehmer. Der Versicherungsnehmer kann der Forderung des Geschädigten entgegenhalten, dass der Haftpflichtversicherer mehr als den tatsächlichen Schaden anerkannt bzw. bezahlt hat (RSS-E 56/20).

RSL60010

§ 1375 ABGB

Eine Antwort eines Versicherungsmitarbeiters auf eine allgemeine Anfrage ohne Bezug auf einen konkreten Versicherungsfall kann mangels rechtsgeschäftlichen Willens nicht als Anerkenntnis der Deckung betrachtet werden (RSS-E 9/20).

RSL60009

Art. 15 DSGVO

Will der Versicherungsnehmer Auskunft über Diagnosen erhalten, die der Versicherer über ihn gespeichert hat, muss er sich, soweit nicht § 3 Abs. 3 oder § 11c VersVG anwendbar ist, auf das allgemeine datenschutzrechtliche Auskunftsrecht nach Art 15 DSGVO stützen (RSS-E 76/19).

RSL60008

§ 862a ABGB

Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung und bedarf zu ihrer Wirksamkeit keines Einverständnisses des Erklärungsempfängers. Für den Zugang reicht es aus, wenn die Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist. Die Beweislast für den Zugang trägt grundsätzlich der Absender. Der Nachweis der Postaufgabe eines Einschreibens begründet aber keinen prima-facie-Beweis für den Zugang an den Versicherungsnehmer (RSS-E 72/19).

RSL60007

§ 914 ABGB

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der ihm erkennbaren Umstände im Einzelfall verstehen musste. Der Erklärungsempfänger ist nach Treu und Glauben gehalten, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat.

Sendet der Versicherungsmakler eine Kündigung zu einer Unfallversicherung samt einer Vollmacht der Versicherungsnehmerin, die sich auf die Kündigung der Versicherung bezieht, kann sich die Versicherungsnehmerin nicht darauf berufen, dass der Versicherer erkennen hätte müssen, es sei nur der Ausschluss einer mitversicherten Person aus dem Vertrag gemeint sein (RSS-E 67/19).

RSL60006

§ 1375 ABGB

Eine Deckungszusage "im Rahmen der Bedingungen" ist nicht dahingehend zu verstehen, dass der Rechtsschutzversicherer eine nach dem Eintritt des Versicherungsfalles erfolgte Erhöhung der Versicherungssumme auch auf den bereits eingetretenen Versicherungsfall anwendet (RSS-E 59/19).

RSL60005

§ 1002 ABGB

Durch die Vorlage einer Vollmacht, die den Versicherungsmakler ermächtigt, Erklärung für den Versicherungsnehmer entgegenzunehmen, ist der Versicherer nicht gezwungen, seine rechtsgeschäftlichen Erklärungen ausschließlich gegenüber dem vertretenden Versicherungsmakler abzugeben (RSS-E 43/19).

 RSL60004

§ 1 KSchG

Die bloße Behauptung, die Wohnungseigentümergemeinschaft sei Verbraucher, ist angesichts des Ersuchens des Versicherers, bestimmte Belege für die Verbrauchereigenschaft vorzulegen, nicht ausreichend, den Beweis der Verbrauchereigenschaft zu erbringen (RSS-E 27/19).

RSL60003

§ 1375 ABGB

Eine Erklärung des Versicherers, "im Rahmen der Bedingungen Versicherungsschutz" für den gegenständlichen Versicherungsschutz zu gewähren, schon nach dem vom antragstellenden Versicherungsmakler geschilderten Sachverhalt nicht geeignet, ein konstitutives Anerkenntnis zu begründen, zumal (noch) kein Rechtsstreit über den Anspruch auf Rechtsschutzdeckung vorgelegen ist (RSS-E 16/19).

RSL60002

§ 1333 Abs. 2 ABGB

Gemäß § 1333 Abs. 2 ABGB kann ein Gläubiger auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen (RSS-E 53/18). 

RSL60001

§ 861 ABGB

Ist nach den ursprünglich getroffenen Vereinbarungen die betriebliche Tätigkeit eines Taxiunternehmens nicht im Agrar-Fahrzeug-Rechtsschutz mitversichert, wird aber dann das Fahrzeug schriftlich als Taxi gemeldet, stellt diese Meldung eine Änderung des versicherten Risikos dar, d.h. das Risiko muss mittels Vertragsänderung in den bestehenden Vertrag aufgenommen werden. Gesteht die Versicherung zu, das Fahrzeug versichert zu haben, ist der Inhalt des geänderten Vertrags durch ein Beweisverfahren in einem streitigen Verfahren zu klären (RSS-E 1/19).