Drei EU-Flaggen flattern im Wind nebeneinander
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Sparte Industrie

BSI-Obmann Menz: Europa bleibt Industriestandort

Kommentar des Obmannes Mag. Sigi Menz

Lesedauer: 3 Minuten

20.03.2024

In den vergangenen fünf Jahrzehnten wurde in Europa immer wieder ein „Ende der Industrie“ herbei fantasiert. Klimapolitische Vorgaben und hohe Energiepreise geben entsprechenden Untergangspropheten gegenwärtig neuen Auftrieb. Die Industrie muss aber als dynamisches Herzstück der europäischen Volkswirtschaften erhalten bleiben. Und die Politik sollte dies – nicht zuletzt aus Eigeninteresse – unterstützen.

Selbst wer schon sehr lange in der europäischen Industrie tätig ist, kann sich wohl an keinen Zeitpunkt mehr erinnern, in dem die Industrie in der Öffentlichkeit nicht totgeschrieben oder totgeredet wurde: Mal waren es schicksalhafte Wirtschaftsprozesse, wie Tertiärisierung oder der Siegeszug des Internets; gerade diese beiden Entwicklungen haben aber die Industrie letztlich gestärkt, wenn man beispielsweise die heute enorme Bedeutung des servo-industriellen Bereichs denkt. Dann waren es angeblich übermächtige Konkurrenten, von der „Amerikanischen Herausforderung“ über Japan, die „Ostöffnung“ und die neue Herausforderung durch rasch wachsende Schwellenländer, vor allem China; wachsende weltwirtschaftliche Konkurrenz hat aber ebenfalls die europäische Industrie nicht zerstört, sondern durch verfeinerte internationale Arbeitsteilung stärker und leistungsfähiger gemacht. Und schließlich haben Energie- und Umweltfragen die Diskussionen immer wieder neu angefacht, von den beiden Ölkrisen der 1970er Jahre und verschiedenen umweltpolitischen Problemstellungen – Stichworte sind etwa „Saurer Regen“ oder „Ozonloch“ – bis zu den energie- und umweltpolitischen Herausforderungen der Gegenwart.

Im Nachhinein sehen die Hürden der Vergangenheit immer niedriger aus, als jene der Gegenwart und der Zukunft. Tatsächlich waren sie aber gar nicht kleiner oder leichter zu überwinden. Dass es in der Vergangenheit gelungen ist, beruht im Wesentlichen auf zwei Faktoren: Der unglaublichen Innovationskraft der Industrie und dem politischen Willen, die Standortbedingungen so auszugestalten, dass industrielle Tätigkeit möglich bleibt. Nur vereinzelt, wo dieser politische Wille gefehlt hat, ist es in Europa zu echter De-Industrialisierung gekommen – zu einem hohen Preis, der sich insbesondere in verminderter volkswirtschaftlicher Stabilität und einer verteilungspolitischer Polarisierung zeigt.

Um den politischen Willen zur Erhaltung entsprechender Standortbedingungen immer wieder zu wecken und zu festigen, muss die Industrie mit lauter Stimme sprechen. In den einzelnen europäischen Ländern, zunehmend aber natürlich auch auf gesamteuropäischer Ebene.  Dabei muss immer wieder deutlich gemacht werden, dass die Industrie mit ihren Forderungen nicht Partikularinteressen vertritt, sondern eine starke Industrie in Europa für wirtschaftlichen Fortschritt, Wohlstand und soziale Stabilität steht; dass sie darüber hinaus für jene Steuerleistung steht, die essentiell für die Umsetzung jeglicher politischer Pläne ist; und dass sie schließlich für jene technologischen Fortschritte sorgt, ohne die speziell die politischen Vorgaben im Energie- und Klimabereich unerreichbar wären.

Die zentrale Rolle der Industrie in der Umsetzung der Klimaschutzziele wurde im letzten Jahr auch von der EU-Kommission mit dem Industrieplan zum „Green Deal“ anerkannt. Die österreichische Industrie hat diesen Schritt begrüßt und gleichzeitig gefordert, dass dieser Industrieplan konkretere Auswirkungen haben muss, als der – ebenfalls grundsätzlich sehr positive – EU-Plan zur Re-Industrialisierung Europas im Jahr 2013: Ganz konkret kann die EU im eigenen Bereich tätig werden, indem die europäische Gesetzgebung einerseits Anreiz orientiert gestaltet wird und andererseits technische – und bürokratische! - Machbarkeit entsprechend berücksichtigt; indem der industrielle Transformationsprozess auf ausreichende Fördermittel zurückgreifen kann und gleichzeitig die Genehmigungshürden für entsprechende Investitionen niedrig gehalten werden; oder auch die Lehren aus der suboptimalen Bewältigung der Energiekrise 2022 gezogen werden und auf sinnvolle – und mit anderen Maßnahmen abgestimmte – Weise eine Strategie zur sicheren Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Kosten entwickelt wird.

Im Vorfeld der EU-Wahlen 2024 und im Hinblick auf die kommende Parlaments- bzw. Kommissionsperiode 2024-2029 haben sich zahlreiche europäische Industriebetriebe und Interessensvertretungen der Industrie zusammengefunden, haben die genannten Eckpunkte aufgegriffen und in eine insgesamt zehn Punkte umfassende Erklärung gefügt. Diese sogenannte „Antwerp Declaration“ behandelt eine Reihe wichtiger Themen, beinhaltet aus meiner Sicht insbesondere aber einen Punkt, der entscheidend für das Gelingen des überaus anspruchsvollen europäischen Transformationsprozesses ist, den sich die Europäische Union vorgenommen hat: Inkohärenzen, Zielkonflikte und unnötige Komplexitäten müssen endlich zurückgedrängt werden, damit die wesentlichen Ziele und Vorhaben durch die Industrie umsetzbar und somit letztlich politisch erreichbar sind.

Im eigenen Interesse muss die europäische Politik von der Industrie lernen: Ziele müssen klar vorgegeben sein. Wer ein riesiges Bündel an konfliktären Zielen verfolgt, wird letztlich keines davon erreichen. Unternehmen wissen das. Die Politik täte gut daran, dies aus der unternehmerischen Praxis zu lernen.

Unterschrift
©

Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

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